Fahrbericht Dacia Sandero Essentiel SCe 75

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Das Fahrwerk stammt aus einer Zeit, in der ESP noch keine Pflicht war. Es dürfte sich gutmütig untersteuernd selbst einbremsen, wenn man mal zu schnell in der Kurve ist. Im Sandero greift die Fahrdynamikregelung allerdings bereits vorher ein. Federung und Dämpfung zeigen sich Unebenheiten gegenüber zwar schluckfreudig, lassen aber die feineren Wellen älterer Straßenoberflächen noch zu den Passagieren durchdringen.

Die Lenkung könnte wahrscheinlich ganz gut dazu passen, jedenfalls wissen wir das aus dem Clio. Leider ist sie in unserem Testexemplar so schwergängig, dass sie unter rund zehn Grad Einschlag nicht mehr in die Mittelstellung zurückgeht. Klar, dass sich das auch sehr spürbar auf das Lenkgefühl auswirkt. Wir können es uns eigentlich nur mit erhöhter Reibung durch zu enge Fertigungstoleranzen erklären. Dann würde sich das Phänomen irgendwann qua Verschleiß geben. Allerdings wirft diese Erklärung kein gutes Licht auf die Produktion.

Den trotz der gebremsten Lenkung noch hohen Fahrspaß (mein Kollege schrieb: „ ... wenn man sich dran gewöhnt hat, kann man sogar einen relativ flüssigen Reifen fahren”) unterstützt eine zwar kräftig unterstützte, aber gut dosierbare Bremsanlage. Sie vermittelt auch bei hoher Geschwindigkeit noch großes Vertrauen, trotz ihrer massiven Bremsscheiben. Wir hatten aber keine Gelegenheit, die Auswirkungen der unbelüfteten Scheiben auf die Standfestigkeit etwa bei voller Beladung auf Passtraßen auszuprobieren.

Getreten aus Spaß („der braucht das”)

Ich gebe zu, dass ich den Sandero getreten habe. Einerseits, weil man einen Wagen mit wenig Leistung oft digital fahren muss, um einfach nur mitzuhalten. Manchmal aber auch wirklich aus Spaß. Der Gesamtverbrauch von 5,9 Litern trotz überwiegendem Stadtverkehr ist so gesehen ziemlich gut. Sparsam bewegt näherte sich der Konsum aber sogar dem angegebenen Verbrauch – und das ist beachtlich. Wie man auf Spritmonitor.de leicht nachvollziehen kann, liegen vergleichbare Wettbewerbsmodelle auf ähnlichem Niveau.

Der offizielle Verbrauch beim Clio TCe 90 (ähnlicher Motor und Gewicht, bessere Aerodynamik und mit Turbolader) beispielsweise liegt bei phantastischen 4,3 Litern, während er im Sandero 5,2 Liter beträgt. Die höhere Leistung des Clio spielt im NEFZ keine Rolle, der Lader dürfte sich hier kaum auswirken. Dafür aber seine Stopp-Start-Automatik und eine Bedarfsregelung der Lichtmaschine. Im NEFZ macht das einen gewaltigen Unterschied, im täglichen Leben dagegen dürften die meisten Nutzer kaum eine Differenz bemerken.

Günstig, billig oder preiswert? Den Sandero Essentiel schicken wir wieder heim mit dem Gefühl, dass bei diesem Modell an einigen Stellen zu viel gespart wurde. Damit meinen wir nicht Dinge wie die unlackierten Plastikschürzen, sondern die hinteren Kopfstützen (ein echter Sicherheitsmangel) und die vordere Sitzergonomie. Die 6990 Euro für den Sandero Essentiel erweisen sich als Lockpreis: Wer eine Klimaanlage (600 Euro) haben will, muss die nächstbessere Ausstattungsversion „Ambiance” (ab 7900 Euro) mit Zentralverriegelung, Radio und Fensterheber kaufen. Zusammen mit dem Komfortpaket (150 Euro für Höhenverstellung von Gurten, Fahrersitz und Lenkrad) kommt der Sandero dann schon auf fast 9000 Euro. Angesichts der Rabatte (nicht einmal zwei Prozent bei Dacia, etwa das Zehnfache bei den anderen) könnte man schon überlegen, ob Modelle wie Seat Ibiza, Ford Fiesta, VW Polo, Opel Corsa oder Skoda Fabia als Reimport oder junger Gebrauchtwagen eine Alternative sein können.

Schon der Qualitätseindruck des Testwagens legt es nah. Und trotz allen Komforts, der ganzen gefühlten Sportlichkeit und einer bemerkenswerten Sprit-Ökonomie, die uns der Sandero bieten kann, machen die Wettbewerbsmodelle einen moderneren Gesamteindruck. Das ist eben der Preis des kostensenkenden Clio III-Recyclings.

Die Kosten für die Überführung des Testwagens hat Renault übernommen, jene für Kraftstoff der Autor. (fpi)