Warum der Reihendreizylinder ideal für kleine Autos ist

Drei Wünsche auf einmal

Immer mehr Klein- und Kompaktwagen fahren mit Drei­zylinder-Reihen­motoren. Die Bauform bietet sich für sparsame Down­sizing-Motoren aus mehreren Gründen an. Einblicke in die Triple-Technik

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  • cgl
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Hannover, 13. Oktober 2011 – Nach den seit langem im Smart-Heck pöttelnden Triples kündigte unlängst Ford an, im Focus einen Dreizylinder mit rund 100 PS zu bringen, und auch VW setzt bei den "Up"-Modellen auf diese Bauweise, denn sie bietet sich im aktuellen Downsizing-Trend mehr und mehr an. Der erste Vorteil des Dreizylinders im Vergleich zum Vierzylinder ist sehr augenfällig: Man braucht bei minus einem Brennraum weniger Material, und weniger Material kostet auch weniger Geld. Außerdem verringert sich die innere Reibung, weil es weniger Kolben und Lagerstellen gibt, was zu mehr Nettoleistung führt: Der Motor wird potenziell effizienter.

Die Kurbelwelle eines Vierzylinders mit gleichmäßigen Zündabständen ist jedoch einfacher zu fertigen als die eines Dreiers, weil alle vier Hubzapfen auf einer Ebene liegen (Flatplane). Der Zündabstand beträgt dann normalerweise gleichmäßig 180°. Wenn die Welle sich dreht, bewegen sich zum Beispiel die zwei äußeren Zylinder nach oben, während die zwei inneren gleichzeitig nach unten gehen. Vielleicht war das der Grund, warum der Motorradhersteller Laverda 1974 einen Dreizylinder mit 180° Hubzapfenversatz mal in einem Kraftrad verkaufte. Francesco Laverdas Familie fertigte Landmaschinen, weswegen er sich wohl nichts dabei dachte, dass seine Konstruktion die Knochen seiner Kunden pulverisierte, deren Ohren vergewaltigte und insgesamt so weich lief wie ein Axthieb ins Knie.

Zweite Ordnung muss nicht sein

Die seit langer Zeit gängige, durch bessere Fertigung günstig gewordene Kurbelwelle für Reihendreizylinder jedoch lagert die Hubzapfen auf den Kreis gleichmäßig verteilt: 120° Versatz, das ergibt beim Viertaktmotor eine Zündung regelmäßig alle 240°. Diese Konstellation erhöht den Aufwand beim Bau der Kurbelwelle etwas, sie bringt jedoch auch den perfekten Ausgleich der Massenkräfte wie beim Reihensechszylinder mit sich: Ein Triple mit 240° Zündabstand produziert keine Massenkräfte erster oder zweiter Ordnung. Der Flatplane-Vierzylinder dagegen macht sich in hohen Drehzahlen sehr störend mit Massenkräften zweiter Ordnung bemerkbar, gerade wegen ihres 180°-Versatzes.

Denn Massenkräfte zweiter Ordnung entstehen daraus, dass sich aufgrund der Schwenkbewegung der Pleuel die abwärts bewegenden Kolben weiter bewegen als die sie ausgleichenden, aufwärts gehenden. Beim Flatplane-Vierer addieren sie sich zum typischen Vierzylinder-Dröhnen, das entweder den Komfort beeinträchtigt oder mit Ausgleichswellen beruhigt werden muss, die mit doppelter Kurbelwellendrehzahl laufen, was wiederum zu schlechterem Ansprechverhalten führt. Diese Probleme hat ein Triple nicht. Dafür hat er freie Massenmomente, die Vier- ebenso wie Sechszylinder durch ihre Bauart komplett ausgleichen. Üblich ist daher eine Ausgleichswelle für die Massenmomente erster Ordnung. Die Massenmomente zweiter Ordnung lässt man sich meist einfach gefallen. Der Motor des VW Up lässt sich sämtliche Momente gefallen, weil die bei ihm besonders gering ausfallen und verzichtet daher auf eine Ausgleichswelle.

Das brave Notstromaggregat kann auch anders

Insgesamt ist ein gut gemachter Reihendreizylinder der Reihensechszylinder des kleinen Autos respektive des kleinen Mannes: Er ist körniger, er vibriert mehr, aber mit offenen Drosselklappen brüllt der Triple seine Verwandtschaft hinaus, dass dem Zuhörer die Nackenhaare zu Berge stehen. Hierzu darf man natürlich nicht den schrecklichen Dreizylinderdiesel im Smart anhören, sondern sollte an der nächsten Applauskurve auf ein Triumph-Motorrad warten.

Bei Hochleistungsmotoren erreichen die Konstrukteure bei gleichem Hubraum mit Vierzylindern im Schnitt deutlich höhere Nennleistungen als mit Dreizylindern. Das hat Bauformgründe. Ein Vierzylinder kann extrem kurzhubig ausgelegt werden, sodass er seine Leistung aus hohen Drehzahlen erwirtschaftet. Jeder kennt das aus klassischen Kleinwagen: erst schalten, wenn der Tonteppich in den Ultraschallbereich wandert. Eben diese Auslegung vermeiden die Hersteller bei Dreizylindern am liebsten, denn ein kurzer Hub bedingt bei gleichem Hubraum eine große Bohrung. Eine große Bohrung wiederum erhöht den Abstand der Zylinder und damit gleichzeitig die erwähnten freien Massenmomente. Im Bereich der Alltagsautomotoren ist dieses Problem nicht weiter von Belang, weil man dort brave, tendenziell langhubige Tucker-Motoren baut, doch gibt es aus diesem Grund nur wenige Beispiele für Reihendreizylinder-Rennmotoren.

Günstig in der Produktion

Nein, die Hersteller haben dem Dreizylinder die Rolle des Alltagsantriebs mit Notstromaggregatsgeräuschkulisse zugedacht. Hierfür empfiehlt er sich durch seine im Vergleich zum Reihenvierer schmalere Bauform, die sich damit für Aufladung (Turbolader oder Kompressor) in kleinen Motorräumen anbietet, seine weitgehend ausgeglichenen Massen, sein schöner Drehmomentverlauf, sein breites nutzbares Leistungsband und seine günstigen Herstellungskosten. Es wäre durchaus möglich, einem Dreizylinder außerdem zu seinem typischen "BrooAAARRR" zu verhelfen, das zum Verwechseln nahe an alten Sechszylinderboxern liegen kann. Es hat nur noch niemand in einem Auto für nötig gehalten. Sie sind der Kunde. Wünschen Sie es sich doch in der nächsten Endkundenbefragung mal.