Motorrad des Jahres 2019

Seite 3: Alle Vorurteile entkräftet

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Dann kündigte Yamaha eine Nachfolgerin an mit dem Motor der MT-07. Gut, die altbekannte MT-07 hatte ich dieses Jahr bereits getestet und sie zeigte sich erneut als wunderbar agiler und flotter Landstraßenflitzer. Ihr 689-Kubikzentimeter-Zweizylinder ist ein echtes Sahnestück. Aber in eine Ténéré gehörte für mich ein Einzylinder, basta! Das Gewicht der neuen Ténéré bezifferte Yamaha auf vollgetankt 203 Kilogramm – ihre Vorfahrin brachte es auf schlanke 170 Kilogramm und das mit vollem 30-Liter-Fass. Und dann kam die Neue auch noch im Rallye-Gewand daher mit hoch aufragender Front. Eigentlich mag ich den Look, aber bislang bedeutete er: Spartanisches Sportgeräte ohne Alltagstauglichkeit.

Der ideale Antrieb

Doch schon auf den ersten Metern überraschte mich die Ténéré 700. Ihre dünn wirkende Sitzbank war bequem und die Fahrerposition, egal ob im Sitzen oder Stehen, passte wie angegossen. Die Yamaha ließ sich superhandlich dirigieren, sie folgte präzise jedem Befehl und selbst die eher groben Stollenreifen konnten das Kurvenvergnügen nicht trüben. Der Zweizylinder belehrte mich in kürzester Zeit bezüglich meiner Einzylinder-Präferenz eines Besseren: Er ist der ideale Antrieb für die Ténéré. Balanceakte bei Schrittgeschwindigkeit unterstützte der Motor durch samtweiche Gasannahme, plötzliches Aufreißen des Gasgriffs quittierte er mit heftigem Vorwärtsdrang.

Das Fahrwerk erschien mir zunächst mit 210 mm Federweg vorne und 200 mm hinten für den Geländeeinsatz etwas zu knapp geraten – doch wieder daneben gelegen! Die Ténéré 700 segelte anstandslos über holprige Waldwege und auf Schotterpisten zog sie unerschütterlich ihre Bahn. Gabel und Federbein arbeiteten sehr progressiv und schluckten so ziemlich alles weg. Auch ihr Gewicht von vier Zentnern wusste die Yamaha gut zu verstecken, subjektiv hätte ich auf wesentlich weniger getippt. Auf der Autobahn erreichte sie Tempo 193. Kein Pendeln, nicht einmal ein leises Zucken – die Ténéré lief verlässlich wie eine ICE geradeaus.

Schließlich blieb mir nur noch ein Kritikpunkt übrig: der 16-Liter-Tank. Nur wenig mehr als die Hälfte von einst. Ha, wenigstens hier konnte ich der neuen Ténéré einen Vorwurf machen! Ich hatte nicht mit der Sparsamkeit des Motors gerechnet. Erst nach 300 Kilometern suchte ich das erste Mal eine Tankstelle auf und da schwappte immer noch ein wenig Sprit im Tank. Mehr Reichweite brauchte es in Europa jedenfalls nicht. Das überzeugendste Argument lieferte aber das Preisschild: nur 9599 Euro. (fpi)