Wie es aussieht, ist Mazda gerade dabei, den Verbrennungsmotor neu zu erfinden

Jenseits von Otto und Diesel

Mazda zieht weiterentwickelte Kolbenmaschinen Hybridantrieben vor. Wie es aussieht, sind sie gerade dabei, den Verbrennungsmotor neu zu erfinden und wenn alles gut geht, könnte er früher in Serie kommen als gedacht

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  • Florian Pillau
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München, 21. März 2014 – Mazda zieht weiterentwickelte Kolbenmaschinen Hybridantrieben vor. Wenn sie damit die kommenden gesetzlichen Verbrauchsvorgaben erreichen wollen, werden sie sich ganz schön strecken müssen. Wie es aussieht, sind sie gerade dabei, den Verbrennungsmotor neu zu erfinden und wenn alles gut geht, könnte er früher in Serie kommen als gedacht.

Häufig war bereits von einem „Sonderweg“ die Rede, wenn über die aktuellen Skyactiv-Motoren bei Mazda berichtet wurde. Und sie sind ja wirklich bemerkenswert: Weder als Otto- noch als Dieselmotoren versuchen sie seit 2012 irgendeine Form des Downsizing. Auch was die Hybridisierung angeht, hat sich Mazda auferlegt, nur eine Boost-Rekuperation anbieten zu wollen, bei der keine Aufladung durch den Verbrennungsmotor stattfindet. Das Ganze ist Programm und weist in Richtung einer ganz neuen Motorengeneration jenseits von Otto und Diesel.

Jenseits von Otto und Diesel

Ihr Ansatz zielt vielmehr Richtung gezielter Verbrennungssteuerung, was beim Selbstzünder mit einer extrem weit abgesenkten und beim Ottomotor mit einer bisher nicht gekannten, hohen Verdichtung einhergeht und relativ große Zylinder (zwei Liter Hubraum) erfordert. In der Folge steigert der Ottomotor seinen Wirkungsgrad bei niedriger und mittlerer Motorlast um 15 Prozent verglichen mit dem gleich großen Vorgänger. Beim Dieselmotor ermöglicht die verringerte Verdichtung einen längeren Expansionshub, was die Effizienz um 20 Prozent gegenüber seinem Vorgänger steigert. Er erreicht die aktuelle Abgasnorm Euro 6 trotz völligen Verzichts auf eine teure und schwere Abgas-Entstickung mit SCR (Selektive Katalytische Reduktion) mittels Additiv oder einen NOx-Speicherkatalysator dank einer drastisch verringerten Verbrennungstemperatur.

Der theoretische Unterbau für den hochverdichtenden Ottomotor brachte Mazdas Motoren-Entwickler Takashi Youso und Masahisa Yamakawa 2011 den Forschungspreis „Outstanding Technical Paper Award“ der Society of Automotive Engineers of Japan (JSAE) ein. Diese Arbeit weist aber noch weiter: In die Zukunft.

Zukunftweisende Arbeit

Beide Motoren haben mittlerweile ihr Sparpotenzial und ihre Tauglichkeit im alltäglichen Masseneinsatz als Skyactiv-G und Skyactiv-D (Otto bzw. Diesel) bewiesen. Die Motoren sind für Mazda mehr als ein Erfolg, sie haben die Firma gewissermaßen aus dem Tief durch Japans zähe Wirtschaftsprobleme und die Krise von 2008 gezogen. Bis Ende 2014 soll die Kapazität der Motorenfertigung im Stammwerk Hiroshima von jährlich 800.000 auf eine Million Einheiten steigen.

Doch trotz aller Perfektion dürfen wir beide „nur“ als Vorläufer einer Technologie verstehen, die beide Arbeitsprinzipien Selbst- und Fremdzündung und ihre Vorteile unter einen Hut bringen möchte. Mittlerweile können die Ingenieure mit den im freien Feldversuch in Kundenhand laufenden Antrieben fleißig Erfahrungen sammeln. Das eigentliche Ziel heißt „Homogene Verbrennung“.

Dazu muss ein Kraftstoff-Luft-Gemisch im Zylinder zur kontrollierten Selbstentzündung gebracht werden. Glückt dieses schwierige Unterfangen, steigt der Wirkungsgrad noch weiter, denn damit wird eine adiabatische Verbrennung erreicht. Dabei entzündet sich das Gemisch nicht an einer Stelle, also an der Kerze (Otto) oder am Einspritzstrahl (Diesel) und brennt dann langsam durch, sondern das Gas entzündet sich idealerweise an jeder Stelle im Brennraum gleichzeitig.

Das bringt mehrere Vorteile mit sich: Dank einer besseren Energieumsetzung läuft die Verbrennung mit niedrigerer Temperatur ab, dadurch enthalten die Abgase nur geringe Spuren von Stickoxid. Der Rußausstoß geht gegen Null, weil es keine Kraftstofftröpfchen mehr gibt und dadurch jedes Kraftstoffmolekül mit denen der Luft reagieren kann. Der hohe thermischen Wirkungsgrad verbessert die Verbrauchswerte. Leider gelingt dieser ideale Betriebszustand nur in einem begrenzten Kennfeld. Bei hoher Last muss das Gemisch nach wie vor fremdgezündet werden.

Doch inzwischen meldet Mazda, dass ihre neuen Motoren eine 30-prozentige Senkung des Verbrauchs erreichen werden und damit sogar den well-to-wheel-CO2-Ausstoß von Elektroautos in den Schatten stellen könnten.

Mazda will Elektroautos in den Schatten stellen

Wie die britische Zeitung Autocar meldet, sei der neue Motor mit der Bezeichnung Skyactiv-G Generation 2 mit einer Verdichtung von 18:1 bereits in Entwicklung. Er soll ein nicht näher bezeichnetes „durchschnittliches“ Mazda-Modell auf einen CO2-Ausstoß von 80 g/km bringen können. Man kann sich da wohl Nachfolger der Modelle Mazda 3 und 6 vorstellen, denn sicher wird der Erfolg nicht allein auf den 30-prozentigen Wirkungsgradsprung zurückzuführen sein, sondern auch auf parallele Maßnahmen wie forcierten Leichtbau.

Mazda macht zur Zeit ganz ähnliche Erfahrungen wie die die Ingenieure bei Daimler mit ihrem so sinnfällig wie albern „Diesotto“ genannten HCCI-Motor (Homogeneous Charge Compression Ignition), vorgestellt 2007 in der Technologie-Studie F 700, und die Entwickler bei Volkswagen, Honda oder GM, die das Verfahren schon seit Anfang der 2000er-Jahre ausprobiert haben. Laut Mazda gäbe es noch Schwierigkeiten, die Homogene Verbrennung auch unter hoher Last aufrechtzuerhalten. Für Leistungen ab etwa 50 Prozent muss der Motor mit einem fetteren Gemisch laufen, das nur konventionell gezündet werden kann.

Fernziel ist ein Motor mit adiabatischer Verbrennung in allen Last- und Drehzahlbereichen. „Adiabatisch“ heißt unter anderem, dass so gut wie keine Wärme verloren geht. Der neue Motor hätte also kein Kühlsystem mehr, im Gegenteil wäre bei ihm der Brennraum sogar thermisch isoliert, um die Wärmeenergie besser ausnutzen zu können. Er wäre dann auch – anders als die aktuellen Verbrennungsmotoren – über einen viel weiteren Last- und Drehzahlbereich fast gleich ökonomisch, so dass auf die heutigen vielstufigen Getriebe und Automatiken mit einer möglichst weiten Spreizung verzichtet werden kann.

Mildhybrid ist leichter und günstiger

Mazda schreibt dieser noch fertig zu entwickelnden „Skyactiv-G Generation 3“ eine Emission von 60 g/km für das oben erwähnte Vergleichsfahrzeug zu. Zum Ziel gehört allerdings auch eine milde Hybridisierung, die ihre Leistung nur zum Boosten ausschließlich aus der zurückgewonnenen Bewegungsenergie beziehen kann. Das spart dann das Gewicht zusätzlicher Akkus und großer E-Maschinen ein. Das System wird man sich ähnlich wie das bereits serienmäßig eingesetzte i-Eloop vorstellen dürfen, also mit leichten Kondensatoren (Supercaps) statt Batterien und elektrifizierten Nebenaggregaten. Im Zusammenspiel mit dem HCCI-Motor strebt Mazda laut Joachim Kunz von Mazdas europäischem Forschungs- und Entwicklungszentrum eine Emission von 50 g/km an, eine Verbrauchsvorgabe, die sich an der gegenwärtigen Well-to-Wheel-Bilanz für ein vergleichbares Elektroauto orientiert.

Erste Vorläufer der Skyactiv-G Generation 2 laufen zwar bereits, zu Plänen kann die Entwicklungsabteilung gleichwohl noch nicht viel sagen. Kunz hält es für möglich, dass die Skyactiv-G Generationen 2 und 3 noch in diesem Jahrzehnt auf den Markt kommen könnten.