Fahrbericht: Honda CRF 250 Rally

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Ab dem ersten Meter erfreut die CRF mit einem spielerischen Handling, dank des geringen Gewichts, des steilen Lenkkopfwinkels von 61,9 Grad und des enormen Lenkeinschlags. Der Fahrer bekommt fast den Eindruck, er könnte auf einem Teller wenden. Im Stadtverkehr schwimmt man locker mit, die Honda geht zügig an die Arbeit, sticht präzise in jede Lücke und biegt mit einer Leichtigkeit ab, die jegliches große Motorrad vor Neid erblassen lässt.

25 PS? Reicht!

Hinter dem Ortsausgangsschild muss die CRF 250 Rally beweisen, ob sie ein Aufschneider im knallbunten Kostüm oder ein echtes Talent ist. Dass bei dem kleinen Hubraum auf der Landstraße fleißig im Sechsganggetriebe geschaltet werden muss, ist selbstverständlich. Wer sich daran hält wird mit absolut akzeptablem Vorwärtsdrang belohnt. Wer hätte gedacht, dass 25 PS soviel Spaß machen können? Der Einzylinder zieht bis zur Höchstleistung bei 8500/min willig durch, auch darüber bricht die Leistung nicht schlagartig ein. Im oberen Drehzahldrittel gibt der Motor zwar, trotz Ausgleichswelle, hochfrequente Vibrationen ab, aber nur sehr wehleidige Naturen dürften diese stören.

Das Anbremsen von Kurven hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Die relativ kleine Doppelkolben-Vorderradbremse von Nissin beißt auf eine Wave-Bremsscheibe von 296 mm Durchmesser und verzögert anständig. Aber die nicht einstellbare Upside-down-Gabel mit 43 mm Durchmesser taucht wegen der weichen Dämpfung dabei sehr weit ein. Ein Effekt, an dem man sich erst gewöhnen muss. Dann durcheilt die CRF die Kurve aber präzise und unaufgeregt. Dabei erwecken die von Honda aufgezogenen IRC-Reifen einen wesentlich besseren Eindruck als das grobstollige Profil zunächst befürchten lässt. Dass der Pneu mit relativ viel Negativ-Profil auf Schotter ordentlich funktionieren würde, war absehbar, aber dass er auch auf der Straße durchaus Grip bietet war eine Überraschung. Nur nassen Asphalt mag der Reifen nicht sonderlich. Zum Glück regelt das Zweikanal-ABS zuverlässig und kann am Hinterrad abgeschaltet werden. Geländefahrer wissen das zu schätzen, genauso wie die gezackten Fußrasten, die den Endurostiefeln sicheren Halt gewähren.

21-Zoll-Vorderrad für Geländetauglichkeit

Die Lenkerkröpfung erweist sich beim Stehendfahren im Gelände als gelungen, die Körperhaltung bleibt aufrecht und entspannt, allerdings dürfte der dünne Stahllenker beim ersten Sturz verbiegen. Honda wählte ein 21 Zoll großes Vorderrad und ein 18 Zoll großes Hinterrad, was im Gelände einen deutlichen Vorteil gegenüber den meist nur 19 und 17 Zoll großen Rädern der auf Straßentauglichkeit getrimmten Adventure-Bikes darstellt. Die kleine Honda lässt sich Offroad spielerisch bewegen und bewältigt Passagen, wo jede große Reiseenduro gescheitert wäre. Seine Linie sollte man auf der CRF 250 Rally im Gelände aber dennoch mit bedacht wählen, denn flott bewegt schlägt die weiche Federung bei tiefen Löchern schon mal durch und bei kurz hintereinander folgenden Wellen kommt Unruhe ins Fahrwerk.

Hier bewährt sich auch der Motorschutz, der Rahmen und Motorblock vor harten Aufsetzern bewahrt. Übrigens hat Honda der Rally für mehr Stabilität eine dickere Vorderachse spendiert als der L-Version. Die seitlichen, großzügig dimensionierten Plastikverkleidungen dienen vor allem zum Schutz des Kühlers. Bei den Handprotektoren mit einem Streifen Karbonimitat hatte Honda es sicherlich gut gemeint, jedoch stehen sie weit nach vorne ab und ragen nach oben, so dass bei einem Sturz die Bruchgefahr hoch ist, zumal die Hebel über keine Sollbruchstelle verfügen. So fungieren die Protektoren nur als Wetterschutz für die Hände.

Panzerknacker-Maske

Bei der Sitzbank musste Honda einen Kompromiss eingehen. Im Gelände sollte sie schmal sein, um dem Piloten Bewegungsfreiheit zu gewähren, für lange Etappen sollte sie hingegen breit und komfortabel sein. So funktioniert die Sitzbank zwar in beiden Einsatzbereichen akzeptabel, aber eben nicht perfekt. Nach einer Stunde sitzt sich der Schaumstoff langsam durch und wird unbequem. Dafür erstaunt die eigentlich nicht sonderlich hohe Scheibe mit gutem Windschutz. Die Lampe dürfte nicht jeden Geschmack treffen: Von asymmetrische Doppelscheinwerfern nimmt sogar BMW inzwischen wieder Abstand und die schwarze Umrandung der Scheinwerfer sieht aus wie die Maske der Panzerknacker aus einem Donald-Duck-Comic. Dafür ist die Lichtausbeute der LED-Scheinwerfer vorbildlich. Die vorderen Blinker leuchten während der Fahrt permanent als Begrenzungsleuchten. Das ist zwar durch ein neues EU-Gesetz seit 2016 erlaubt, aber noch nicht zu jedem Gesetzeshüter vorgedrungen, so dass es hier schon mal erhöhten Diskussionsbedarf geben könnte.