Der schnellste Kreisverkehr der Welt

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Die altmodische Strenge ist ein System, das sich bewährt hat. Es gab seit dem Bau der Anlage im Jahr 1975 dort nur einen (offiziellen) Toten. Man vergleiche das mit einem anderen höchst beliebten Testgelände, der Nordschleife des Nürburgrings. Dort gab es in der derselben Zeit eine bestimmt dreistellige Zahl an Toten, die meisten davon im anarchischen Chaos der für jeden zugänglichen Touristenfahren. Jede Freiheit kostet einen Preis, und wer nichts darf, darf sich ja auch nicht selbst verletzen. Der einzelne Tote ist umso erstaunlicher, wenn man die 2008 dazugekommene kleine Rennstrecke sieht, den 6,2 km langen Handling-Kurs. Die moderne Auslegung einer Rennstrecke ist: maximal lange Auslaufzone, viel Energie auffangender Kies. In Nardo gibt es betont wenig Kies, dann kommt ein kuscheliger Reifenstapel, dann kommt die Betonmauer. Ja, Sir, es gibt einen Krankenwagen, aber unsere Empfehlung ist, den nicht brauchen zu müssen, dankefürIhrVerständnis. Beim Mittagessen in den wunderbar gealterten Gebäuden wieder dieser Zeitreisemoment: Nein, ich möchte hier keinen Krankenwagen brauchen. Wahrscheinlich fährt der durch ein Wurmloch in eine Klinik der Siebziger, die ausschließlich mit Urantabletten behandelt. "A Guada hoit's aus, um an Schlecht'n is nöd schad", fasste mein Vater zu meiner Kindheit den damaligen Stand der Medizin zusammen. Lieber genieße ich die flach eintreffenden winterlichen Sonnenstrahlen auf einem Gestüt, in dem jeder Wagen von hunderten Pferdchen gezogen wird.

Die Platte

Das Erste, was Artikel über Nardo üblicherweise anführen, ist der Fakt, dass der 12,6 km lange Rundkurs aus dem Weltall zu sehen ist. Ich glaube, diese Aussage hängt mit dem archaischen Vibe Nardos zusammen, immerhin leben wir in einer Zeit der für alle Technobürger kostenlos zugänglichen Satellitenfotos. Mein Haus ist auch aus dem Weltall zu sehen, genauso wie der Handlingkurs, die Boxen des Gestüts und eine merkwürdige, riesige Asphaltfläche, die mich in ihrer Form an die Umrisse eines B-2 Stealth Bombers erinnert. Die beiden Asphaltflügel sind je einen Kilometer lang und für Beschleunigungstests gedacht. Die meisten Autos, die hier getestet werden, können hier 0-200 km/h testen, weil sie (einen kühlen Fahrerkopf vorausgesetzt) auf dieser Strecke mit Sicherheitsabstand wieder auf Null abbremsen können. Auch hier wieder: Fehler machste besser einfach nicht, denn die Strecke endet stumpf in einem kiesigen Hügel voller Gebüsch. Es gibt darin keine Unfallschneisen. Es gibt dagegen zumindest heute einen Fahnenschwenker, der sehr engagiert wird, wenn man an seiner Winkeposition nicht zügig vom Gas an die Bremse wechselt.

Die große Asphaltfläche ist zur freien Nutzung gedacht. Normalerweise sind solche Flächen immer voller Reifenspuren – der Burnout lockt, die Kinder wollen Donuts fahren. Hier im kalten Krieg herrscht für viel sichtbaren Gummiabrieb jedoch offenbar zu viel Disziplin. Für Fotos wird die am Abend doch noch aufgelockert. Es tröpfelt die Befehlskette hinunter, dass Wheelies auf dem Platz hochoffiziell erlaubt sind. Freies spielen! Es folgt ein Crash, eine Seltenheit hier. Die Men in Black schütteln den Kopf. Freiheit funktioniert einfach nicht, denken sie. (cgl)