LKW-Maut: Vom Fehlstart zur Geldverteilung?

Die von Wikileaks veröffentlichten Teile der LKW-Mautverträge erzählen einen Teil der verwickelten Geschichte, wie die deutsche LKW-Maut an den Start ging. Der andere Teil wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit vor einem Schiedsgericht verhandelt.

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Von
  • Detlef Borchers

Die von Wikileaks veröffentlichten Dokumente aus den Maut-Verträgen erzählen einen Teil der verwickelten Geschichte, wie die deutsche LKW-Maut an den Start ging. Der andere Teil wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit vor einem Schiedsgericht verhandelt. Allein diese Gerichtsverhandlung hat Kosten von 60 Millionen Euro verursacht, wie in dieser Woche bekannt wurde.

Die in einem geheimen Verfahren ausgeschriebene LKW-Maut wurde von der Bietergemeinschaft ETC, später Toll Collect, gewonnen, in dem die Deutsche Telekom und DaimlerChrysler mit jeweils 45 Prozent das Sagen hatten. Die in der Ausschreibung geforderte Beteiligung eines ausländischen Unternehmens wurde mit der französischen Cofiroute erreicht. Mit Blick auf die jetzt bei Wikileaks auftauchenden Details zur Maut zeigt sich, dass vor allem die "Mehrwertdienste" von Interesse waren, die mit der On-Board Unit (OBU) realisiert werden sollten. So heißt es in einem "Business Plan" genannten Dokument, dass die Mehrwertdienste wesentlich dazu beitragen würden, die Akzeptanz des Mautsystems zu steigern und die Einnahmen zu erhöhen.

Offenbar waren die Mehrwertdienste zumindest für DaimlerChrysler (DC) das zentrale Motiv dafür, bei der LKW-Maut mitzubieten. In der DC-Mitarbeiterzeitung "Services Inside" erklärte Michael Rummel als Geschäftsführer von "DC Services Mobility Management" im Juli 2003 die mit der Maut möglichen "erweiterten Telematikdienste" zum strategisch wichtigen Zukunftsportfolio von DaimlerChrysler. Rummel war zu diesem Zeitpunkt der designierte Geschäftsführer des Mautbetreibers Toll Collect. Die erhofften Mehrwertdienste sorgten für Ärger, als die Europäische Union Bedenken anmeldete. Man befürchtete eine marktbeherrschende Stellung der Maut-Konzessionäre, die es anderen Firmen unmöglich machen könnte, Spediteuren "Mehrwertdienste" anzubieten. Erst als Toll Collect erklärte, bei den Zusatzdiensten auch andere Firmen mit ins Boot zu nehmen, waren die Bedenken entkräftet. Von dieser Erklärung abgesehen, ist bis heute nichts passiert. Weder Toll Collect noch andere Firmen realisierten Mehrwertdienste. Solche Dienste werden von Spezialisten wie Punch angeboten, die mit Systemen wie dem CarCube eigene OBUs installieren. Derweil ist der erste echte Mehrwertdienst von Toll Collect noch in der Planung, hat aber mit rechtlichen Problemen zu kämpfen.

Der Blick in die bei Wikileaks veröffentlichten Unterlagen zeigt, dass sich die Bietergemeinschaft für eine reibungslose Umsetzung des Angebotes gut gerüstet glaubte. Mehrfach wird im "Business Plan" betont, dass nur "Off-the-Shelf"-Komponenten zum Einsatz kommen werden und all diese Komponenten mehrfach getestet worden seien. Insgesamt lässt der Plan erkennen, dass man nicht mit Risiken rechnete, weil "nur bekannte Technologien" zum Einsatz kämen, mit einer Ausnahme:
"Innovativ ist die Anwendung von Algorithmen zur Erkennung der Maut-Pflicht (Zahlungsentscheidung). Diese Verfahren sind deshalb von der Bietergemeinschaft frühzeitig entwickelt worden und funktionieren mittlerweile seit Jahren zufriedenstellend. Es gilt, die Technologien in einem neuen Gesamtgerät zusammenzustellen."

Ganz so einfach war die "Zusammenstellung" der Komponenten offenbar nicht. Nach einigen Terminverschiebungen gegenüber dem geplanten Beginn zum 31. August legte die Maut mit dem Start am 15. Oktober 2003 einen Fehlstart hin, komplettiert mit einem Rückruf der OBUs, die die Maut-Berechnungen automatisch vornehmen sollten. Außerdem musste der Geschäftsführer Michael Rummel seinen Posten räumen, als bekannt wurde, dass er im Aufsichtsrat eines OBU-Produzenten saß. Erst am 1. Januar 2005 konnte ein komplett überarbeitetes System als "LKW-Maut light" mit dem Einnehmen der Maut beginnen, erst im August 2005 begann das Update der OBU zu vollständiger Funktion nach dem Maut-Vertrag. Am 1. Januar 2006 startete schließlich das System endlich in der Form, wie es ausgeschrieben und geplant worden war. Während 2005 die Zahlen noch unter den Erwartungen lagen, wurde 2006 richtig verdient. Laut Haushaltsplan der Bundesrepublik Deutschland wurden in diesem Jahr 3.046.690.173 Euro mit der LKW-Maut eingenommen. Hinzu kamen 484.937 Euro aus der Nacherhebung bei Mautprellern durch das Bundesamt für Güterverkehr. Toll Collect erhielt aus diesen Einnahmen 563.481.436 Euro.

Zur Geschichte, den Verträgen und den technischen Bedingungen des LKW-Maut-Systems in Deutschland siehe auch:

(jk)