Urheberrecht: Keine Gnade für Omas Fototapete beim Landgericht Köln
Ein Fotograf möchte für Fotos von Fototapeten Urheberrechts-Tantiemen kassieren. Deutsche Gerichte lehnen das ab – außer in Köln. Das LG baut sogar dem BGH vor.
Eine Oma renoviert und lässt 2012 eine legal erworbene Fototapete anbringen, die ein Foto einer Mauer zeigt. Ab 2015 kann die dann 90-Jährige nicht mehr alleine leben und zieht zu ihrer Enkelin. Um einen Teil der Pflegekosten zu decken, übernimmt die Enkelin Omas Haus und vermietet es als Ferienwohnung. Die Frau bewirbt die Wohnung im Internet. Nach acht Jahren kommt plötzlich eine Abmahnung einer kanadischen Firma mit Geldforderung: Auf der Webseite ist nämlich ein Foto eines Zimmers zu sehen, an dessen Wand die Fototapete klebt. Das macht die Enkelin zur Rechtsbrecherin.
Zumindest wenn das Landgericht Köln zu entscheiden hat: Der Fotograf der Mauer habe zwar den Abdruck seines Fotos auf der Tapete genehmigt, nicht aber die "Vervielfältigung" des Mauerfotos durch die Ferienwohnungsvermieterin im Internet, meint die 14. Zivilkammer des LG Köln in einem heise online vorliegenden Urteil (Az. 14 O 60/23). Diese "Zurverfügungstellung" des Mauerfotos ist demnach ein Verstoß gegen Urheberrecht.
Und weil die Enkelin nicht erforscht hat, dass der Fotograf der Mauer Stefan Böhme heißt, und Böhme auf der Ferienwohnungs-Webseite nicht genannt hat, habe sie auch dessen Urheberpersönlichkeitsrecht verletzt. Er hat seine Rechte an seine eigene in Kanada registrierte Firma übertragen, die nun in Deutschland Abmahnungen verschicken und Klagen erheben lässt. Auch gegen Tapezierer, die Fototapeten im Kundenauftrag anbringen und die getane Arbeit online dokumentieren, wie zum Beispiel den Malermeister Kay Hofmeister.
Präzedenzfall Möbelkatalog
Tatsächlich kann sich das LG Köln bei seiner Auslegung des Urheberrechts auf den Bundesgerichtshof (BGH) stützen. Der hat vor zehn Jahren im Fall "Möbelkatalog" (Az. I ZR 177/13) die Ausnahme für "unwesentliche Beiwerke" in Paragraph 57 Urheberrechtsgesetz sehr eng ausgelegt. In einem Bild einer Sitzgruppe in einem Möbelkatalog war im Hintergrund ein an der Wand hängendes Gemälde zu sehen. Dessen Maler klagte; LG und Oberlandesgericht Köln stuften das Gemälde als unwesentliches Beiwerk ein, doch der BGH entschied gegenteilig. Das kam den Möbelhändler – und Jahre später Vermieterinnen tapezierter Ferienwohnungen – teuer.
Am LG Köln hat Herr Böhme bereits einen solchen Urheberrechtsprozess wegen eines Fotos mit Fototapete gewonnen, ebenfalls gegen eine Vermieterin einer Ferienwohnung. Diese riskierte die zusätzlichen Kosten einer Berufung nicht, sodass das Urteil (Az. 14 O 350/21) rechtskräftig wurde: Auch mit seiner Klage gegen die Enkelin konnte der Fototapeten-Fotograf das Gericht überzeugen, muss aber in die zweite Instanz. Denn die Enkelin riskiert zusätzliche Kosten und ergreift Rechtsmittel.
Ebenfalls im April hat das LG Köln mindestens zwei weitere Fototapeten-Urteile gefällt, nämlich gegen Malermeister. Sie haben vor Jahren im Kundenauftrag Fototapeten an Wände geklebt und Fotos ihrer verrichteten Arbeit als Referenz online gestellt (Az. 14 O 70/23 und 14 O 75/23). Auch das ist aus Sicht des LG Köln eine Urheberrechtsverletzung – die doppelt so teuer kommt, weil der Name des Fotografen beim Bild der tapezierten Zimmerwand nicht genannt wird. Einer der Betroffenen ist Malermeister Hofmeister aus Lehrte-Ahlten (Raum Hannover). Er will sich diese Rechtsprechung nicht gefallen lassen und hat gegenüber heise angekündigt, ebenfalls in Berufung zu gehen. Sowohl der Malermeister als auch die Enkelin müssen auf neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hoffen.
Gerichte in Düsseldorf und Stuttgart anderer Auffassung
Denn bei Gerichten in Düsseldorf und Stuttgart hatte Fototapetenfotograf Böhme keinen Erfolg. LG und OLG Düsseldorf meinen, dass Böhme durch den Tapetenverkauf einerseits konkludent eine Lizenz eingeräumt hat, andererseits seine Klagen rechtsmissbräuchlich seien. Der Fotograf möchte diese Niederlagen in Sachen Fototapete vom Bundesgerichtshof umdrehen lassen. Verhandelt wird dort am 27. Juni.
Das LG Stuttgart (Az. 17 O 39/22) hat noch kürzeren Prozess mit dem Fotografen gemacht; demnach ist unerheblich, ob mit dem Tapetenkauf konkludent eine Lizenz zur Veröffentlichung von Zimmerfotos verbunden ist, oder ob die Tapete im Zimmerfoto unter "unwesentliches Beiwerk" fällt. Denn nach Treu und Glauben sei der Urheber sowieso verpflichtet, in die bestimmungsgemäße Nutzung der legal erworbenen Fototapete einzuwilligen. Böhme wandte sich an das OLG Stuttgart (Az. 4 U 194/22), zog die Berufung während der Verhandlung allerdings wieder zurück. Der Senat hatte ihm zu verstehen gegeben, dass sein Rechtsmittel aussichtlos war. Damit wurde dieses Urteil rechtskräftig.
Das OLG München hat ebenfalls gegen Stefan Böhme entschieden (Az. 29 U 1280/23e). Dieses Urteil ist nicht veröffentlicht und nach heise online vorliegenden Informationen nicht rechtskräftig. Der Fotograf hat demnach das Ruhen seiner Berufung erwirkt, bis der BGH über seine Düsseldorfer Berufungen entschieden hat.