Die neuen Drive E-Motoren von Volvo haben viel gemeinsam, aber auch große Unterschiede

Equalsizing

Auf der IAA stellte Volvo die ersten "Drive E"-Motoren aus, Mitglieder einer neuentwickelten Motorenfamilie mit je vier Vierzylinder-Otto- und Dieselmotoren. Trotz sehr unterschiedlicher Leistungen zwischen 225 und 88 kW bekommen alle acht Motoren zwei Liter Hubraum

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  • Florian Pillau
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Göteborg, 19. September 2013 – Auf der IAA stellte Volvo neben einer Studie, die nicht gebaut werden soll, die ersten "Drive E"-Motoren aus, Mitglieder einer von Grund auf neuentwickelten Motorenfamilie mit je vier Vierzylinder-Otto- und Dieselmotoren. Als leistungsstarke Varianten kommen die Ottomotoren "T5"- und "T6" sowie der Dieselmotor "D4" noch im Herbst in der Mittelklasse-Familie mit S60, V60 und XC60 auf den Markt, Volvos künftiger Top-Selbstzünder "D5" und die effizienten Varianten werden später eingeführt. Für die Dieselmotoren kündigt Volvo 88 kW/250 Nm, 110 kW/320 Nm, 133 kW/400 Nm und 170 kW/480 Nm an, für die Ottomotoren mit 111 kW/400 Nm, 140 kW/350 bzw. 380 Nm, 180 kW/300 bzw. 330 Nm und 225 kW/270 Nm.

Vereinheitlichung, Equal- und Downsizing

Der Verzicht auf die traditionellen Fünf- und Sechszylindervarianten und Hubräume unter zwei Liter zeigt, dass es Volvo offenbar gleichzeitig um die Vereinfachung des Motorenprogramms durch Vereinheitlichung und um Downsizing bei hoher spezifischer Leistung geht. Bemerkenswert, dass Volvo bei den schwächeren Varianten vergleichsweise geringe Literleistungen und damit höhere Drossel- und Reibungsverluste offenbar in Kauf nimmt. Der Hubraum resultiert unter anderem aus der Erkenntnis, dass Einzelhubräume um 500 ccm ein Optimum an thermischer Effizienz bieten. Als weitere Vorteile ergeben sich durch die kompakteren Aggregate und mehr Platz in den Motorräumen eine größere Freiheit bei der Fahrwerksentwicklung und die Voraussetzungen für ein weiter verbessertes Crashverhalten. Das im Vergleich zu den großen Motoren verringerte Gewicht im Vorderwagen verspricht selbstverständlich auch höhere Fahrdynamik durch eine ausgewogenere Lastverteilung.

Alle Motoren haben zwei Liter (1969 ccm) Hubraum und laufen mit demselben Bohrungsabstand von 91 mm sowie identischer Bohrungs- und Hubmaße (82 x 93,2 mm) vom Band. Das Kurbelgehäuse besteht bei allen Varianten aus Aluminium, eingegossene Lagerverstärkungen und Laufbuchsen bestehen aus Grauguss. Wegen der höheren Kolben ist das Gehäuse der Dieselmotoren höher, gleichzeitig haben sie stärkere Zylinderlaufbuchsen.

Die Bedplate aus Aluminiumguss dient als verstärkender Rahmen am unteren Ende des Kurbelgehäuses und trägt die unteren Hauptlagerdeckel aus Gusseisen, die ebenfalls eingegossen werden. Zwei verschiedene Dimensionen der Deckel und Hauptlager in Kurbelgehäuse und Bedplate berücksichtigen die verschiedenen Kurbelwellendurchmesser der beiden Leistungsklassen von 60 respektive 53 mm.

Das Triebwerk mit Varianten

An diesem Punkt hat das Downsizing der Vereinheitlichung einen Strich durch die Rechnung gemacht - kleinere Kurbelwellenlager mit weniger Widerstand sollen in den später kommenden Effizienz-Versionen der Drive E-Motoren beim Sparen helfen. Wohlgemerkt sind es die Leistungsstufen, welche die Kurbelwellenlager differenzieren – nicht das Prinzip. Es gibt also Selbstzünder mit der zierlicheren Welle und Ottomotoren mit der kräftigeren. Eine Differenzierung zwischen Diesel- und Ottomotor, wie man sie in diesem Punkt bisher gewohnt war, fällt dagegen weg. Gemeinsam ist allen Kurbelwellen, dass sie geschmiedet sind. Die Pleuellager haben wiederum den gleichen Durchmesser von 50 mm, sind aber bei den Hochleistungsversionen mit 24 mm um zwei Millimeter breiter als in den weniger belasteten, schwächeren Varianten.

Deutlich stärker unterscheiden sich je nach Brennverfahren naturgemäß noch die Kolben. Während die kräftigen (D5 und D4) Dieselmotoren baugleiche Teile mit gekühltem Ringträger eingesetzt werden, bekommen die D3 und D2 genannten Selbstzünder Leichtbaukolben mit zierlicheren Kolbenbolzen und geringerer Verdichtungshöhe, dafür längere Pleuel. Allein die Verringerung der oszillierenden Massen um 20 Prozent erübrigt hier eine Ausgleichswelle als Schwingungstilger. Überraschenderweise kann die Ausgleichswelle nur bei den "kleinen" Dieselvarianten, nicht aber bei den "Öko-Versionen" der Ottomotoren wegfallen.

Öl- und Kühlkreislauf mit Bedarfsregelung

Zwar hat Volvo für seine neue Motorenfamilie ein eigenes Schmieröl in der Leichtlauf-Viskositätsklasse 0W20 konstruieren lassen, um von vorneherein beste Voraussetzungen für eine zuverlässige und reibungsarme Schmierung zu schaffen, doch hat man auch auf die heute üblichen konstruktiven Tricks im Ölkreislauf zurückgegriffen. Ohne Unterschied werden alle Versionen von einer druckgeregelten Ölpumpe mit Schmier-, Kühl- und Dichtstoff versorgt. Je nach Last, Drehzahl und Öltemperatur regelt ein Magnetventil den passenden Öldruck. Bei niedriger Last und geringer Temperatur wird zudem die Ölkühlung der Kolbenböden abgeschaltet, um den Pumpwiderstand weiter zu senken. Zusätzlich wird die Öltemperatur so hoch eingeregelt, dass der Reibungswiderstand weiter sinkt.

Die Kühlsysteme unterscheiden sich je nach Arbeitsprinzip: Alle Selbstzünder nutzen eine konventionelle Wasserpumpe und pneumatisch betätigte Ventile zur Steuerung des Kühlwasserflusses. Der Ottomotor dagegen ist mit einer elektrisch angetriebenen Kühlmittelpumpe ausgestattet, die durch ihre Bedarfsregelung weniger Antriebsleistung kostet. Zusätzlich stellt eine kleine Elektropumpe den Heizkreislauf zwischen Zylinderkopf und Heizungswärmetauscher sicher, solange der Motor noch warmläuft, um eine möglichst schnelle Heizwirkung zu erreichen. Eine weitere kleine, elektrische Pumpe versorgt den Wärmetauscher der Niedertemperatur-Abgasrückführung.

Bewährte Architektur in den Köpfen

Volvo muss mit ihnen sehr zufrieden gewesen sein, denn ausgerechnet die Zylinderköpfe der auslaufenden Fünf- und Sechszylinder-Generation liefern die Blaupause für die Konstruktion der neuen Vierzylinder-Köpfe aus einer wärmebehandelten Aluminiumlegierung. Immerhin bietet ihre leistungsfähige Querstromkühlung beste Voraussetzungen für weiter gesteigerte spezifische Leistungen. Der Ventiltrieb in den Köpfen für die Ottomotoren verzichtet auf reibungsmindernde Rollenlager - die Nocken gleiten direkt auf den Stößelbechern. Reibungsmindernd soll sich deren Beschichtung mit DLC (Diamond-like-Coating) auswirken, während der Reibpartner Nockenwelle aus relativ weichem Grauguss besteht. Ein- und Auslassnockenwelle sind phasenverstellbar, die Lager vor ihren beiden Riemenrädern laufen in Zylinderrollenlagern, um die Antriebskräfte möglichst reibungsarm aufzunehmen. Zwischen je zwei Ein- und Auslassventilen stehen nahezu senkrecht Injektor und Zündkerze, um gleichmäßig kurze Flammfronten zu erreichen, eine Voraussetzung für einen effizienten Betrieb mit Direkteinspritzung.

Die Köpfe der Diesel-Versionen sind ebenfalls aus einer wärmebehandelten Aluminiumlegierung gegossen, aber deutlich anders aufgebaut: Hier werden Ventile über rollengelagerte Schlepphebel von je einer Leichtbau-Stahlnockenwelle auf Ein- und Auslassseite betätigt. Den automatischen Spielausgleich bewerkstelligen hier Hydrostößel.

Im Gegensatz zu den jeweils durch den Zahnriemen angetriebenen Nockenwellen des Ottomotors wird hier nur die Welle auf der Auslasseite per Zahnriemen angetrieben und dreht die einlassseitige Nockenwelle gegenläufig per Zahnrad auf der Schwungradseite.

Aufladung in Modulbauweise

Während der T5-Ottomotor einen kleinen, spontan ansprechenden Abgasturbolader besitzt, ist der T6 mit einem größeren und damit trägeren Turbolader ausgestattet. Um die vom Fahrer als lästig empfundenen Phänomene "Turboloch" und "Anfahrschwäche" zu unterbinden, schaltet Volvo hier einen zusätzlichen Roots-Kompressor vor. Dieses per Riemen angetriebene Gebläse unterstützt den Abgasturbolader bei Leistungsanforderung ab Leerlaufdrehzahl und wird mechanisch abgekoppelt, sobald der Turbolader genügend eigenen Ladedruck aufgebaut hat. Beide Turbolader regeln den Ladedruck über ein einfaches, pneumatisch betätigtes Wastegate ab.

Die beiden kräftigen Diesel-Versionen bekommen eine serielle Aufladung mit zwei verschieden großen Abgasturboladern, wie sie sich bereits in den 2,4-Liter-Dieselmotoren von Volvo bewährt hat. Der D5 in der verfeinerten Variante mit einem VTG-Lader ("Variable Turbinen Geometrie"). Er kann durch die Regelung der Turbinengeometrie bereits einen schwachen Abgasstrom nutzen. Im D4 werden beide Lader lediglich mit einem Wastegate gesteuert. Der D3 bekommt einen einzelnen Turbolader, der zur Anpassung an den Luftbedarf mit VTG-Steuerung arbeitet, während für den schwächsten Diesel D2 ein so kleiner Lader ausreicht, dass man auf diese Komplikation verzichten kann. Ladeluftkühlung ist in allen Otto- und Dieselversionen Standard.

Die Registeraufladung steigert trotz des verringerten Hubraums und der erhöhten Leistung die Elastizität: Der Vorgänger des D4 mit 2,4-Litern und fünf Zylindern leistete 120 kW bei 3000 bis 3500/min. Beim neuen D4 steigt dagegen – auch mithilfe des größeren Laders, der ab 3000/min – die Leistung auf bis zu 133 kW bei 4250/min. Dank des kleinen Laders liegt das Drehmoment aber vergleichbar schnell an. Es wird ebenfalls bei 400 Nm ab 1750/min bis ca. 3600/min abgeregelt, sinkt danach aber (wegen des größeren zweiten Turbokompressors) deutlich langsamer ab.

Individuelle Steuerung bei 2500 bar

Die Common-Rail-Einspritzanlagen der Dieselmotoren mit 2500 bar Einspritzdruck bieten eine Weltpremiere: Eine geschlossene Einspritzmengensteuerung mit Drucksensor in jedem Injektor anstelle eines einzigen im Rail soll Effizienz und Laufkultur steigern sowie gleichzeitig den Verschleiß des Injektors laufend während des Betriebs kompensieren. Dazu wird kein Piezo-Stack, sondern ein Magnetventil eingesetzt.

Die niedrige Verdichtung von 15,8:1 und eine wassergekühlte Niedertemperatur-Abgasrückführung vermidern den Stickoxidgehalt im Rohabgas, der Rest wird von einem NOx-Speicherkatalysator verarbeitet. Auf die Eindüsung von Harnstoff ("AdBlue") zur Entstickung kann verzichtet werden.

Bleibt es bei den Zweiliter-Motoren?

Andere Hersteller – auch aus dem Premiumbereich – bieten bereits heute deutlich kleinere Motoren mit hoher Leistung an, um die Effizienz weiter zu steigern. Einige davon sind bereits konkret angekündigt, etwa von BMW, Mercedes oder Opel, und zumeist handelt es sich um Dreizylinder, wegen des günstigeren Drehmomentverlaufs einerseits und wegen der vorteilhaften Einzelzylindergröße andererseits. Auch Volvo sieht einen Einzelhubraum von 500 ccm als idealen Kompromiss im Sinn der thermodynamischen Effizienz und schließt daher nicht aus, dereinst einmal 1500-ccm-Motoren auf Basis ihrer modular aufgebauten Neuentwicklung zu bauen.