A Shadow of a Harley

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Harley baut schon seit ich sie kenne mit einer Serienstreuung aus einer abgesägten Schrotflinte. Am besten kauft man Milwaukee-Eisen also konkret statt in der Hoffnung, dass der Vorführer irgendwas mit dem letztendlichen Motorrad zu tun hat. Meine Hoffnung war, dass die Inder genau hier besser sind. Ist aber nicht so. Keine zwei Testmaschinen waren gleich. Manche sprangen kalt schlecht an, andere sprangen heiß schlecht an, wieder andere gingen heiß einfach aus, eine brachte mit einer verdrehten Gabel Varianz ins Fahrverhalten. Ich hatte eines der Modelle, bei denen wie bei den seligen Buells damals der Lüfter nach einiger Zeit angeht und ab dann dauerhaft läuft, in Lautstärke und Tonart eines Hochleistungs-Badezimmerföns für Frisurfrauen.

Schwer beschreibbar, wie sehr das nervt, vor allem zusammen mit den Obertönen aus dem Ventiltrieb, vor allem bei sechs Grad Außentemperatur bei 120 km/h auf der Autobahn. Warum, Harley? Warum?! Dazu kommen Konstruktionsmängel. Ein paar Rückstellfedern für die Fußrasten wären schön gewesen, denn die klappen fast bei jedem Fuß abstellen weg. Die Kabel am Lenkkopf sind Kupferwurmnester, Einladungen für Rost und Spott. Der Hupenausleger ist für die Montage eines Sturmgewehrs dimensioniert, weil in Indien nicht der Motor das zentrale Bauteil eines Kraftrads ist, sondern die Hupe.

Am Schrebergarten vorbei vermarktet

Eigentlich dachte ich, Harley möchte mit einer eigenen Harley-Kopie zu den Kunden vorstoßen, die mit einer Honda Shadow, einer Yamaha Virago oder einer Hyosung GV 650 Aquila (die heißt wirklich so) samstags zum Schrebergarten fahren. Wie cool wäre das für diese Leute, wenn sie für vergleichbares Geld eine echt indische Harley haben könnten statt so ein koreanisches Schwerindustrieprodukt? "Kumma, Kalle, alles echt Metall." Idealerweise steigen diese Kunden später auf zu einer Forty-Eight oder einer Dyna Glide. Doch dieser Markt ist ein Preismarkt. In den USA kostet die Street 7500 Dollar, also steht zu erwarten, dass es in Deutschland eher 8000 als 7000 Euro werden.

Harley Deutschland hat die auf sie einhagelnde Kritik erfreulich professionell angenommen. Sicherlich wird die GmbH diese und eigene Bedenken in die Zentrale schicken, die sie ebenso sicherlich ignorieren wird. Ebenso ist der Preis für Deutschland noch offen, unkalkuliert. Dieses Motorrad hat zwei tolle Möglichkeiten, Harley zu helfen: Entweder es punktet über einen Kampfpreis oder es rüstet für Europa bei der Qualitätsanmutung so auf, dass es einen Premiumpreis in seinem Segment rechtfertigt. Wahrscheinlich jedoch wird es nichts davon tun, sondern Billo-Anmutung teuer anbieten. Und das könnte Harley in Deutschland langfristig mehr schaden als eine Armada von Harald Glööcklers Glitzerharleys. (cgl)