Schnellladenetz SLAM wird auf der Hannover Messe vorgestellt

AC, DC!

Es könnte alles so einfach sein, ist es aber nicht. Die Songzeile der Fantastischen Vier trifft auf die Lade-Infrastruktur für Elektroautos in Deutschland voll zu. Obwohl es nur um Strom geht, krankt die aktuelle Situation an vier Problemen

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  • Christoph M. Schwarzer
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Hannover, 7. April 2014 – Es könnte alles so einfach sein, ist es aber nicht. Die Songzeile der Fantastischen Vier trifft auf die Lade-Infrastruktur für Elektroautos in Deutschland voll zu. Obwohl es nur um Strom geht, krankt die aktuelle Situation an vier Problemen:

• Es gibt zu wenige Ladesäulen. Besonders Gleichstrom-Schnellladesäulen sind rar.

• Für Ladeplätze im öffentlichen Raum gibt es keine klare juristische Grundlage.

• Ein einheitlicher Gleichstrom-Ladestecker fehlt.

• Ein niederschwelliges, für alle gültiges Bezahlsystem ist nicht in Sicht.

Mit dem Start der Hannover Messe werden mehrere Initiativen vorgestellt, die Verbesserungen mit sich bringen werden. Die größte ist das „Schnellladenetz für Achsen und Metropolen“, abgekürzt SLAM. Ein Konsortium aus den Konzernen BMW, Daimler und Volkswagen nimmt zusammen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie sowie dem Deutschen Genossenschafts-Verlag eG 14,2 Millionen Euro in die Hand. Das Ziel: Bis 2017 sollen 400 CCS-(„Combined Charging System“)Schnellladesäulen im Abstand von ungefähr 50 Kilometern errichtet werden. Die ersten 20 werden bis Ende September 2014 auf dem Gelände von Volks- und Raiffeisenbanken installiert.

Dieses im Kern sinnvolle Projekt bietet aber nur drei Elektroautos einen habhaften Vorteil: Dem BMW i3, dem Volkswagen e-Golf und dem e-Up. Nur sie können mit der CCS-Buchse ausgestattet werden, die 50 Kilowatt (kW) Ladeleistung erlaubt – und bei allen kostet sie Aufpreis. Zwar werden die SLAM-Säulen zusätzlich mit einen AC-Ladepunkt ausgestattet sein, der internen Quellen zu Folge mindestens 22 kW bieten soll. Für Wechselstromzieher wird es aber ohnehin simplere Lösungen geben; dazu später mehr. Leer ausgehen werden nach aktuellem Stand die Chademo- (Nissan Leaf, Mitsubishi Electriv Vehicle und Outlander PHEV sowie andere) und Tesla-Gleichstromtanker.

Mit dem vom Staat mitfinanzierten SLAM-Projekt wird also auch Industriepolitik gemacht. Die Japaner fördern zu Hause Chademo, die US-Amerikaner subventionieren Teslas Supercharger, wir pushen unser CCS, heißt es von einem Insider. Und natürlich ist es erstrebenswert, sich auf nur einen Gleichstromstandard zu einigen – statt Einigung wird offenbar mehr auf Durchsetzungsfähigkeit gesetzt.

Privatgrundstücke statt öffentlicher Raum

Stichwort Durchsetzung: Immerhin forciert SLAM eine Lösung, die als Ausweg aus dem Parkdilemma das Rennen macht. Für die meistens mit Geld aus dem so genannten Konjunkturpaket II (2009) bezahlten AC-Ladesäulen im öffentlichen Raum gab es einen unlösbaren juristischen Konflikt. Warum sollte der kostbare Grund, der prinzipiell allen gehört, privilegiert dem Verkauf von Strom geopfert werden? Das Ergebnis kennen Elektroautofahrer aus eigener Erfahrung: Die Ladeplätze sind markiert, aber von konventionellen Autos zugeparkt. Mit wenigen Ausnahmen wird nicht abgeschleppt, weil die eindeutige Rechtsgrundlage fehlt.

Hier kommen bei SLAM die Volks- und Raiffeisenbanken ins Spiel. Deren Grundstücke sind 24/7 frei zugänglich und Privat- bzw. Unternehmenseigentum. Genauso wie die von Fastfood-Restaurants, Möbelhäusern oder Raststättenbetreibern an Autobahnen. Möglicherweise wird das Bereitstellen von Ladepunkten bald zu einem Servicekriterium. Die Verweildauer beim Essen eines Burgers zum Beispiel bietet sich hervorragend zum Zwischenladen an.

Roaming-Abkommen der Ladekartenanbieter

Zurück zu SLAM: Identifikation und Abrechnung erfolgen über eine RFID-Karte. Hier kommt dem Roaming immer größere Bedeutung zu, also die Frage, mit welcher Bezahlkarte der Elektroautofahrer an möglichst vielen Ladepunkten die Batterie füllen kann. Zurzeit konkurrieren ladenetz und intercharge am heftigsten miteinander. Mit einem Vorsprung bei Ladenetz.de: 33 Stadtwerke sowie Vattenfall (Berlin, Hamburg) und EnBW (Stuttgart) sind im Verbund. Die frisch erneuerte Website ist übersichtlicher als die alte, und es werden drei Pauschaltarife angeboten: Eine Jahresstromflatrate für 180 Euro, eine Monatsflat für 50 Euro und eine Wochenkarte für 20 Euro.

Richtig Spaß, jedenfalls den AC-Schnellladern Renault Zoe, Tesla Model S und Smart electric drive, machen Ideen wie thenewmotion. Das Unternehmen bietet auch Privatkunden eine kostengünstige und wetterfeste Wallbox an, deren Clou eine automatisierte Abrechnungseinheit ist. So könnte sich ein Netz von Elektroautobesitzern finden, das die eigene Garageneinheit anderen Nutzern zur Verfügung stellt und den Mineralölkonzernen und Stromriesen ein Schnippchen schlägt. Und last but not least hat The New Motion ein Roaming-Abkommen mit Ladenetz.de; mit derselben RFID-Karte kann also auf deren Säulen zugegriffen werden.

Charge Lounge mit Pufferbatterie

Ebenfalls auf der Hannover Messe wird die Charge Lounge vorgestellt, eine modular konstruierte und darum leicht transportierbare Stromtankstelle. Förderer des Prototypen sind IKEA und das Land Baden-Württemberg. Zehn Anfangsexemplare werden wahrscheinlich auf dem Gelände von Tank & Rast aufgebaut, die als Partner mit im Boot sind. Bis zum Jahr 2020 sind mehr als 600 Charge Lounges mit über 2000 Ladepunkten denkbar.

Jede Charge Lounge kann mindestens drei Elektroautos gleichzeitig betanken, und zwar dem Vernehmen nach in allen Standards, also AC Typ 2 und DC nach CCS, Chademo und Tesla. Im Zielpreis von 250.000 Euro sind das Gebäude inklusive Kaffeekocher – Nespresso macht auch mit – und eine 50 kWh große Batterie enthalten. Die Batterie dient als Puffer, um die Charge Lounge selbst dort installieren zu können, wo die Stromleitung nicht dick genug ist. Dass sich eine Batterie zum Speichern von elektrischer Energie aus fluktuierenden erneuerbaren Energien eignet, kommt oben drauf. In der monatlichen Gebühr von 80 Euro soll neben dem Strom der Kaffee und WLAN enthalten sein.

Der Weg zur Überwindung der vier eingangs genannten Hindernisse fürs frei zugängliche Tanken von Elektroautos ist noch weit. Immerhin ist ein Anfang gemacht, und gute Lösungsansätze sind aus den Köpfen heraus in die Realität übergegangen. Das Ziel ist aber erst erreicht, wenn diese Probleme komplett beseitigt sind.