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Was war. Was wird.

Wir sind hier falsch. Ja genau: Sind wir nicht alle am falschen Ort zu einer Zeit, die es gar nicht gibt? Ach was, auch an Tagen, die es eigentlich gar nicht gibt, feiert der Irrsinn der IT-Branche fröhliche Urständ, bemerkt Hal Faber.

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Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Nein, es stimmt alles nicht, dies alles ist eine große, eine absolute Verschwörung, die Verschwörung als Ende aller Verschwörungen: So leid es mir tut, ich muss die bittere, die ganze Wahrheit auf den Schirm knallen. Heute gibt es keine Wochenschau. An einem Schalttag ist das viel zu gefährlich. In einem durch 4 teilbaren Jahr in einem durch 400 teilbaren Jahrtausendhundert auf einer durch vierzig teilbaren Festplatte darf einfach keine Wochenschau entstehen, die vor kurzem ihr vierjähriges Jubiläum hatte. Nein, das ist keine jüdische Zahlenmystik. Wie schaltjahresbrandgefährlich es ist dieser Tage, das zeigt der Exitus von 4MBO. Kaum ist man durch Vier teilbar, schon schlagen die Gewährleistungsabzocker zu. Nie gehört? Diese illuminösen Menschen mit 23 Buchstaben treten dort auf, wo der allerletzte Computerschrott über Discounter an diejenigen verramscht wird, die glauben, dass Geiz geil ist, auch beim PC. Die dafür großzügigen Support durch Punter und Giver bekommen, jedoch niemals länger als 20 Sekunden pro Anruf. Amerika, du hast es besser.

*** In diesen gurkenlastergefährlichen Tagen ist also nichts mit einer Wochenschau, nein, nur eine kleine, feine Schalttagsbetrachtung darf es sein. Eine, die uns vielleicht auf das Grauen des Jahres 4782 vorbereitet, wenn die Gewährleistungsabzocker das Kalendarium, das Universum und den ganzen Rest abgeben. Eine Schaltjahresbetrachtung, diesmal zu Ehren der einzigen Religion, die diesen Tag zu einem ihrer heiligen Tage gemacht hat. Die Methodisten, die sich vor 220 Jahren zusammenschlossen, verpassten das richtige Datum um einen Tag. In diesen Tagen, in denen das Christentum mit seinem Blutfluch-Komplex in einem Splatter-Movie beginnt, die Kinogänger zum Atheismus zu foltern. So steigt die Spannung unaufhörlich: Was wird aus dem Hund, wenn das Herrchen aufgespießt ist? Und was ist mit den Krabben los?

*** Zu einer Schalttagsbetrachtung gehört ein Blick in die deutsche Loreleikrümmung. Denn die kabbalistische Zahlentheorie muss offensichtlich die Tatsache erklären, dass der Mautvertrag drei Mal auf feindlichem Boden mit Blut unterschrieben werden musste, damit der Pakt nicht Luzifer herauf beschwört. Zum altersversorgenden Schurkenstück im System Schröder gehört die Meldung der Stuttgarter Firma Herterkom, die nun behauptet, dass der ganze Schnickschnack mit Mautbrücken und Buchungsterminals ein Teufelszeug ist, weil alles einzig auf GSM-Basis gelöst werden kann. Dabei passt es zu dem mit Eselsgeduld entwickelten System, das heute, an einem Schalttag, das neue Angebot von Toll Collect erwartet wird. Wie es aussieht, ist schon klar: Genau in einem Jahr, am 29. Februar 2005, wird die erste Stufe der Maut starten, am 29. Februar 2006 die zweite und erst im richtigen Schaltjahr 2008, wenn das gebührenpflichtige Galileo an den Start geht, die Endstufe 3. "Maut komplett", diese Jubel-Arie wird freilich erst dann erschallen, wenn neben den Autobahnen die Städte ihre Technik aufgestellt haben.

*** Ein sympathischer Zug kann auch von der SCO Group gemeldet werden. Vier Jahre, nachdem diese Firma noch unter dem Namen Caldera gegen die unethischen Praktiken der Firma Microsoft vor Gericht zig, haben sich die Erben einen Ethik-Code zugelegt, der an die edelsten Schöpfungen erinnert, die die an Ethik-Codes nicht arme Computerindustrie bereichert. Wobei es mit der Ehrlichkeit von Aussagen eines Darl McBride insofern seine Richtigkeit hat, dass hier wirklich jemand vor seinen Göttern an das glaubt, was er behauptet. Freilich muss man Abschnitte wie "Fair Dealing" relativieren, wenn es heißt, dass alle Daten der Kunden vertraulich zu behandeln sind. Was ist mit den öffentlichen Daten deutscher Kunden, wenn sie im Web stehen und für eine einmalige, einfache Anfrage benutzt werden, die prompt zu einem geschäftsschädigenden Boykott umgedeutet wird?

*** Schaltjahresmäßig ist 27 eine inkompatible Zahl. Aber was ist schon inkompatibel, damit passt sie gut zu einem verreichenden Bill Gates, der nach so langer Zeit seine Alma Mater besuchte, um sich an dem 25 Millionen Dollar teuren Gebäude zu erfreuen, das er mit seinem alten Studienkumpel Steve Ballmer der Universität geschenkt hat. Nein, hier wird nicht die Hohe Schule des Tanzens gelehrt, eher höhere Logik. In England hat gerade David Aucsmith, der oberste Sicherheittechniker von Microsoft, erklärt, dass "das Gros der Attacken passiert, wenn der Patch verfügbar ist". Die lahmen Hacker warten also auf den Sicherheitspatch, analysieren ihn, um die Lücke zu finden und starten erst dann einen Angriff auf eines der sichersten Betriebssysteme dieser Welt. Bitte, man mag mich mit Sprotten und Heringen zumüllen, aber: Wussten wir nicht alle, dass diese Hacker faul sind und von Microsoft abhängig sind wie die Support-Techniker von ihrer Webcam?

*** Heute vor 100 Jahren wurde übrigens Jimmy Dorsey geboren, der schon deshalb Erwähnung verdient, weil er mit den Dorsey Brothers einem Glenn Miller Arbeit gab, der morgen 100 Jahre In the Mood ist. Jimmy, der ohne Schmalz swingte, starb an seiner Krankheit, einem Krebs, während der schmalzige Glenn wahlweise von eigenen Bombern erwischt wurde, in einem Pariser Bordell einen Herzinfarkt bekam, als Schwuler in einem Eifersuchtsdrama von seinem Liebhaber erstochen wurde oder ein russischer Spion war, der zurück nach Moskau ging. Unvergessen sollen seine Sätze aus seiner 'Music for the Wehrmacht' bleiben: "Guten Tag, Ilse, here we are again. Time will come that we wiped out all Nazi gangsters". Es gab ihn schon damals wohl, den Traum, dass die beste Band der Welt mit Musik die Welt verändern könnte.

Was wird.

Wer Google anwirft, der weiß, dass die Welt nur schlechter und schlechter werden kann. Wo bleibt das Positive? Bitteschön: Es ist heute nicht nur ein seltsamer Schalttag, auch das Web schaltet um. Ab morgen werden wir uns über Web-Angebote zu Vögeln, Ägypten oder Rudi Völler freuen können, die ohne verunstaltete oe und ae erreicht werden können. Wie wichtig Umlaute für die nationale Identität sind, merkt man erst, wenn man sie hört. Jedes Land hat halt seine eigenen Tandläkare und sein eigenes Tandskamemory: Starta Spelet!

Die Amerikaner brachten uns dereinst das zahnhygienische Kaugummi und den Jazz, doch heute ist es eher die Homeland Security, die als Top-Modell importiert werden soll. In der nächsten Woche sind einige Veranstaltungen angekündigt, auf denen diskutiert wird, wie Europa bei seinen Ausweisen auf die Biometrie umschalten soll. Da treffen sich in Darmstadt auf Einladung des BSI deutsche und amerikanische Experten, um über die Biometrie zu beraten, während zeitgleich in Brüssel die Europaparlamentarier bearbeitet werden. Die Sterne stehen schaltungstechnisch gut, weil Kanzler Schröder seinem neuen Spezi in den USA diese Kleinigkeit sicher zugestehen wird. Was die Überwachung der eigenen Bürger anbelangt, ist diese deutsche Regierung recht zimperlos, wie es das Bundesverfassungsgericht in dieser Woche bestätigen wird. (Hal Faber) / (jk)