Kubas Fuhrpark

Inhaltsverzeichnis

Wer an der Straßenkreuzung ihren charismatischen V8-Klang vermisst, hat keinen Gehörschaden. Stattdessen rasselt und klappert es sehr profan, die Verbrennungsgeräusche verraten damals ganz unübliche Dieselmotoren. Die bis zu 400 PS starken V8, etwa in einem Chevy, sind Vergangenheit, weil es keine Ersatzteile mehr gab und sie einfach zu durstig waren. Stattdessen laufen die meisten Straßenkreuzer mit Dieselaggregaten von Mercedes, Peugeot oder VM Motori. Die verbrauchen weniger und kommen wie die meisten anderen Teile aus Spanien.

Moderne Autos sieht man auf den Straßen von Havanna nur wenige. Hier und da unterbrechen Peugeot 301, VW Käfer oder ein paar neuere Hyundai-Modelle das Bild der historischen US-Automobile. Peugeot ist neben Hyundai und Mercedes einer der wenigen Hersteller, der in Kuba ernsthaft präsent ist. Der Marktanteil der Franzosen beträgt stattliche 15 Prozent. Laut IHS wurden in den letzten 20 Jahren jeweils 1500 bis 5000 Neufahrzeuge nach Kuba eingeführt. Außer Behörden und Militär wurden damit vor allem Ärzte und Hebammen, Künstler und Politiker versorgt. In den nächsten Jahren rechnen viele jedoch mit einem weitgehenden Aufbrechen des Handelsembargos. Bis zum Jahr 2020 könnten dann 15.000 bis 20.000 Fahrzeuge pro Jahr eingeführt werden. Geld ist im Ausland schließlich genügend vorhanden: 1,5 der zwölf Millionen Kubaner wohnen allein im Großraum Miami.

Hohe Preise helfen, den Bestand zu bewahren

Mit Pedro cruisen wir in seinem hellgrünen Chevy Bel Air von 1954 die Küstenstraße von Havanna entlang. Er biegt nach rechts in einen der Touristendistrikte. In Blinkern und Außenspiegel entflammen grelle LED-Blitze. „Habe ich erst gerade einbauen lassen. Klasse oder?”, lacht Pedro und klappt die rechte Sonnenblende herunter, „natürlich mit DVD-Player.” Die Kubaner sind autoverrückt. Spricht man Pedro auf seinen blitzblanken Bel Air an, kommt er nur auf Nachfrage auf den 2,8 Liter großen Toyota-Vierzylinder-Diesel unter der polierten Haube zu sprechen.

Nach der Revolution im Jahre 1959 dauerte es bis 2011, ehe die kubanische Regierung wieder Autohandel zwischen Privatleuten zuließ. Zuvor durften Kubaner nur dann ein eigenes Auto besitzen, wenn es vor 1959 eingeführt wurde. Seit 2014 dürfen Neufahrzeuge eingeführt werden, wobei der Staat das Einfuhrmonopol hält. Astronomische Preise sorgen dafür, dass sich jedoch auch weiterhin alles um die US-Klassiker dreht. Ein Peugeot 206 kostet nach Angaben der Analysten von IHS umgerechnet 90.000 Dollar. Verrückte Welt: elektrische Fensterheber sind übrigens ebenso gesetzlich verboten wie Benzinmotoren.

Jahrelang konnten sich die Kubaner mehr schlecht als recht die deutlich sparsameren Dieselmotoren für ihre Klassiker leisten, die dann 12 Liter Diesel statt der sonst üblichen 30 bis 35 Liter Benzin auf 100 Kilometer verschlangen. Doch seit sich Kuba in den vergangenen Jahren leicht zu öffnen beginnt, gibt es im Land von Che Guevara und des Bruderpaares Raul und Fidel Castro eine Rückbesinnung auf alte Traditionen. „Nichts gegen Diesel”, sagt Horge Hernandez, „doch mit diesen Motoren werden die Klassiker verschandelt. Schön, dass es jetzt wieder einen Trend zurück zu mehr Originalität gibt. Wir sind schließlich das einzige Land, in dem es diese Klassiker derart oft überhaupt noch gibt.” (fpi)