Fahrbericht: Citroën C3 Picasso PureTech 110

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München, 23. August 2016 – Citroëns Lifestyle-Minivan C3 Picasso kommt in die Jahre und wird 2017 abgelöst. Das Nachfolgemodell wird im Herbst auf dem Pariser Salon vorgestellt. Zur letzten Modellüberarbeitung hat er im März 2015 einen PSA-Motor mit 1,2 Litern Hubraum, drei Zylindern und Turboaufladung bekommen. Ist das die ausgereifte Version, zu der man noch greifen sollte, sobald die Preise eventuell vorfinal in den Keller gehen oder ist es vielmehr eine jener letzten Gelegenheiten, die man getrost verstreichen lassen kann?

Schon die Daten wecken beim kleinsten Motor die größten Erwartungen: Der hauseigene Dreizylinder beschleunigt besser als der schwächere 1,4-Liter-Vierzylinder VTi 95 aus BMW-Kooperation und soll ihn trotzdem im NEFZ mit nur fünf Liter Verbrauch um einen knappen bis 1,3 Liter unterbieten. Angesichts des relativ hohen Leergewichts von rund 1,4 Tonnen wird man sich im Realbetrieb allerdings auch auf eine größere Spreizung zwischen Minimal- und Maximalverbrauch einstellen dürfen.

Im gemischten Stadtrandverkehr zwischen 50 und 120 km/h waren 5,7 Liter im Schnitt nicht zu unterbieten. Überland kam man an die versprochenen fünf Liter heran und auf der Autobahn gefahren an sieben Liter. Keine Sensation, aber nicht schlecht für ein so hohes, relativ schweres Auto und deutlich besser als die müden, trinkfesten Vierzylinder-Ottomotoren. Citroën hat den 1,6er aus dem Proramm genommen und nur den schwächeren 1,4-Liter VTi 95 behalten – ganz offenbar zum billigen Einstieg. Vergessen Sie ihn.

Äpfel mit Birnen

Der größte Unterschied liegt im Drehmomentverlauf: Bietet der VTi 95 ganze 136 Nm bei 4000/min, stellt der PureTech-Motor 205 Nm bereits ab 1500/min. Man muss den Dreizylinder daher vielmehr mit dem 1,6-Liter-Diesel BlueHDi 100 vergleichen. Er steht ihm nur mehr 49 Nm im Drehmoment nach, beschleunigt dennoch schneller auf 100 km/h und unterbietet mit 11,7 den Diesel um 1,4 Sekunden. Er ist dem Diesel überlegen, weil sein höchstes Drehmoment schon bei niedrigerer Drehzahl anliegt, er aber noch bis 4500 Touren spürbar Kraft nachlegt. Seine Endgeschwindigkeit liegt bei 186 km/h, während der BlueHDi nur 179 schafft.

In der Charakteristik zahlt sich so viel Elastizität auch aus, weil man noch schaltfauler fahren kann. Zudem ist man dabei auch noch ohne Diesel-Nageln unterwegs. Dank Ausgleichswelle ist der Dreizylinder zudem im Leerlauf kaum wahrnehmbar und kennt darüber keine Drehzahl, in der er lästig fallen kann. Das typische Vierzylinder-Dröhnen um die 2500/min kennt er schon prinzipbedingt nicht. Hochschalten wird man – mit oder ohne die serienmäßige Schaltempfehlung – spätestens, wenn dem Dreizylinder irgendwo jenseits der 4500/min langsam die Puste ausgeht. Andere Motoren wachen da erst richtig auf.

Wir dachten zunächst sowieso an einen Fehler in der Schaltanzeige, denn auf steiler Passfahrt im Gebirge empfahl sie Gangwechsel wacker ab 2500 Touren. Erst, als wir diesem Rat folgten, wurde klar, was für ein Wunder an Elastizität dieser kleine Motor ist. Er blubberte eine 17-prozentige Steigung lässig mit 2000/min hinauf. Was einem die Schaltempfehlung übrigens nie gibt, ist ein Hinweis auf den übernächsten Gang. Angesichts des maximal lang übersetzten, aber gut gestufen Getriebes wäre das aber auch nur selten nötig. Der Fünfte ist so stark untersetzt, dass man ihn trotz des Drehmomentwunders im Stadtverkehr einfach vergessen sollte. Seine Domäne sind entspannte Überland- und Autobahnpassagen, für die er dann überraschenderweise trotzdem fast nie zu lang wirkt. Das Fünfganggetriebe ist also keine Sparmaßnahme, vielmehr ist eine feinere Stufung dank der Elastizität einfach nicht nötig. Seine Bedienung lädt aber auch nicht gerade zu häufigen Gangwechseln ein – so weit muss man den Schalthebel von Stufe zu Stufe bewegen. Ganz weit abgelegen ist der Rückwärtsgang – fast im Schoß der Beifahrperson. Sie könnte im schlimmsten Fall das Einlegen der Retourstufe als Übergriffigkeit werten.

Wegfedern statt aufbrausen

Nach Ampelstopps stellt sich bei frühem Schalten irgendwann das Gefühl ein, sich mit jeder einzelnen Verbrennung fühlbar mehrere Zentimeter immer weiter von der weißen Linie wegzudrücken. Das macht unvergleichlich viel mehr Spaß als mit einem Motor, denn man für die gleiche Arbeit ständig hoch aufbrausen lassen muss. Dieses lässig federnde, aber doch sehr Nachdrückliche aus dem Stand ist mir – sofern ich mich nicht täusche – vor erinnerten Jahrzehnten in einem Dreiliter-Lupo einmal passiert. Jedenfalls ansatzweise und auch nur auf eine viel verkniffenere, sparstreberhafte Art, dabei lauthals pumpdüsendieselnagelnd.

Dieser mächtige Bums offenbart Sorglosigkeiten bei der Fahrwerkskonstruktion. So stützt sich das Antriebsdrehmoment offenbar nicht optimal in der Vorderradaufhängung ab und führt zu einem gewissen Drehmomenteinfluss auf die Fahrdynamik. Im zweiten Gang aus einer engen Kurve beschleunigend kommt der elektrisch unterstützten Zahnstangenlenkung da schon mal ein Großteil ihrer Rückstellkraft abhanden. Bei diesem Verhalten vermuten wir allerdings eine Beteiligung der modisch breiten Niederquerschnittsbereifung, die wohl auch für die Indifferenz um die Mittellage der ansonsten angenehm direkten Lenkung verantwortlich sein dürfte. Wer, bitte braucht 205/45 R17 auf so einem Auto? Richtig: der Hersteller, zur Vergrößerung der Marge.

Apropos Lenkung: vernäht Citroën am Lenkrad wirklich Kunstleder? Im Katalog steht eindeutig: Leder – wir staunen. Immerhin, die Chromspange im Lenkrad ist ein Zitat aus der legendären DS, deren elegantes Einspeichenvolant ja schon immer an diese Gartenstühle aus Stahlrohr und Plastikband erinnerte.

Zurück zum Fahrwerk. Wir würden es als noch erträglich im Komfort bezeichnen, wobei wir für das „Noch” zwei Hauptursachen vermuten. Zum einen überfordern wohl die schicken, aber unnötig breiten Pneus die Dämpfung. Zum anderen scheint man bei Citroën panische Angst vor Seitenneigung gehabt zu haben. Anders sind die übersteifen Stabilisatoren nicht zu erklären, welche unnötig viel Unruhe von der Straße in die Karosserie übertragen.

Ohne damit den eigenen oder den Einfluss unserer Kollegen auf die Autoindustrie überschätzen zu wollen: Eine mögliche Erklärung dieser Auslegung finden wir in überraschend zahlreichen Testberichten, die vor Jahren meist grundlos selbst brave Familienautos für luschige Fahrwerke exekutiert haben. Gerade Autos aus dem PSA-Konzern haben sich – möglicherweise in einer Reaktion auf derart unreflektierte Urteile – jahrelang mit pseudosportlichen, holzharten Abstimmungen hervorgetan, die vollkommen an der Zielgruppe vorbeigingen. Beim C3 Picasso ist das zum Glück zwar Geschichte – die kleineren Atavismen sind aber eben noch da. Will sagen: Man kann damit leben, und wenn mehr Personen als nur der Fahrer befördert werden, wird es eh besser.

Gepäck macht ihn auch komfortabler. Mit 386 bis 1506 Litern Kofferraumvolumen steht der Citroën in seinem Kernwettbewerbsumfeld gut da. Ein Ford B-Max fasst 318 bis 1386 Liter, ein Opel Meriva immerhin 400 bis 1500. Beim Einsteigen fällt auf: Der hintere Türöffungswinkel ist sehr klein für einen Van und die breiten Schweller machen insbesondere bewegungseingeschränkten Menschen und Rollifahrern das Leben noch schwerer. Dazu kommt: Die hinteren Scheiben sind nicht voll versenkbar, erzeugen aber sowieso in so gut wie jeder Position ein ausgeprägtes, lästiges Fahrtwindwummern. Es spielt sich im Infraschallbereich ab, ausgerechnet in Geschwindigkeiten, die man üblicherweise mit offenen Fenstern fährt. Warum die Sonnenrollos horizontal statt wie üblich vertikal liegen, hat wohl Kostengründe. Der Bedienkomfort leidet aber darunter, denn sie richtig aufwickeln zu lassen, ohne dass sie dabei auf Dauer kaputtgehen, ist eine Kunst, die man gerade jüngeren Rückbankpassagieren nicht zumuten kann.

Vermutlich völlig leerer Kasten

Die Variabilität umfasst die segmentüblich verschiebbare Rückbank, asymmetrisch geteilt neigungsverstellbare hintere Lehnen und inklusive ihrer Sitzflächen niederklappende Rücksitze. Gegen Aufpreis ist die Beifahrersitzlehne nach vorn umlegbar. Mit eingelegtem Kofferraumboden entsteht so wahlweise eine große und auch lange Fläche. Nicht im Programm hat Citroën so etwas wie die intelligenten Theaterstühle des Wettbewerbers Honda (z.B. Civic) oder herausnehmbare Einzelsitze wie bei VW (z.B. Touran) oder Skoda (z.B. Yeti). Für einen Van bietet der C3 Picasso eher wenig Ablagen. Die Geheimfächer hinten unterm Fußraum sind nicht besonders benutzerfreundlich, weil unter dem Teppich. Immerhin hat man an ein Fach für einen Autoatlas unter dem Beifahrerplatz gedacht. Aber was, bitte, soll der große, vermutlich völlig leere Kasten neben dem rechten Fahrerknie? Der Wagen hat eine Seilzugschaltung und benötigt auch keinen Mitteltunnel. Damit hätten inspiriertere Konstrukteure den Schalthebel ans Armaturenbrett positionieren und vorn ein großes Staufach (alternativ einen dritten Sitz) verwirklichen können. Schade, eigentlich.

Für eine kommode Fahrerergonomie sind die Verstellbereiche gerade so ausreichend. Nicht regulierbar ist die Sitzflächenneigung und der Seitenhalt ist sparsam. Zweimal blieb ich auf der engen Pedalerie beim Kuppeln am Schuh auf dem Bremspedal hängen. Dazu sollte man wissen, dass ich aufgrund meiner zierlichen Anatomie Schuhe von Damenleisten trage.

Gestückelte Scheibe

Hinten ist so wenig oder so viel Platz wie in anderen Minivans, für Erwachsene also nur genug, wenn die Rückbank ganz zurückgeschoben wird. Die Instrumentierung passt so weit, allerdings ist auf dem Bildschirm die unterste Zeile nicht zu sehen, wenn man – wie mein großer Kollege – den Fahrersitz ganz nach unten stellt, um die langen Beine unterbringen zu können. Gut ist der Ausblick auf die Straße, denn im Gegensatz zu allen anderen Vans stört keine dicke A-Säule den Bick nach vorn. Im C3 Picasso erzeugt vielmehr eine gestückelte Scheibe Panorama-Gefühle. Das ist einer der großen Lichtblicke an diesem Auto. So etwas sollte der Nachfolger unbedingt beibehalten und die anderen Hersteller (außer Fiat, wo man es 2012 beim 500 L nachgemacht hat) bitte auch ganz bald einführen. Wir befürchten allerdings das Gegenteil.

Ausblick bieten auch die weit nach unten reichenden Fenster an den Seiten, nicht so toll ist aber im Verkehr die Aussicht nach schräg hinten an den C-Säulen vorbei, auch wegen der Heckscheibe, die nicht über die ganze Breite reicht. Beim kleinräumigen Rangieren ist die Rückfahrkamera zwar hilfreich – aber nur bei Licht. Im Dunkeln reicht der Schein der Rückfahrleuchte nicht aus für ein interpretierbares Bild. Eine echte Täuschung sind die ins Bild projizierten Hilfslinien, weil sie sich nicht mit dem Lenkeinschlag verändern. Da wäre Weglassen ehrlicher gewesen.

Warum die Lenksäulenhebel für Licht, Blinker, Wischer und der Bediensatellit für den Tempomat so gut versteckt wurden, ist ebenfalls nur schwer zu verstehen. Wer das Auto nicht jeden Tag bewegt, benötigt eine Zeit, bis er alle Funktionen blind findet. Das ist mindestens so lästig wie die fummelige Bedienung des Infotainments. Das Navigationssystem ist für sich genommen okay, aber warum kann man bei der Routenplanung weder Zwischenziele eingeben noch Autobahnen ausschließen?

Einen Lichtblick hat es mir immerhin verschafft. In der Einstellung „Schnellste Route“ zeigte es mir, dass selbst das reiche Bundesland Bayern noch sehr viele Kilometer unasphaltierte Straßen hat. Im Ernst: Die Abkürzung über Felder und Wälder war nicht nur ein landschaftlicher Höhepunkt, sie hat tatsächlich Kilometer, Höhenmeter, Ampelstopps, Zeit und Nerven gespart. Kein anderes Navigationssystem hat mit entsprechender Einstellung diese Route empfohlen. Die Landwirte der Region werden sich wohl bald fragen, warum ich nun so häufig bei ihnen vorbeirolle.