Heizungsgesetz zu schnell durchgepeitscht: Verfassungsgericht bremst Bundestag

Der Bundestag darf das Gebäudeenergiegesetz diese Woche nicht beschließen. Die Abgeordneten müssen Zeit haben, den Gesetzesantrag zu verstehen.

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Eile mit Weile, bitteschön

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 2 Min.

Das deutsche Bundesverfassungsgericht untersagt dem Deutschen Bundestag, noch diese Woche über das von der Bundesregierung vorgelegte Heizungsgesetz abzustimmen (offiziell "Änderung des Gebäudeenergiegesetzes und der Kehr- und Überprüfungsordnung"). Grund für die Einstweilige Anordnung des Verfassungsgerichts ist die enorme Eile, die die Regierungskoalition an den Tag legt: Dienstagnachmittag legte sie einen umfassenden Änderungsantrag zur Regierungsvorlage vor, der am Mittwoch durch den zuständigen Ausschuss gewunken wurde und am Freitag in zweiter und gleich auch dritter Lesung im Plenum abgestimmt werden sollte. Da bleibt anderen Abgeordneten keine Zeit, den Text zu lesen, geschweige denn, zu beraten.

Doch genau darauf, nämlich auf gleichberechtigte Teilhabe an der parlamentarischen Willensbildung, haben die einzelnen Bundestagsabgeordneten Rechtsanspruch. Das hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) schon 1991 in einem von der PDS/Linke Liste angestrengten Verfahren (2 BvE 1/91) erkannt. Rechtsgrundlage dafür ist Artikel 38 Absatz 1 zweiter Satz des Grundgesetzes: "(Die Bundestagsabgeordneten) sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen."

Das Durchpeitschen neuer Gesetze im Eiltempo ist keine Erfindung der aktuellen Regierungskoalition, sondern schon von deutschen Regierungen aller Couleurs praktiziert worden. Doch diesmal stellt ein CDU-Abgeordneter einen Baum auf: Thomas Heilmann aus Berlin hat das Bundesverfassungsgericht angerufen und mit mehreren rechtlichen Argumenten eine Einstweilige Verfügung beantragt. Das Gericht gewährt die Einstweilige Anordnung, allerdings nur für diese Woche, anstatt für die von Heilmann begehrten 14 Tage.

Vorerst gilt sein Vorbringen als "nicht offensichtlich unbegründet". "Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG garantiert den Status der Gleichheit der Abgeordneten in einem formellen und umfassenden Sinn. Danach sind alle Abgeordneten berufen, gleichermaßen an der parlamentarischen Willensbildung mitzuwirken. Den Abgeordneten steht nicht nur das Recht zu, im Deutschen Bundestag abzustimmen, sondern auch das Recht(,) zu beraten", führt der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts aus. "Dies setzt eine hinreichende Information über den Beratungsgegenstand voraus. Die Abgeordneten müssen dabei Informationen nicht nur erlangen, sondern diese auch verarbeiten können." (Beschluss vom 5. Juli 2023 - 2 BvE 4/23)

Zwar genieße die Parlamentsmehrheit grundsätzlich Verfahrensautonomie mit "weitem Gestaltungsspielraum", doch dürfe sie die Abgeordnetenrechte nicht "in substantiellem Umfang missachten". Was das im Detail bedeutet, ist bislang nicht geklärt. Oder, im Juristendeutsch des BVerfG: "Der Ausgang des Hauptsacheverfahrens erscheint offen", die Frage bedürfe "eingehender Prüfung."

(ds)