Klartext: Überoptimiert

Die Optimierung auf den NEFZ ist schlecht für uns

Seit einigen Jahren ist sichtbar, dass die Optimierung auf den Verbrauchszyklus NEFZ uns Antriebe bringt, deren technischer Fortschritt nur noch in Stadt, Stau oder auf langsamer Landstraße sichtbar wird. Es muss anders werden

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 133 Kommentare lesen
Klartext 3 Bilder
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Wir hassen den NEFZ. Die meisten tun das, weil sie sich von dessen Messwerten verarscht fühlen. Er hat über viele Jahre jedoch noch einen anderen Effekt gezeitigt: Motoren wurden so stark auf den NEFZ optimiert, dessen Ergebnisse ja die Steuern und Strafzahlungen für das jeweilige Modell festlegen, dass diese Überoptimierung dem Kunden deutlich wahrnehmbare Nachteile beschert.

Zuerst eine Verteidigung des Labors: Ohne einen Laborzyklus gibt es keine Vergleichbarkeit. Diese Vergleichbarkeit brauchen wir außerdem der Fairness wegen: gleiche Bedingungen für alle. Sonst ließe der Spanier seine Autos bei 23° C zu und der Deutsche bei 12° C, grummelnd, weil er dieselben Kaltlaufwerte nach einigen Sekunden zu erreichen hat. Geht nicht. Man kann nicht jedem Schüler einen anderen Testbogen geben, wenn alle denselben Abschluss wollen.

Verlorene Vergleichbarkeit

Nun sind wir aber soweit, dass gerade die Vergleichbarkeit verloren gegangen ist, aus dem schlichten Grund, dass der NEFZ so weit weg ist vom tatsächlichen Fahrverhalten, dass die darauf optimierten Motoren in der Realität durchaus deutlich mehr verbrauchen können als weniger stark darauf optimierte Motoren, die im NEFZ viel mehr verbrauchen. Es stimmt also nicht einmal mehr die Relation. Gerade deshalb sprach ich mich immer dafür aus, möglichst alle Steuern auf den tatsächlichen Verbrauch zu erheben, also die Kraftstoffsteuer zu verwenden statt Dinge zu erfinden wie diese bescheuerte CO2-Steuer, die pauschal per Schätzung erhoben wird. Ein Rentner, der 5000 Kilometer im Jahr fährt, sollte doch fairerweise für den Verbrauch seiner alten E-Klasse besteuert werden statt für die Größe seines Motors, der die meiste Zeit CO2-neutral herumsteht.

Aber zurück zum Optimierungsproblem: Lassen wir einmal alle der zahlreichen NEFZ-Schummeleien weg. Dann bleibt als Hauptmaßnahme zur Erreichung guter NEFZ-Werte ein Motor, der bei sehr langsamer Fahrt mit Beschleunigungen im geologischen Maßstab im ständigen unteren Teillastbereich besonders wenig Treibstoff verbraucht. Wir müssen keinen Maschinenbau studieren, um zum Schluss zu gelangen, dass dieser optimierte Motor eher klein und aufgeladen sein sollte, mit einem lang übersetzten Getriebe, das die Drehzahl im optimierten Bereich besonders niedrig hält. "Downsizing" lautete der Schlachtruf.

Am stärksten fällt die Eignung für einen bestimmten Einsatzbereich an den Extremen auf. Mir begegnete sie daher als erstes an Motorradmotoren. Kleinere Motoren verbrauchten auf der Autobahn gern einmal massiv mehr Benzin als größere. Brave, sparsame Tuckerer genehmigten sich auf der Autobahn an den Anschlägen von Gasgriff und Drehzahl zwei Liter mehr als ein Superbike, bei geringerem Tempo.