Die Rückkehr des Z

Fahrbericht: Kawasaki Z650

Ihre Vorgängerin ER-6 war der Bestseller im Kawasaki-Programm, daher waren die Erwartungen hoch. Obwohl die neue Z650 vier PS weniger als die ER-6 hat, bietet sie mehr Drehmoment und 19 kg weniger Gewicht. Sie ist ein Spaßgerät und erfreut Anfänger wie Experten gleichermaßen

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Kawasaki Z650 16 Bilder
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Inhaltsverzeichnis

Zunächst sorgte Kawasaki für Verwirrung: Die neue ER-6n heißt Z650. Dann für Ernüchterung: Sie hat vier PS weniger. Schließlich für Verblüffung: Sie hat 19 Kilogramm abgespeckt. Was zunächst verdächtig nach Druckfehler aussah, bestätigt die unbestechliche Waage: 187 Kilogramm mit vollem 15-Liter-Tank! Im Motorradbau sind das Welten.

Bei der Z650 handelt es sich um nicht weniger als das wichtigste, da meistverkaufte Modell der Marke. Von der Vorgängerin ER-6n und ER-6f – letztere hatte zusätzlich eine Vollverkleidung – konnte Kawasaki in den vergangenen elf Jahren exakt 121.161 Stück in Europa absetzen. Die Entwickler standen also unter massivem Druck, die Z650 musste das Niveau der ER-6 halten. Dabei sollte sie dem von Kawasaki „Sugomi“ getauften Design treu bleiben, gleichzeitig aber die Euro-4-Norm erfüllen. Bei der Namensgebung kehrte Kawasaki zu der Tradition zurück, in der Modellbezeichnung für ihre Straßenmotorräder ein Z unterzubringen. Es gab bereits 1976 eine Z650, doch die Urahnin wurde von einem Reihenvierzylinder-Motor angetrieben, während die moderne Version einen Zweizylinder hat.

Alles schöner als bisher

Die neue Z650 wirkt frischer und dynamischer als ihre Vorgängerin ER-6. Die Front erscheint geduckt durch den tief angesetzten Scheinwerfer, der Tank ist kurz, aber gewölbt. Hinter der schlanken Hüfte in Form eines tiefen Sitzkissens, läuft das Heck spitz zu und ragt hoch auf – ein bisschen Streetfighter steckt schon in der Z650.

Verschwunden ist das seitlich versetzte Federbein der ER-6, stattdessen arbeitet es jetzt zentral, liegt aber immer noch fast waagerecht. Eine Augenweide bildet der sehr kurze und knackige Auspufftopf. Die voluminöse Vorkammer – die Euro4-Norm lässt grüßen – versteckt sich geschickt unter dem Motor und der Schwinge. Die Felgen sind sehr filigran, schließlich soll die Z650 auch optisch ihre Leichtbauweise demonstrieren. Das Cockpit besteht aus einem originellen Halbkreis, in dem goldene Anzeigen auf schwarzen Grund den Piloten informieren. Obwohl es sehr kompakt ausfällt, sind alle wichtigen Daten einwandfrei ablesbar. Das neue Modell erhielt nicht nur wieder das traditionelle Z in der Namensgebung, der Buchstabe findet sich sogar im Design wieder. Am deutlichsten springt es im Rücklicht ins Auge, tatsächlich sind die LEDs in Form eines Z angeordnet.

Weniger PS, mehr Drehmoment

Die erste Kontaktaufnahme erfolgt mit eher gemischten Gefühlen: Kann die Z650 mit vier PS weniger noch überzeugen? Um es vorweg zu nehmen: Sie ist sogar besser als die ER-6! Der Zweizylinder mag mit 68 PS nun etwas weniger Spitzenleistung haben, verfügt dafür aber über mehr Drehmoment in der Drehzahlmitte zwischen 3000 und 6000/min – dort wo man sich die meiste Zeit aufhält. Tatsächlich sind es maximal nur zwei Newtonmeter mehr, nämlich deren 66, die liegen aber schon bei 6500 statt erst bei 7000/min an und das spürt der Fahrer als druckvollen Antritt.

Die Sitzposition passt wie angegossen, erstaunlicherweise fühlen sich auf der nun 15 mm niedrigeren Sitzbank zierliche Damen von 1,65 m auf 790 mm Sitzhöhe genauso wohl wie Kerle von 1,87 m. Der Kniewinkel ist moderat, der Tank ist erfreulich kurz und der Fahrer befindet sich in einer leicht nach vorne orientierten Sitzposition. Die Füße ruhen auf hübschen Alu-Fußrasten mit Gummiauflagen, die hoch genug angebracht sind, um auch bei ambitionierten Schräglagenwinkeln nicht aufzusetzen. Sowohl der Kupplungs- als auch der Handbremshebel sind einstellbar, was in der Preisklasse keine Selbstverständlichkeit ist. Über den flachen Lenker lassen sich die Fahrtrichtungsbefehle gut kontrolliert einleiten, man hat stets das Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben. Beste Voraussetzungen für eine entspannte Ausfahrt.

Herrlich handlich

In der City benimmt sich die Z650 lammfromm, der Motor erfreut mit gefühlvollem Ansprechverhalten dank der Doppel-Drosselklappen. Der Pilot ertappt sich schon nach kurzer Zeit, dass er mit der Kawasaki beherzt durch den Verkehr wuselt, sie lässt sich spielerisch abwinkeln und zielgenau dirigieren. Der Zweizylinder verfügt über eine Ausgleichswelle, der Lenker und die Sitzbefestigung sind gummigelagert, Vibrationen sind der Mittelklasse-Kawa daher fremd, lediglich bei 5000/min verspüren empfindlich Naturen kurzfristig ein ganz leichtes Kitzeln.

Erste Probe mit Bravour bestanden, jetzt muss die Z650 beweisen, was sie auf den winkligen Landstraßen eines Mittelgebirges kann. Wie sich rasch herausstellt: Mehr als der Fahrer. Das Naked Bike pfeilt durch Kurvenradien aller Art, der Zweizylinder dreht willig hoch und die Gangstufen passen perfekt. Durch Haarnadelkurven mit Flickenteppich auf bröseligem Asphalt wirbelt die Z650 wie eine Balletttänzerin. Hier erweist sich die Wahl eines 160er-Hinterreifens in Verbindung mit dem kurzen Radstand von 1410 mm und einem steileren Lenkkopfwinkel von 66,5 Grad als goldrichtig. An Agilität lässt die Z650 keinerlei Wünsche offen. Auch langgezogene Kurven mit griffigem Belag meistert die Kawa bei hohen Geschwindigkeiten unbeeindruckt in atemberaubender Schräglage. Akustisch wird die Fahrt untermalt von einem dezent heiseren Zweizylinder-Grummeln, das sich bis 9000/min zu einem trompetenden Stakkato emporschwingt und allen Ignoranten entgegenschreit: Eine Kawasaki ist böse!

19 kg leichter!

Obwohl das Fahrwerk, abgesehen von der hinteren Federvorspannung, nicht einstellbar ist, erweist es sich als äußerst gelungen. Eher komfortabel abgestimmt, aber ausreichend straff. Vor allem aber macht sich das um 19 Kilogramm geringere Gewicht der Z650 bemerkbar. An der Stelle wollen wir die Kawasaki-Entwickler ausdrücklich loben für die Diätkur der Z650. Das meiste Gewicht, nämlich zehn Kilogramm, sparte der Gitterrohrrahmen aus Stahl ein. Was beweist, dass ein Rahmen aus Aluminium aufgrund seiner üppigen Dimensionen nicht zwangsläufig leichter ist als einer aus Stahl. An der neuen asymmetrischen Schwinge, obwohl aus Stahl, knabberten die Ingenieure noch einmal 2,7 Kilogramm ab, am Motor deren weitere zwei Kilogramm.