Neelie Kroes bekennt sich zu Netzneutralität

Die künftige EU-Kommissarin für die Digitale Agenda hat während einer Anhörung im EU-Parlament ein klares Bekenntnis zur Netzneutralität abgegeben. Beim Thema Urheberrecht blieb sie hingegen vorsichtig.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 35 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Monika Ermert

Die designierte EU-Kommissarin für die Digitale Agenda, Neelie Kroes, hat in ihrer Anhörung im EU-Parlament gestern in Brüssel ein klares Bekenntnis zur Netzneutralität abgegeben. Einschränkungen des Zugangs der Nutzer durch Service-Provider aus kommerziellen Gründen lehnte sie entschieden ab. Lediglich Gründe der Sicherheit oder Spamabwehr könnten die Verletzung des Prinzips rechtfertigen. Ebenso offen unterstütze Kroes einen stärkeren Einsatz von Open-Source-Produkten innerhalb der EU, sie sei ein Verfechter von Interoperabilität. Dagegen blieb die noch amtierende Wettbewerbskommissarin vorsichtig, was Fragen zum Urheberrecht anbelangt.

Kroes sagte, "wir müssen sehr wachsam sein gegenüber neuartigen Bedrohungen der Netzneutralität", und verwies auf die Diskriminierung von VoIP-Angeboten durch Netzanbieter in Europa. Die EU-Kommission bereitet zur Netzneutralität einen Bericht vor, der Ende des Jahres abgeschlossen werden soll. Darin soll Kroes' Stimme erhebliches Gewicht haben, falls sie am 26. Januar als Nachfolgerin ihrer Vorgängerin Viviane Reding bestätigt werden sollte.

Zur Auseinandersetzung zwischen Google und China sagte Kroes, sollten die bisherigen Informationen bestätigt werden, handele es sich um einen eklatanten Fall der Verletzung von Meinungsfreiheit und Menschenrechten. Die Meinungsfreiheit im Netz könne auch in den Außenbeziehungen der EU angesprochen werden. Dabei verwies Kroes auf Catherine Ashton, die künftige Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik.

Die Einhaltung europäischer Grundrechte sicherte Kroes auch beim Thema ACTA zu, dem von der EU-Kommission hinter verschlossenen Türen verhandelten neuen internationalen Abkommen zur härteren Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte. Ziel der Kommission sei, dass die Schutzrechte in der EU einschließlich der bestehenden Grundrechte eingehalten würden. Ähnlich wie zuvor der designierte Handelskommissar Karel de Gucht sagte Kroes, eine "Harmonisierung durch die Hintertür" werde es nicht geben. "Wir bleiben bei dieser Linie und die anderen müssen auf unsere Seite kommen wir werden nicht auf ihre wechseln."

Beim Urheberrecht und der Frage europaweiter Lizenzen für Online-Musik will Kroes in erster Linie die streitenden Parteien zusammenbringen, um Lösungen zu finden, wie sie es schon mit dem runden Tisch zu Online-Musik getan hat. Solange es hier unterschiedliche Regeln zum Urheberrecht in der Gemeinschaft gebe, drehten sich Gespräche über "Piraterie" nur im Kreis.

Obwohl die EU-Parlamentarier Kroes mehrheitlich für ihre harte Linie gegen große Unternehmen wie Microsoft lobten, zeigten sich manche in der Anhörung gestern enttäuscht von den eher vorsichtigen Aussagen. Mehrfach wollten die Abgeordneten so etwa wissen, wie sich Kroes verhalten will, wenn die Netzanbieter im Bereich Sprach- und Datenroaming nicht ausreichend die Bestimmungen der beiden bislang verabschiedeten Verordnungen erfüllen würden. Kroes erwiderte, niemand solle glauben, sie behandele Wettbewerbs- und Verbraucherfragen als Kommissarin für digitale Agenda anders als in ihrem früheren Ressort. Eine dritte Verordnung sei eine der Möglichkeiten. Auch bei konkreten Anreizen der Gemeinschaft für den Breitbandausbau blieb die Kommissarin eine konkrete Antwort schuldig.

Erster von sechs Kernpunkten ihres Arbeitsprogramms sei eine stärker auf einzelne, große Themen konzentrierte Forschung und Entwicklung, erklärte Kroes weiter. 1,7 Milliarden Euro seien zwar stattlich, allerdings gebe Google mehr für seine Forschung aus, daher solle man sich auf wenige Forschungsthemen konzentrieren. Den Wettbewerb mit Google, auch im Bereich der Digitalisierungsprojekte, sieht Kroes sportlich: Sie fühle sich mit Blick auf die Bemühungen um die Europeana herausgefordert durch Googles Engagement bei der Digitalsierung von Büchern. (anw)