Kein Wunder

Akkutechnik: Neue Batterien in Entwicklung

Skepsis sollte jeder teilen, der von einem Durchbruch bei Batterien liest. Zu häufig gibt es vielversprechende Forschungsergebnisse, zu selten wird geliefert. Trotzdem ist es möglich, die zeitnahe Entwicklung vorauszusehen. Eine Revolution der Zellchemie bleibt vorerst aus

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alternative Antriebe, Elektroautos 3 Bilder
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Von
  • Christoph M. Schwarzer
Inhaltsverzeichnis

Als Jesus von den Toten auferstand, erschien er seinen Jüngern. Nur Thomas, so steht es im Johannes-Evangelium, war nicht dabei. Weil er aber darauf beharrte, nicht eher zu glauben, bis er „seinen Finger in die Male der Nägel“ Jesu legen könne, wird er der ungläubige Thomas genannt. Er bestand auf dem Beweis. Diese biblische Skepsis sollte jeder teilen, der von einem Durchbruch bei Batterien liest. Zu häufig gibt es vielversprechende Forschungsergebnisse, zu selten wird geliefert. Trotzdem ist es möglich, die zeitnahe Entwicklung vorauszusehen und zu beschreiben: Eine Revolution der Zellchemie bleibt vorerst aus. Eine permanente Evolution findet dagegen statt. Und das höchste Ziel ist die Kostenreduktion.

Das Batteriesystem eines Elektroautos ist aus vielen einzelnen Zellen zusammengebaut. Hier lassen sich drei Typen unterscheiden: Tesla nutzt Rundzellen mit zylindrischer Form. Die meisten Hersteller wie Volkswagen im e-Golf setzen auf prismatische Zellen, die wie eine kleine Box aussehen. Und vereinzelt sind Pouch-Zellen zu finden, die dem Namen entsprechend einem Beutel gleichen. Jaguar etwa verwendet sie im I-Pace (Test).

Mehr Kapazität = kürzere Ladezeit

Grundsätzlich hat jede Zelle eine eigene Kapazität (in der Einheit Wattstunden) und Leistung (angegeben in Watt). Wenn die Zahl der Zellen in einem Batteriesystem steigt, werden aus Watt(stunden) Kilowatt(stunden). Dann wächst einerseits die Reichweite proportional und – quasi als Nebenprodukt – die Leistung, die dem Elektromotor zur Verfügung steht. Das lässt sich sehr gut am Hyundai Kona EV (Test) ablesen. Er ist in seiner Klasse die Messlatte und steht repräsentativ für die Tendenz in der Branche.

Die Basisversion des Kona EV hat eine Kapazität von 39,2 kWh, was für eine Reichweite im WLTP von 289 Kilometern genügt. Die Motorleistung dieses Modells beträgt 100 kW. Zusätzlich bietet Hyundai den Kona EV mit einer größeren Batterie an, die eine Kapazität von 64 kWh hat. Dessen Aktionsdistanz liegt bei 449 km, und der Elektromotor leistet hier 150 kW.

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Eine Batterie, die mehr Leistung abgeben kann, ist zugleich in der Lage mehr aufzunehmen. Mit einer größeren Kapazität geht also eine höhere Ladeleistung an der Stromsäule und folglich eine höhere Ladegeschwindigkeit einher. Es ergibt sich automatisch ein doppelter lebenspraktischer Nutzen: Der Autofahrer kommt weiter, und wenn er laden muss, dauert das kürzer. Zusätzlich kann mehr Bremsenergie zurückgewonnen werden.

Hohes Gewicht und Rekuperation

Fans des Antriebs reden gerne über die Energiedichte der Batterie. Also über die Frage, wie viele kWh Strom sich in welchem Bauraum (volumetrisch) oder bei welchem Gewicht (gravimetrisch) speichern lassen. Diese Aspekte sind wichtig – aber das Problem der Energiedichte ist untergeordnet. Um beim Hyundai Kona EV zu bleiben: Mit 449 Kilometern Normreichweite lassen sich viele Nutzungsprofile abdecken – und das in einem eher kleinen Auto, das ungefähr das Raumangebot eines VW Polo (Test) hat. Der Platz für die Batterie ist vorhanden, und ein großer Fortschritt bei der volumetrischen Energiedichte wäre willkommen, jedoch nicht unbedingt notwendig.

Dass das Gewicht des Hyundai Kona EV von 1760 bis 1818 kg im Vergleich zum 1401 kg wiegenden Kona mit Verbrennungsmotor (Test) sehr hoch ist, wird wiederum teilweise durch die Bremsenergierückgewinnung („Rekuperation“) kompensiert. Eine bessere gravimetrische Energiedichte ist erstrebenswert, ohne extrem relevant zu sein. Der hohe Materialeinsatz beim batterieelektrischen Fahrzeug bleibt dennoch äußerst kritikwürdig.

Es ist absehbar, dass die einzelnen Zellen immer geschickter und enger in ein Batteriesystem gepackt werden. Zu Beginn dieses Jahrzehnts haben die Hersteller übergroße Sicherheitspuffer eingebaut. Diese können nun abgeschmolzen werden. Und weiterhin gilt, dass der Großteil des Gewichts auf die Verpackung entfällt. Wenn die Entwickler vom Know-how beim System sprechen, meinen sie unter anderem die Verbesserung des Verhältnisses von crashsicherer Verpackung (Aluminium, Stahl) zu elektrochemisch aktivem Material (Lithium etc.).

Noch gibt es Autos wie etwa den Volkswagen e-Golf oder den Nissan Leaf II, die ohne aktive Kühlung auskommen. Es ist offensichtlich, dass diese kostengünstige Auslegung schnell verschwinden wird. Der Grund dafür liegt in den immer dichter aneinander gepackten Einzelzellen sowie einer veränderten Zellchemie an der Kathode.

Geringer Kobaltanteil erfordert aktive Kühlung

Bei der Kathode werden oft Nickel, Kobalt und Mangan (NCM) eingesetzt. Kobalt ist wegen der tatsächlichen und der erwarteten Nachfrage teuer geworden, sein Preis schwankt extrem. Hyundai befürchtet sogar, dass es darum ab 2020 zu einer Kostenstagnation bei den Batterien kommen könnte. Außerdem werden rund zwei Drittel – Tendenz steigend – des Kobalts unter üblen Arbeitsbedingungen in der Demokratischen Republik Kongo gefördert.

In Serienautos konnte der Anteil des Kobalts bereits von einem Drittel auf 20 Prozent reduziert werden. Bei den Bezeichnungen werden die Mischverhältnisse von Nickel, Kobalt und Mangan angegeben: Aus NCM 111 wurde 622. Im kommenden Jahr startet die Produktion von 811-Akkus, also mit nur noch zehn Prozent Kobalt, die unter anderem im SUV Mercedes EQC 400 zum Einsatz kommen.

Weniger empfindlich

Dieses Übergangsmetall hat die positive Eigenschaft, die Zellen weniger temperaturempfindlich werden zu lassen. Wenn weniger Kobalt an der Kathode ist, wächst die Gefahr der Überhitzung der Batterie (Thermal Runaway), und die Lebensdauer sinkt auch. Die wirksame Gegenmaßnahme ist ein flüssigkeitsgekühltes Batteriesystem.

Das haben zum Beispiel sämtliche Teslas, der BMW i3 (Test) oder der Opel Ampera-e (Test). Die anderen werden nachziehen oder wie im Fall des Nissan Leaf hinnehmen müssen, dass die Batterie schnell warm wird und die Ladegeschwindigkeit aus Sicherheitsgründen herabgesetzt wird (#Rapidgate).

Der Preis für ein flüssigkeitsgekühltes Batteriesystem ist hoch und verkompliziert das vermeintlich simpel aufgebaute Elektroauto. Insgesamt ist es keineswegs trivial: Ein Audi e-tron (Test) etwa bekommt vier getrennt regelbare Kühl- und Heizkreisläufe. Das Batteriesystem inklusive Temperatur- und Spannungsmanagement, Ladegerät sowie Gleich- und der Wechselrichter bilden eine aufwendige und kostspielige Kombination. Einfach bleibt da nur noch der Motor.

Priorität hat die Kostensenkung

Es geht bei allen kommenden Batterieentwicklungen nicht in erster Linie darum, die größtmögliche Kapazität in einem Fahrzeug unterzubringen, sondern um Kostensenkung bei akzeptierter Reichweite. Bis 2025 werden die meisten Elektroautos evolutionär verbesserte Zellen mit wenig Kobalt haben, und die Systeme werden enger gepackt und flüssigkeitsgekühlt sein.

Das Unwort von der Wunderbatterie, meistens von den Gegnern des Elektroautos mit ironisch-spöttischem Unterton gebraucht, weicht der Realität. Beispiel Feststoff-Elektrolyt-Batterie: Sie ist besonders sicher und hat eine hohe Energiedichte. Außerdem erwarten die Unternehmen einen geringeren Stromverbrauch bei der Produktion. Selbst Forscher zweifeln aber an einem Serieneinsatz vor der zweiten Hälfte des nächsten Jahrzehnts. Probleme wie etwa die geringe Leitfähigkeit des Elektrolyten müssen erst im Labor beseitigt werden, bevor an die Massenproduktion gedacht werden kann. Währenddessen bleibt die konventionelle Lithium-NCM-Konkurrenz nicht stehen und wird wegen der Skaleneffekte hoffentlich billiger.

Preise müssen sinken

Der begrenzende Faktor bei der Traktionsbatterie des Elektroautos ist das Geld. Ein Hyundai Kona EV kostet mit 64 kWh-Akku, in mittlerer Ausstattung und mit Wärmepumpe ab 42.500 Euro. Einzige Extras sind das Schiebedach (600 Euro) und die Wunschfarbe (590 Euro). Berücksichtigt man die E-Prämie von 4000 Euro, ergibt sich also ein Endpreis, der inklusive Überführung und Zulassung bei knapp 40.000 Euro liegt. Das schmaler ausgestattete Basismodell wird für deutlich unter 20.000 Euro gehandelt. Die Preise müssen also weiter sinken, wenn das Elektroauto nicht nur für Strombegeisterte konkurrenzfähig werden will.