Kommentar: Warum das Elektroauto sich (nicht) durchsetzt

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Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass das batterieelektrische Auto ein Massenphänomen wird. Doch das würde bedeuten, dass sich die Gesellschaft auf tiefgreifende Veränderungen bei der Individualmobilität einstellen muss. Dass irgendeine Anpassung kommt, scheint unausweichlich – was aber nichts mit dem Dauerfeuer von DUH und Co zu tun hat. Es ist im Bereich Antrieb etwas in Bewegung gekommen, auch wenn sich das aktuell noch nicht in Zulassungszahlen widerspiegelt. Dass das zwangsläufig auf ein batterieelektrisches Elektroauto zuläuft, ist meines Erachtens nicht ganz so sicher, wie es einige derzeit mit fester Stimme vortragen. Möglich wären immerhin auch Alternativen wie synthetisch hergestelltes Erdgas aus überschüssiger Wind-, Wasser- und Solarenergie. Aber das ist ein ganz anderes Thema. Zu Wort kommen soll nun die Befürwortung von Elektromobilität.

(mfz)

Warum das Elektroauto sich durchsetzt

Zugegeben, mir hat die Fantasie gefehlt. Als ich im Mai 2013 zum ersten Mal ein Tesla Model S fuhr, dachte ich: Das ist es! Wenn das batterieelektrische Auto erfolgreich sein kann, dann so. Mit viel Reichweite. Eine Überlegung, die mich fast traurig gemacht hat. Denn mir war klar, dass ein Fahrzeug der Kompaktklasse mindestens so viel Speicherkapazität brauchen würde wie das Basismodell der kalifornischen Luxuslimousine. Unter 60 Kilowattstunden, so meine Kalkulation, wäre die Nutzungseinschränkung im Alltag zu groß. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass genau vier Jahre später ein batterieelektrischer Opel im Verkaufsraum steht. Mit 383 Kilometern Aktionsdistanz im realistischen US-Messzyklus. In der Golf-Klasse. Für einen Preis, den ich inklusive Förderung auf rund 35.000 Euro schätze. Nicht billig, und dennoch für viele Kunden bezahlbar. Ein Erstwagen.

Sie werden von mir keine Prognose lesen, in der ich schreibe: Morgen wachen wir auf, es macht Klick, und wir fahren alle mit BEVs (Battery Electric Vehicles) durch die Gegend. Aber es gibt gute Argumente, die für einen erheblichen Anstieg des Marktanteils auf zehn, 25 oder 40 Prozent sprechen, und den nenne ich Durchbruch. Aller berufsbedingten Skepsis zum Trotz bin ich inzwischen sicher, dass ein neuer Pkw mit Verbrennungsmotor im Jahr 2030 ungefähr so sexy sein wird wie das Rauchen im Restaurant.

Skaleneffekte bei der Batterieproduktion

Zwischen 2022 und 2025 könnte der Preis pro Kilowattstunde Batteriekapazität auf Systemebene die 100 Euro-Marke nach unten durchbrechen. Nicht, weil die Zellchemie revolutioniert wird. Sondern vorwiegend, weil die industrielle Massenproduktion so richtig in Schwung kommt. Die Bänder laufen immer schneller. Gleichzeitig verbessert sich das Verhältnis von aktivem Material und Verpackung kontinuierlich – die so genannten Integrationsverluste sinken, es sind weniger Ressourcen notwendig, und die Batterie wird in der Folge billiger. Es geht ums Geld. Wie immer.

China, China, China

Wenn 1,4 Milliarden Chinesen ähnlich leben wollen wie wir, wird der schon heute weltgrößte Automarkt eine neue Dimension erreichen. Die Volksrepublik fördert batterieelektrisches Fahren, weil damit die heimische Industrie gestärkt wird. Und ein signifikanter Zuwachs der Verkaufszahlen über die 100 Millionen, die wir international zurzeit pro Jahr ungefähr haben, wird ohne BEVs nicht auskommen.

Pflicht zum E

Planwirtschaft taugt nix, sagt die Geschichte. Und trotzdem werden die Pflichtquoten etlicher Staaten eine Wirkung entfalten. Dabei ist das Modell aus zehn US-Bundesstaaten noch milde, nach der 2025 mindestens 22 Prozent der Neuzulassungen Zero Emission Credits erfüllen müssen. Nationen wie Norwegen, wo ein Verbot von Verbrennungsmotoren im Pkw und damit eine 100-Prozent-Quote sehr wahrscheinlich ist, werden zu Versuchslaboren. Der Druck aus diesen Märkten befördert Punkt 1, die Skaleneffekte.

Toyota macht mit

Chefsache: Ab sofort ist Akio Toyoda oberster Planer beim batterieelektrischen Auto. 2020 soll es ein Serienprodukt geben. Und Toyota baut nichts, ohne eine Mindeststückzahl zu erwarten. Der Autoriese weiß, wie man Kosten in den Griff bekommt, und wegen der Hybridstrategie sind wesentliche Komponenten längst preisgünstig genug für den Massenmarkt. Wenn Toyota etwas macht (oder unterlässt), hat es Relevanz. Ähnlich wie bei Volkswagen.

TCO

Stellen Sie sich vor, ein Golf TSI oder TDI wäre teurer als ein e-Golf. Beim Kaufpreis wird das auf absehbare Zeit nicht der Fall sein. In der Betrachtung der Gesamtkosten TCO (total cost of ownership) dagegen ist das leicht vorstellbar. Allerdings wird sich dieser Effekt in Deutschland langsamer vollziehen als in anderen Märkten – zwar fällt auch bei uns der Ölwechsel weg. Es gibt aber leider kaum eine Industrienation, in der das Verhältnis von Strom- zu Kraftstoffpreis so ungünstig fürs BEV ist wie hier.