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Was war. Was wird.

Neue Robotergesetze? Ist es das, was die Welt braucht? Aber ach, der Mensch ist ein Scheinriese, und träumt auch nur von elektrischen Schafen, befürchtet Hal Faber.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Grau, grau, grau ist nicht die Theorie, mein Freund, sondern der Himmel über der norddeutschen Tiefebene. Ein tristes Novemberwetter herrscht, und alle, wirklich alle Zeitungen beschäftigen sich erinnerungsgesättigt mit dem "Schicksalstag der Deutschen", diese Luftschiffer des Geistes. Unter grauen Himmeln fliegt es sich niedrig dahin. Ja, könnte man denn nicht einen anderen Himmel beschreiben, wie es der große Isaac Asimov getan hat, als er dem Skymail-Projekt antwortete. Doch grau, grau, grau ist auch die Zukunft, der Fortsetzungs-Schund hat auch Asimov erreicht. Wahrscheinlich bekommen wir jetzt neue Robotergesetze: Ein Roboter muss im Chat, bei Twitter und im Bett seine ID-Nummer angeben, bei Strafe des Stromentzuges. Er muss die Robots.txt der Menschen lesen und beachten. Roboter dürfen den Himmel nicht beschreiben.

*** Ich hoffe, dieser Einstieg war wirr genug, um die üblichen Basher zum Wegklicken zu bringen. Denn hier und jetzt beginnt die große Relevanzdebatte: Was die Wikipedia kann, sollte das WWW mit lechts schaffen. Wer war nun größer, relevanter und bedeutender: Claude Shannon oder Albert Einstein? Der Semiotiker Umberto Eco hat sich für Shannon ins Zeug geworfen: Wer Kultur und Kommunikation verstehen will, müsse zur elementaren Ebene hinunter, auf der Shannon geforscht hat. Seine Untersuchungen zur Unsicherheit der Kommunikation sind nun einmal die Basis, auf der ein Satz wie "Grau, teurer Freund, ist alle Theorie ..." fußt. Für Einstein spricht, dass die Gravitation und Zeit stärker unser Leben bestimmen als unsere Sprache. Man denke nur an den gravitätischen Fall des Baguettes, der die Urknallmaschine außer Gefecht setzte. Dann ist da noch die Zeit.

*** "Wenn ich arbeite, dann erlebe ich Augenblicke der Angst, aber wenn ich nicht arbeite, dann empfinde ich dumpfe Unlust, und mein Bewusstsein durchbohrt mich. Das Arbeits-Leben ist nicht lustiger als das andere Leben, aber wenigstens merkt man nicht, wie die Zeit vergeht. In seiner Autobiographie hat Claude Lévi-Strauss die Sache mit seinem Leben auf den Punkt gebracht. In der Nacht zum letzten Sonntag ist er gestorben, kurz vor dem 101. Geburtstag. Vielleicht wird man sich darauf einigen können, dass Lévi-Strauss größer ist als Shannon und Einstein, verdanken wir ihm doch die Erkenntniss, dass der Mensch ein Scheinriese ist. Verabschieden wir uns mit einem ganz besonderen Stück: Bei mir bist Du scheen.

*** Arbeit kann erfüllen, aber auch schnell beendet sein. Diese Erfahrung machte in dieser Woche niemand anderes als der geheime Chef der deutschen Terror-Abwehr, Innen-Staatssekretär August Hanning. Der ganze Vorgang ist ein Beispiel für den schnellen Grenzwechsel in der schwarzgelben Koalition, mit einem kleinen Beigeschmack von Rache durch den neuen Innenminister. So etwas nennt man heute Wandelismus.

*** Zu den schnellen Erfolgen der neuen Bundesregierung zählt der Start einer Debatte über die PKW-Maut, komplett mit unsinnigen Überlegungen, die LKW-Mauttechnik in die PKWs zu stopfen. Dabei wird gerne vergessen, dass der "Erfolgsschlager Maut" von der Verwertungsfirma Satellic genau 0 Mal ins Ausland verkauft werden konnte. Niemand will das teure Spielzeug haben, an dem vor allem die Betreibergesellschaft Toll Collect kräftig verdient. Bis die europäische Mauttechnik kommt und der Erfolgsschlager abgewrackt werden muss, soll dieses heikle Thema ruhen. Insofern ergibt der forsche Slalomstil des Verkehrsministers Sinn.

*** Das Ramsauern hat Methode. Er muss auf seinen Kollegen de Maizière warten, der im Rahmen des Projektes elektronische Identitäten nicht nur den super sicheren elektronischen Personalausweis in der Schublade hat, sondern auch das elektronische Nummernschild unter dem etwas sperrigen Namen "elektronische Identität im Strassenverkehr". Mit diesem seine ID-aussendenden Teil wird die PKW-Maut ganz ohne OBU-Gedöns sehr einfach eingeführt werden können, ganz ohne Beschädigung der Privatsphäre. Notfalls hängt man neben die obligate Dufttanne eine Privacy Box an den Rückspiegel, in der ein Versprechen auf Privatheit steckt wie einer dieser sinnlosen Glückskeks-Sprüche.

*** Endlich, endlich hat Sloterdijks Manifest vom "Aufbruch der Leistungsträger" seine Gefolgschaft gefunden, natürlich im Zentralorgan der Altbaubewohner. Hatz auf Textdiebe eröffnet, heißt es da, und vor lauter Tralali sind auch die Fakten hübsch verdreht: Der Blogger kopierte keinen Artikel, sondern zitierte etwas viel, und das auch noch aus einem Zeit-Artikel, der das Abwaschwasser-Niveau des Gerüchteportals TMZ locker unterbot. Wer sich für die juristischen Aspekte interessiert, kann hier und hier und hier weiterlesen.

*** In dieser Wochenschau geht es um den Hass auf das Prekariat, den die neuen Leistungsträger tragen, der exemplarisch so gelesen werden kann: Wieviel Geld verdienen Sie denn so in der Branche, wenn Sie meinen, mir vom hohen Ross herab Ratschläge erteilen zu können? Und ich rede jetzt nicht von Bafög, Transfereinkommen, einer Assistelle oder milden Zuwendungen eines gemeinnützigen Trägers, wo Ihr Papi jemanden kennt, sondern von bezahlten Veröffentlichungen? Leistungsträger wollen mit Freuden rundum sorglos leben. Auffallend häufig tauchen in den gesammelten Anmerkungen der Autorin aus Manhattan, in diesem unfassbar peinlichem Geschreibe die Begriffe Bafög, Staatsknete und gemeinnützige Töpfe auf. Die Leistungssträger von heute sind die Berechner des neuen Wirtschaftswunders und verteilen ihre eigenen Denkzettel. Dazu ein Klecks Sloterdijk: "Wir leben in einer Kleptokratie.".

*** Kleptokratie? Die Herrschaft des Kleps? Wenn dem so ist, erübrigen sich alle Kommentare zu Opel, eine Tochter von General Motors. Womit derzeit offenbar die besseren Politologen beschäftigt sind: solange es um die Wahl von Kinder-statt-Inder Rüttgers geht, ist Deutschland erpressbar. Solange wird von der neuen deutschen Rgierung ein Möbchen inszeniert. Zu dumm nur, dass dieses hübsche Wort dank Amazons Werbe-Unsinns-Geranke bei einem Schleimspursurfer auftaucht, der im taz-Umfeld Haltungsnoten verteilt.

Was wird.

Morgen, Kinder, wirds was geben, morgen werden wir uns freun. Jeder Wessi küsst einen Ossi, welch ein Leben wird in unsrem deutschen Hause sein! Das Schöne daran: Die solchermaßen Bescherten wie die Bescheuerten, das Datum Feiernden müssen mindestens 30, 35 Jahre alt sein, um in diesen tranigen Aufgüssen von damals ihr ganz besonderes Leckerli zu finden. Endlich ist die twitternde Gackerei aus, die Netzpolitik abgeschafft und die staatstragende Brust kann durchgedrückt werden. Doch leider trieft es larmoyant. Bis anhin, schweizerisch gesprochen, zählen die Erinnerungen von Lothar Bisky zu den besten Stücken in der Erinnerungsorgie. Noch besser ist eigentlich nur ein Interview – in dem der Mauerfall keine Rolle spielt. Bloß nicht aufhören! (jk)