Vergessener Stammbaum

AMC Eagle: Der Großvater der SUV-Coupés

Lange bevor BMW den Ssangyong Actyon nachbaute und X6 nannte und viel länger, bevor Mercedes den X6 nachbaute und GLE nannte, gab es den AMC Eagle. Das Auto nahm den Trend zum SUV-Coupé vorweg

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AMC Eagle 7 Bilder
Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Bernd Kirchhahn
Inhaltsverzeichnis

Mit Schrulligkeit versuchte die American Motor Corporation (AMC) gegen die (amerikanischen) großen drei der Branche zu bestehen. 33 Jahre lang klappte das – versehen mit einigen Höhepunkten und noch mehr Niedergang – dann schluckte Chrysler die Firma. Doch obwohl jedes einzelne Jahr ein Ringen mit dem Untergang war, hinterließ die Firma mit dem Pacer und dem Gremlin zwei erstaunlich bekannte und zumindest mit reichlich zeitlichem Abstand beliebte Klassiker. Und ein Erbe, das seit einigen Jahren auf der SUV-Welle durchs Straßenbild surft. Das SUV-Coupé. Denn der AMC Eagle nahm diesen Trend vorweg.

AMC: 33 Jahre Tradition

Fans mögen es traditionell und verweisen, wenn es um die Historie der Marke AMC geht, gerne auf die Wurzeln von Nash- oder Hudson-Motors. Damit hätte das Unternehmen plötzlich eine Historie, die auf die Jahrhundertwende zurückgeht. Unter Fans mag das durchgehen, ganz objektiv begann die Geschichte der Marke aber erst 1954. In diesem Jahr verschmolzen Hudson und Nash zur American Motor Corporation.

Damals war es der größte Firmenzusammenschluss, den es in den USA jemals gegeben hatte (198 Millionen Dollar), was das Konglomerat aber trotzdem nur zum viertgrößten Autohersteller der USA machte. Ein ziemlich klares Zeichen dafür, wie zementiert der Markt damals schon war. Doch AMC war motiviert, das zu ändern und suchte sich unter dem Slogan „Philosophy of Difference“ die Nische der Andersartigkeit aus.

Und das funktionierte. Zunächst. Der Hornet war ein kleiner Erfolg, der AMX schnitt beim Muscle-Car-Kuchen mit und damit waren die Kriegskassen voll genug, um sich die Namensrechte an Kaiser Jeep zu sichern. Ein Detail, das man schnell vergisst. Die Marke, die heute dank SUV-Boom mit Milliardenüberschüssen dafür sorgt, dass es Fiat noch gibt, war einmal eine Sub-Marke von AMC. Und schon 1970 tat Jeep für AMC genau das gleiche. Mit dickem Geldpolster die schlimmsten Auswirkungen eines Absturzes mildern.

Gremlin und Pacer, die Superstars der Marke

Dann folgten auch schon die zwei bekanntesten Fahrzeuge der Marke. Erst einmal der AMC Gremlin. Ein Kleinwagen, der, sehr zur Freude der japanischen Konkurrenz, von einem Reihensechszylinder oder wahlweise einem V8 angetrieben wurde und sich damit zu einem veritablen Imagedesaster mauserte.

Darauf folgte der Pacer. Der war immerhin gut gemeint und mit Wankelmotor geplant. Weil der aber zu viel schluckte – mittlerweile war die erste Ölkrise ausgebrochen – und es zu Lieferschwierigkeiten kam, flog der aus dem Programm. Das alles aber nicht, bevor AMC nicht schon reichlich Geld für Lizenzen ausgegeben und den Wagen im Prinzip fertig entwickelt hatte. Trotz spontanem Umbau wurde der Wagen, der 1975 auf den Markt kam, ein (polarisierender) Erfolg.

Dann wurde es – allerdings nur aus heutiger Sicht – beinahe sensationell. AMC erkannte, dass die Marke Jeep der große Geldbringer war und entschied sich, auf Synergie-Effekte zu setzen. Es war eigentlich genau das, was AMC, zumindest noch bei Firmengründung, nicht wollte. Sie wollte sich mit ihrer Schrulligkeit vom Badge-Engineering der Großen Drei unterscheiden. Aber der Preisdruck und die Jagd nach Stückzahlen machten es nötig.

Jeep in permanenter Rettungsmission

Zum Glück hatte AMC nicht nur die Rechte an Jeep, sondern auch gleich deren Personal mit übernommen. Dort arbeitete nämlich Roy Lunn als Director of Engineering. Der hatte bei Ford gelernt und dort großen Anteil an der Entstehung von GT40 und Boss 429 Mustang gehabt. Kein Wunder, dass er bei Kaiser Jeep gleich zur Führungskraft aufstieg.

Kurzum: Lunn wusste, was zu tun war. Unter dem Codenamen „Project 8001 plus Four” sollte eine Modellreihe entstehen, die zwar Allradantrieb haben sollte, aber eben auch die dynamischen Fahreigenschaften von heckgetriebenen Autos. Die ersten Modelle entstanden auf Basis des AMC Hornet. Ein Auto der unteren Mittelklasse, das zu diesem Zeitpunkt bereits im Herbst seines Lebens stand.

Erst der AMC Concorde, der Nachfolger des Hornet, öffnete Tür und Tor für Lunn. Der kombinierte dessen technische Basis mit dem Vierradantrieb, der sowieso im Haus war. So erblickte der AMC Eagle das Licht der Welt und nahm gleich mehrere Trends und Nischen voraus, die seit ein paar Jahren wieder mächtig aufgebohrt werden. So gilt der AMC Eagle als das erste Crossover-Fahrzeug im modernen Sinn – auch wenn sich bereits an der Definition des Wortes „Crossover“ die Geister scheiden. Es war außerdem das erste SUV-Coupé und das erste SUV-Cabrio.

Das Auto zur Ölkrise

Unfassbar gut: das Timing. Denn bis 1979 sorgte Jeep dafür, dass AMC noch Geld in der Kasse hatte, doch deren Verkäufe stürzten ab, als die zweite Ölpreiskrise aufschlug. Der AMC Eagle war im Grunde genommen ein Jeep – aber billiger. Und damit genau das, was den Untergang des Unternehmens noch ein wenig hinauszögern konnte.

Der Motor sitzt vorne längs. Über Kupplung und Getriebe wird die Kraft ins Verteilergetriebe geschossen, von dort geht je eine Kardanwelle an das vordere und hintere Achsdifferenzial. Das Verteilergetriebe enthält ein Differenzial mit einer Viskokupplung. Dieses silikonölgefüllte Lamellenpaket bremst die beiden Ausgänge umso kräftiger, je größer der Drehzahlunterschied zwischen vorn und hinten wird – also beispielsweise, wenn an einer Achse ein Rad durchdreht. Das Ganze funktioniert vollkommen automatisch. Händisch sperrbar sind die Differentiale im Eagle nicht.

Damit die Technik unter der eher konventionellen Karosserie Platz hat, wurde der Motor – und damit der ganze Wagen – höher gelegt. Was auch die Bodenfreiheit erhöht. So sieht der Wagen aus, als hätte ein Kombi oder Coupé oder Cabrio nach einem Sprung über einen schlafenden Polizisten aus- aber nicht mehr eingefedert. Eine Optik, die beim Audi quattro dadurch vermieden wird, dass Getriebe und Mitteldifferential durch eine Hohlwelle verbunden sind. Die Kraft, die vom mittleren zum vorderen Differenzial soll, wird einfach durch diese Hohlwelle geleitet.

Den Wagen höherzulegen war natürlich die kostengünstigere Variante, deren Auswirkungen waren aber beabsichtigt. Denn das Ziel von AMC und Lunn war natürlich auch, den Wagen extrovertiert dastehen zu lassen. Dazu kam, dass es tatsächlich eine einigermaßen große Lücke auf dem Markt gab. Mit einem Einstiegspreis von rund 7000 US-Dollar positionierte sich der Eagle über den japanischen Importen von Subaru, aber deutlich unter den Jeep-Produkten aus dem eigenen Haus. In den USA kam der Wagen gut an. Die Fachzeitschriften prophezeiten gar, dass der AMC Eagle der Beginn einer neuen Ära an Fahrzeugen sei.

Ein SUV für jeden Geschmack

Für Europa war der Wagen freilich nichts. Hierzulande wurde unter anderem der Eagle SX4 angeboten wurde. Eine zweitürige Coupé-Variante mit einer Länge von 4,65 Metern. Die Lenkung ist sehr amerikanisch, was ein Euphemismus für unpräzise und schwammig ist. Immerhin aber unpräzise, schwammig und servounterstützt. So viel Zeit muss sein.

Das Drehmoment lag früh an. Schon bei 1800 Touren gab es 282 Nm (bei der 4,2-Liter-R6 Variante). Aus dem Stand heraus ging es deswegen mit ordentlich Punch weg (null auf hundert in 14 Sekunden), oben raus gab sich das SUV-Coupé dann aber etwas gebremst. Schließlich standen den 118 PS 1,5 Tonnen Leergewicht und die beachtliche Höherlegung gegenüber. Gemütliches Dahingleiten war garantiert – forderte allerdings 15 bis 16 Liter Benzin auf hundert Kilometer.

Den Eagle produzierte AMC von 1979 bis 1987 in einer Vielzahl von Varianten – alle hochbeinig. Als Limousine, Kombi, Kammback (quasi ein aufgeblasener Pacer), als Sundancer (Cabrio) und als SX/4 (Coupé). Immerhin brauchte es für diese fünf Modelle dank beherztem Griff ins Jeep-Regal lediglich zwei verschiedene Radstände. Die einzelnen Eagle-Varianten waren also technisch nicht so unterschiedlich, dass eine Produktionshölle britischen Ausmaßes nötig war.

Zeitgleich mit dem Marktstart des Eagle 1979 kooperierte AMC mit Renault. AMC wollte auf den europäischen und Renault auf den amerikanischen Markt. Diese Ausweitung schien nötig, da beide Firmen finanziell angeschlagen waren und neue Einnahmequellen suchten. Das funktionierte nicht.

Das Ende von AMC

In Frankreich war das US-Engagement von Anfang an umstritten. Dort eskalierte der Streit dann auch. Es kam zu Streiks und im November 1986 sogar zur Ermordung von Georges Besse, dem damaligen Präsidenten des Unternehmens. Für Action Directe, der verantwortlichen Terrororganisation, war Besse der Hauptverantwortliche für die Massenentlassungen bei Renault. Raymond H. Lévy, der Nachfolger von Besse, beendete im Rahmen der Sanierungsarbeiten die Kooperation mit AMC.

Chrysler übernahm daraufhin AMC und macht aus dem Eagle eine Marke und gründete die „Jeep Eagle Division“. Zwar wurde die Marke Eagle sehr schnell entsorgt, doch gibt es unregelmäßig Sondermodelle, die sich auf den Namen berufen. Eigentlich ein Understatement, dass dem einstigen Vorreiter nicht gerecht wird. Aber wer weiß schon, was in Detroit gerade durch die Entwicklungsabteilungen geistert.