Klartext: Vom E-Roller gefallen

Seite 2: Mathias Döpfners Kniefall und der Chinese

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Ich erinnere mich, wie Springer-Chef Mathias Döpfner die Presse dazu aufforderte, Steve Jobs auf Knien zu danken – für das iPad. Er sah es als magische Pille, die alle Print-Probleme der Presse lösen würde und die im Web gleich dazu. Man kann Döpfner vielleicht als bösartig einschätzen. Als dumm eher nicht. Dennoch diese kolossale Fehleinschätzung. Döpfner ist eben doch trotz aller Amerikaliebe sehr deutsch im Herzen.

Der Chinese überholt uns noch!

Etwas Ähnliches ist den Verkehrs-Regulatoren passiert. Eine Verordnung für Kleinstvieh hatten sie lange versprochen. Als dringend empfand es die Bundesregierung erst, als Startups unsere Städte mit Elektrofahrzeugen flächenbombardierten, die keine Pedelecs waren. Apps! Hippe, junge Leute! Technik! Digitaltechnik gar! Das wird unsere Innenstadtprobleme lösen. Sonst hängt uns der Chinese am Ende ab beim Thema schrottige Tretroller! … Oh, hat er schon, bei der Herstellung. Aber beim Gesetz, da sind wir dann ganz vorn! Und jetzt haben wir den Salat.

Wie hätte es besser gehen können?

Mit weniger Regulierung, ganz einfach. Beim Pedelec gelang das, und ich befürchte mittlerweile, dass es gelang, weil die EU das Gesetz vorgab. Wenn Deutschland es selber gemacht hätte, gäbe es für ein Pedelec mehr Vorschriften als für ein Superbike. Unsere Radler müssten mit abriebfesten Vollkörperanzügen, Helmen, Handschuhen, Sicherheitsschuhen, Kettenschutz, Warnwesten, Blinkern und Verbandskasten ausrücken, und ich überlasse es Ihnen, sich vorzustellen oder nachzuschlagen, welche dieser Dinge das deutsche Gesetz für ein Superbike im Straßenverkehr nicht vorschreibt (Tipp: 6/8 mit kleiner Falle).

Keine magische Pille für Städteplanung

Wenn die Verantwortlichen nicht ihrer allzu menschlichen Hoffnung nach einfachen Lösungen aufgesessen wären, gäbe es deutlich weniger E-Roller-Fahrtvermittler. Deren gesellschaftliche Gesamtkosten sind wie beim Auto nicht im Preis enthalten. Ihre Einnahmen decken ja heute meist nicht einmal die lokalen Kosten des Anbieters. Dass die Schrottproduzenten als umweltfreundlich beschrieben werden, ist nur die Schlusspointe in einer zehn Staffeln langen Comedyserie namens „E-Tretroller in Deutschland“.

Es wird auch künftig kein Startup daherkommen und Mobilitätsprobleme alleine lösen, obwohl weiterhin kein Mangel an Startups herrschen wird, die das versprechen. Die Städteplaner und -verantwortlichen bleiben gefragt. So gern ich selber E-Skateboard fahre: Wenn diese Dinger keine Zulassung haben und auf Duldung angewiesen sind, entgeht uns nichts außer barockschwülstige Bürokratiegebilde. Duldung ist gar nicht so schlecht als soziale Lösung rechtlich undefinierter Zwischenräume. Ich erinnere an ihren dem Latein entlehnten Bühnennamen „Toleranz“.0

Doch hier steht uns eine weitere deutsche Eigenart im Wege: Wir wollen es auch als Endverbraucher gern legal durchgeregelt. Wo kämen wir hin, wenn man in Streitfällen miteinander sprechen müsste! Nach Italien am Ende! Deshalb werde ich 2020 weiter fürs Zu-Fuß-Gehen als Fortbewegung werben. Der Per-Pedes-Lobbyist sagt: Gehen ist per Bestandsschutz geschützt, also kaum reguliert, die legalste aller Fortbewegungsarten quasi, infrastrukturell gefördert (Stichwort: „Fußgängerzone“), gesund, billig, erlebnisintensiv, umweltfreundlich, entschleunigend (ist das neue „langsam“) und hat einen erfreulich geringen Anteil an milchschäumigen Neubärten, die einem ihre Kostenmodell-App dazu aufnötigen wollen. (cgl)