Fahrbericht Yamaha Ténéré 700

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Das voll einstellbare Fahrwerk der Ténéré 700 ist gelungen. Gabel und Federbein sprechen zunächst weich an, bauen aber dann deutliche Progression auf, so dass die Ténéré 700 auch bei einer Vollbremsung nicht zu tief einsackt. Dabei sind die Federwege mit 210 Millimeter vorne und 200 Millimeter hinten für eine Enduro eher gemäßigt ausgefallen. Dennoch kann die Yamaha auch abseits befestigter Wege überzeugen, im Gelände schluckt das Fahrwerk Löcher und Wellen souverän. Serienmäßig ist die Ténéré 700 mit grobstolligen Pirelli-Scorpion-Reifen ausgerüstet, die selbst im Schlamm und auf Sand für Vortrieb sorgen und dennoch auch auf Asphalt erstaunlich guten Grip bieten.

Ohne überflüssigen Elektronik-Firlefanz

Die Ténéré 700 stellt den Fahrer nie vor Probleme. Sie fährt exakt dahin, wo der Pilot sie haben will, lässt sich präzise einlenken und das 21-Zoll-Vorderrad hält stur seine Bahn. Auf überflüssigen elektronischen Firlefanz verzichtete Yamaha bewusst bis auf das gesetzlich vorgeschriebene ABS. Das bietet den Vorteil, dass der Ténéré-Pilot sich keine Gedanken machen muss, welchen Fahrmodus er am besten wählt oder ob er die Schlupfregelung reduzieren sollte.

Der Motor nimmt präzise und gefühlvoll Gas an, was ganz besonders in schwierigen Geländepassage, aber auch auf nasser Straße wichtig ist. Die Ténéré ist schmal und schafft so dem Fahrer viel Bewegungsfreiheit. Die Doppelscheibenbremse vorne wird von Brembo-Bremszangen mit einem deutlich fühlbaren Druckpunkt stets sicher verzögert. Das ABS lässt sich für den Geländeeinsatz abschalten, ist allerdings nach jedem Neustart wieder aktiviert.

Leichtgewicht

Offroad ist der Fahrer um jedes Kilogramm dankbar, das er nicht mitschleppen muss. Die Ténéré 700 wiegt – je nach Spritstand im Tank – rund 200 Kilogramm, was im Vergleich zur schwergewichtigen Konkurrenz schon mal ein respektabler Wert ist, doch im Gelände fühlt sich die Yamaha sogar noch leichter an. Dort zählt auch die verwertbare Leistung. 160 Pferdestärken, die elektronisch permanent runtergeregelt werden müssen, und 250 Kilogramm, die einem schon auf der Schotterpiste die Schweißperlen auf die Stirn treiben, gehören zu den Alpträumen des Enduristen. Die Ténéré 700 zeigt, wie man es richtig macht: Mehr Leistung braucht im Gelände niemand und vier Zentner lassen sich noch relativ entspannt selbst auf Singletrails dirigieren.

Zugegeben: Wir hatten vor dem Test der neuen Ténéré 700 gewisse Vorbehalte. Das entscheidende Merkmal der Ur-Ténéré war ihr riesiger 30-Liter-Tank, der wegen der weit entfernten Tankmöglichkeiten Wüsten-Durchquerungen erst möglich machte. Die neue Ténéré 700 kann nur 16 Liter bunkern. Doch erweist sie sich als sparsam und kommt problemlos 350 Kilometer weit, wer die „Eco“-Anzeige im Cockpit immer schön im Auge behält, schafft auch knapp 400 Kilometer. Es gibt wohl kein Land in Europa, wo das Tankstellennetz so dünn wäre, dass die Ténéré mit leerem Spritbehälter liegen bleiben würde. Selbst in Afrika dürfte sie bezüglich ihrer Reichweite selten Probleme bekommen. Wer unbedingt durch die Ténéré will, muss natürlich Reservekanister an die Alukoffer schnallen.

Höhenverstellbarer Kotflügel

Wieviel Herzblut die Yamaha-Ingenieure in die Ténéré-Entwicklung steckten, zeigen die durchdachten Details. Die Gummiauflagen der Fußrasten können mit einem Handgriff entfernt werden, so dass die Stiefel im Gelände sicheren Halt auf dem gezackten Metall finden. Der vordere Kotflügel lässt sich um etwa zehn Millimeter in der Höhe verstellen, wenn mal matschige Passagen vor einem liegen. Der Fußbrems- und der Schalthebel sind klappbar, so dass sie beim Sturz nicht direkt abbrechen.

Um die Vorspannung des hinteren Federbeins zu ändern, muss nicht mühsam mit einem Hakenschlüssel rumgefummelt, sondern nur ein praktisches Handrad gedreht werden. Der Luftfilter ist einfach erreichbar zum Säubern und die Rahmenunterzüge für Servicearbeiten demontierbar. Hinter der Scheibe gibt es eine Alustrebe, an der Navis oder Roadbooks direkt im Blickfeld des Fahrers befestigt werden können. Die Ténéré 700 leuchtet aus vier kleinen LED-Scheinwerfern – zwei für das Abblendlicht, zwei für das Fernlicht – auch Landstraßen dritter Ordnung nachts hell aus.

Günstiger Preis

An der neuen Ténéré 700 Kritikpunkte zu finden fällt schwer. Ein TFT-Display anstatt des nicht mehr ganz zeitgemäßen LC-Displays wäre nett und vielleicht eine höhenverstellbare Scheibe sowie ein einstellbarer Kupplungshebel. Ansonsten ist die Ténéré 700 ein absolut ehrliches Motorrad ohne böse Überraschungen.

Yamaha behielt bei der Entwicklung die Kosten im Auge, denn die Ténéré 700 sollte erschwinglich sein. In Deutschland wird sie für 9599 Euro angeboten. Das ist eine Kampfansage an die Konkurrenz, die teilweise erheblich darüber liegt. Natürlich lässt sich der Preis auch bei der Yamaha in die Höhe treiben, wenn man fleißig Kreuzchen in der Zubehörliste macht. Da gibt es so manches nette Teil zur Optimierung oder einfach nur zur Verschönerung, vom Scheinwerferschutz über Rallye-Sitzbank, Lenkererhöhung, Heizgriffen, kleinerem Kennzeichenhalter und Nebelscheinwerfern bis hin zum Akrapovic-Auspuff aus Titan, um nur einige Sachen zu nennen.

Yamaha hält für die Ténéré 700 zwei Pakete parat: Rallye und Explorer. Unsere Test-Ténéré ist mit dem Explorer-Paket für 2003,84 Euro ausgestattet. Das beinhaltet ein Koffersystem mit zwei Alukoffern, die insgesamt 72 Liter Volumen vorweisen können. Sturzbügel schützen den Kühler und die Verkleidung vor hartem Bodenkontakt, ein größerer und um 33 Prozent dickerer Unterschutz umschlingt den Zweizylinder. Ein Hauptständer ist montiert und der Soziusplatz entfällt, stattdessen findet sich dort eine Gepäckplatte. (fpi)