Taugt ein alter Nissen Leaf zum Landleben?

Klartext: Elektrische Landlust

Die Landbevölkerung hat Vorteile beim Betrieb eines elektrischen Autos: mehr Platz für eigene Ladeinfrastruktur, weniger Menschen pro Stromanschluss und fehlgeleitete Hoffnung in den deutschen Verkehrsminister. Ich wollte schon lange einen Nissan Leaf

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Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Schon 2014 zog ich die Möglichkeit in Betracht, irgendwann wieder aufs Land zu ziehen, wo ich dann glücklich würde mit meinem Subaru Outback. Dieser virtuelle Umzug nimmt derzeit immer mehr reale Gestalt an, weil meine Frau wahrscheinlich versetzt wird und ich gern Platz hätte, um an Autos herumzuschrauben, wo es in der aktuellen Stadtsituation bereits bei Motorrädern eng zugeht. Meine Liebe für den Outback blieb erhalten, der konkrete Wunsch jedoch nicht. Stattdessen interessiert mich mehr und mehr, wie es denn wäre, mit einem gebrauchten Nissan Leaf zu leben. Denn unsere Landflucht wird dazu führen, dass wir dasselbe tun werden wie die meisten Elektroautokäufer: zwei Autos betreiben.

Am Samstag fuhren wir also durch das schöne Jagsttal, das schöne Brenztal. Sorgen Sie sich nicht weiter, wenn Sie nur eins dieser Täler kennen, und das nur von seiner Autobahnbrücke her: Es gibt dort Gegend und sonst nicht viel, das man anderswo kennen würde. Das ist uns sehr recht, auch weil die meisten Leute ihre Umzüge eher in die entgegengesetzte Richtung in die Städte planen. In so einer Region kann und sollte man nicht damit rechnen, dass ein Dobrindt oder Nachfolger irgendetwas Hilfreiches tut, und wahrscheinlich sollte man sogar in den Ballungsräumen solche Hoffnungen fahren lassen. Auf jeden Fall habe ich den ganzen Tag keine Ladestationen für Elektroautos gesehen.

Ressourcenkampf

Was sich zunächst nach schlechteren Verhältnissen liest als in der Stadt, lebt sich real glaube ich tatsächlich entspannter. Eine fehlende öffentliche Infrastruktur nervt dich ja nur dann, wenn du auf so etwas angewiesen bist. Was Elektrozweitautobetreiber jedoch seit jeher tun, ist eigene und sonstige private Infrastruktur nutzen, und da steht das Land ganz gut da, weil es einfach mehr Ressourcen dafür gibt. Wie viele Autos jetzt in einem urbanen Mietshaus in der Tiefgarage am bestehenden Stromanschluss wirklich über Nacht geladen werden können, ist dem Landlustigen wurscht, denn er wohnt entweder allein als Einzelpartei in einem Haus oder mit eher überschaubaren Zahlen von Miteigentümern / -mietern zusammen. Und für die Ressource "Stellplatz" sehen die Bedingungen ähnlich positiv aus wie für die Ressource "maximale Stromlast".

Meinen gebrauchten Leaf werde ich also wie derzeit die meisten Elektroautofahrer fast ausschließlich zuhause laden, mit überschaubaren Stromleistungen über mindestens sechs Stunden lange Nächte. Wenn doch einmal Einkaufstouren mit großen gefahrenen Distanzen anstehen, kann man schauen, ob die jeweiligen Märkte auch Ladeplätze haben (da gibt es immer wieder erfreuliche Überraschungen), kriegt ein Smart Shuttle oder man fährt diese Touren halt Kohlenwasserstoffe verbrennend. Genau das ist ja das Schöne am Zweitwagen: Er muss, ja: soll gar nicht alles können, sondern eine Nische besonders gut ausfüllen. Sportwagen. Transporter. Landleaf.

Leading Environmentally-Friendly Affordable Family

Wer diese Sicht auf den Zweitwagen akzeptiert, kann vernünftig planen, ob ein alter Leaf den Alltag wirklich verbessert im Vergleich zu einem alten Golf. Ich halte das für unseren konkreten Fall für relativ wahrscheinlich. Der Leaf ist als Gebrauchter gut gealtert. Die Konstruktion zeigte wenige Schwachstellen, die Wartung kostet sehr wenig, und weil Leaf-Fahrer fast immer auch ein Stück weit Enthusiasten waren, haben sie sich liebevoll um ihre Autos gekümmert. Das kann man für einen alten Golf nur dann annehmen, wenn man unangenehme Überraschungen liebt.

Der größte Langzeit-Zweifel damals beim Erscheinen des Leaf war natürlich die Batterie, das teuerste Teil jedes Elektroautos, das als chemischer Energiespeicher ganz sicher altert, schon von alleine. Mittlerweile gibt es eine Menge Langzeit-Erfahrungen mit Traktionsbatterien, und die zeichnen ein recht eindeutiges Bild: Durch die schonende Behandlung der Lade-/Entladekontrolle und das Thermomanagement altern die Li-Ion-Akkus in Autos deutlich langsamer als in Unterhaltungsgeräten. Dazu kommt, dass die Hersteller stille Reserven vorsehen, die bei Alterung freigeschaltet werden können. Das einzige Alterungsproblem zeigte die Leaf-Batterie bei sehr hohen Außentemperaturen über 50° C, wie sie in den Wüsten Amerikas auftraten. Unsere bei mitteleuropäischen Temperaturen gefahrenen Akkus leben immer noch in einem überwiegend erfreulichen Zustand.

Letztendlich kommt es also nur darauf an, welcher km-Betrag auf der täglichen Pendelstrecke der Frau anfällt und was der Erstwagen alles abdeckt. Ich denke hier an einen VW Bus, damit ich Motorräder transportieren kann. Denn auf dem Land kann ich für den Kasten einen Langstrecken-effizienten Dieselantrieb kaufen. Die sollen ja gerade sehr günstig sein ...