Klartext: Anlage und Umwelt

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Es gibt allerdings seit 2012 einen wirklich europäischen Motor im Thema, den Dreiliter-V6-Diesel von VM Motori in Italien nämlich. Diesel gilt in Amerika trotz aller Werbekampagnen immer noch als der unchristliche Treibstoff des Teufels: 2,6 Prozent Marktanteil bei den PKW-Zulassungen laut VDA. In Deutschland dagegen ist gut die Hälfte des PKW-Bestands mit Heizölverbrennern ausgestattet. Der Motor im Thema ist verblüffend gut in allen Dieseldisziplinen. Er tritt schwungvoll mit sonorem Brummen an, verschwindet im Tempomaten-Rollbetrieb fast völlig aus der Geräuschkulisse, kann je nach Autobahnbeschränkung mit unter sieben Litern (Österreich, Berge, 130) bis über zehn (deutsche Autobahn) gefahren werden, verbrennt sehr sauber und ist insgesamt ein leuchtendes Beispiel der Laufkultur. Es wäre schön, wenn es dazu mehr als fünf Gänge in der Automatik gäbe, aber das auch nur, wenn man anders fährt als ein Taxifahrer.

Rennstrecke Europa

Seine Abstammung von einer E-Klasse (W210), erkennbar schön an der Fußhandbremse, zeigt der Thema beim Langstreckenreisen, konkret bin ich in die Gegend Rimini an der Adria gefahren. Er dieselt leise vor sich hin und irgendwann ist man ausgeruht am Ziel, das in diesem Fall hieße: Panoramica Adriatica, eine der schönsten Küstenstraßen Italiens. Sie verbindet atemberaubende landschaftliche Schönheit mit hohem fahrerischem Anspruch (kurz: sie ist gefährlich), und sie war die Hausstrecke des jungen Valentino Rossi, bevor er Rekordweltmeister im Motorradrennsport wurde. Das Fahrwerk gibt sich dabei erfreulich souverän, die Bremsen wirken angesichts der Masse unterdimenioniert, und die Automatik möchte lieber weiter Taxi fahren. Es macht schon ein bisschen Spaß, wobei der Thema bei ausbrechendem Heck einem ruhig die Frage "Warum?" stellt. Für so eine enge Straße ist das Auto zu groß zum wirklich fahren. Also anders: Ich bin Tourist, ich wandere leise und langsam diesen wunderbaren Streifen Welt entlang. Die vielen anderen Touristen, joggend, spazierengehend, fahrrädernd, sie danken es mir. Das war so gut, dass ich mich von einem Taxifahrer nach Hause fahren ließ und auf dem Beifahrersessel die Alpen bewundert habe, bis ich eingeschlafen bin. Genau so muss ein Reiseauto sein: ermüdungsarm für den Fahrer, ein Schlafwagen für den Rest.

Ja, der Wagen hat einige amerikanische Unarten. Das rappelige Holzimitat auf der Mittelkonsole zum Beispiel geht gar nicht. Das ständige Gepiepse aus den verschiedensten Gründen nervt, vor allem nervt es schlafende Mitfahrer. Aber insgesamt bin ich sehr positiv überrascht. Die Erwartung war eine schlimme Kombination amerikanischer Eigenheiten mit neolancialischer Designüberfrachtung. Die Realität ist eine ausgezeichnete Reisemaschine, die ich gestalterisch gelungen finde. Vielleicht war es schon in der Reißbrettgenetik des neuen 300C verankert, vielleicht ist es Zufall, aber das Heck erinnert mich sehr positiv an Pininfarinas Lancia Flaminia Coupé aus den Sechzigern.

So eine Zuchtwahl funktioniert für mich, mein Wunsch wäre weniger Herrn Francois' "alles gleich" als vielmehr Lancia als Best Of des Chrysler-Konzerns in Europa. Lancia Thema Diesel: gut. Die ganzen Voyagers ladet ihr am besten gleich wieder aufs Containerschiff und schickt uns stattdessen eine Ladung Lancia Viper. Wir versprechen auch, dass wir damit schaumfrei klarkommen. Vielleicht lassen wir die Aufklebermontierer auch die Bremsservos der ersten Charge ausbauen, um die Marke Lancia wieder in ihr altes Lot zu rücken: schöne Autos für Gestörte. Aber wahrscheinlich ist es für so eine reine Erziehungs-Marketing-Maßnahme zu spät. (cgl)