Mit Druck zum Strom

Druckluftspeicher im Münsterland sollen große Mengen Strom speichern. Die Idee dahinter ist nicht neu, aber jetzt könnte ihr eine Renaissance bevorstehen.

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Der Bau des Druckluftspeichers in Ahaus.

Screenshot aus dem Video zum Baufortschritt des Druckluftspeichers in Ahaus.

(Bild: Screenshot / Corre Energy)

Lesezeit: 4 Min.

Druckluftspeicher sind die Exoten unter den Stromspeichern. Weltweit gibt es gerade einmal zwei Anlagen. Eine davon befindet sich im niedersächsischen Huntorf, und die ist schon fast ein halbes Jahrhundert alt. Jetzt will der Ökostromanbieter Lichtblick die Technik wiederbeleben.

Die Idee, Luft als Speichermedium zu benutzen, klingt erst einmal einleuchtend. Schließlich ist sie billig und überall verfügbar. Komprimiert man sie mit überschüssigem Strom und speichert sie in großen Kavernen, kann sie anschließend eine Turbine antreiben. Doch die Sache hat einen Haken: Beim Verdichten entsteht Abwärme, was Wirkungsgrad kostet. Und beim Entspannen wird die Luft so kalt, dass die Turbinen vereisen. Also muss zugefeuert werden. Die Anlage in Huntorf ist deshalb eher ein Gaskraftwerk mit eingebautem Turbolader denn ein Stromspeicher.

Der Stromversorger RWE wollte das Verfahren effizienter machen und die Wärme, die beim Komprimieren entsteht, in einem Wärmespeicher zwischenlagern, um sie bei der Rückverstromung wieder nutzen zu können. Dieses "adiabate" System erwies sich aber offenbar als unwirtschaftlich und wurde nie gebaut.

Der nun von Lichtblick zusammen mit Siemens Energy, dem niederländischen Speicherspezialisten Corre Energy sowie dem Energieversorger Eneco gebaute Speicher kommt ohne Wärmepuffer aus. "Die von den Kompressoren erzeugte Abwärme kann als Fernwärme genutzt und vermarktet werden", teilt Lichtblick auf Anfrage mit. Die Zufeuerung soll zunächst mit Erdgas, später mit Wasserstoff geschehen. Standort ist das münsterländische Ahaus. Das liegt nicht weit vom geplanten Wasserstoff-Netz "GetH2" entfernt. Die Round-Trip-Effizienz vom Einspeichern bis zum Ausspeichern beziffert Lichtblick auf 65 Prozent. Das ist zwar weniger als bei einem Pumpspeicherwerk oder einer Batterie, aber mehr als bei einem Wasserstoff-Gaskraftwerk.

Derzeit werden bei Ahaus vier ehemalige Salzkavernen in einer Tiefe von mehr als 1150 Metern ausgespült, mit einem Durchmesser von 70 Metern. Gemeinsam haben sie ein Volumen von rund drei Millionen Kubikmetern. Ihr Druck wird zwischen 100 und 200 bar liegen. Bei der ersten Kaverne ist derzeit knapp 80 Prozent der Aussohlung erreicht. Sie soll 2026 fertig sein. Anschließend müssen noch ausreichend dimensionierte Rohre für den Lufttransport gebohrt werden. Die anderen Kavernen sollen bis 2028 folgen.

In der ersten Phase soll das Speicherkraftwerk 320 Megawatt liefern, etwa so viel wie Huntorf. In der zweiten Phase sollen weitere 320 MW hinzukommen. Der Speicher soll bis zu 100 Stunden lang Strom abgeben können. Rein rechnerisch entspräche ihre Kapazität also 64 Gigawattstunden, fast fünfmal so viel wie alle derzeit hierzulande installierten Batteriespeicher zusammen.

In der Praxis dürfte es weniger werden. "Nachdem die Zyklen typischerweise nicht im Extrembereich zwischen Minimaldruck und Maximaldruck der Kavernen variieren, sondern ökonomisch optimiert meist kürzere Ein- und Ausspeisezyklen gefahren werden, wird der typische Zyklus wenige GWh Stromleistung ein- beziehungsweise ausspeichern", erklärt Lichtblick. "Die Kaverne kann in langen und kurzen Zyklen befahren werden, sodass bei kommerzieller Sinnhaftigkeit auch zum Beispiel nur eine Stunde oder weniger ein- oder ausspeist wird." Diese Flexibilität sei der Kernvorteil gegenüber Batteriespeichern, die sich vor allem für kürzere Zyklen eignen, so Lichtblick. Eine Studie des US-Energieministeriums bestätigt: Gerade bei hohen Leistungen und langen Zyklen seien Druckluftspeicher mit die günstigste Option.

Als Geschäftsmodelle hat das Konsortium einen breiten Bereich im Blick: Intradaymarkt, Day-ahead-Markt, Regelenergie, bilaterale Verträge, et cetera. "Druckluftspeicher können helfen, sowohl die zeitlichen als auch die örtlichen Unterschiede zwischen Erzeugung und Verbrauch auszugleichen", so Lichtblick. "Die zeitlichen Preisunterschiede werden im Markt bereits zunehmend sichtbar."

(grh)