Neue Welle: 70 Jahre Citroën Typ H

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Während Experten den technischen Weitblick der Franzosen loben, schwelgen die Fans in der Erinnerung. Denn man muss den Typ H nur anschauen, dann kommen einem Bilder von provenzalischen Wochenmärkten, bretonischen Campingplätzen und atlantischen Strandpromenaden in den Sinn.

Die Leistung verlangt heute nach Geduld

Mit der Romantik ist es allerdings schnell vorbei, wenn man zum ersten Mal durch die bis 1968 gegenläufig angeschlagene Tür klettert und sich hinter das spindeldürre Lenkrad schwingt. Nicht nur, dass die Fahrleistungen des 1,6-Liter-Ottomotors mit seinen bis 1963 nur 40 PS (maximal 57 PS mit dem 1,9-Liter-Selbstzünder) nach heutigem Maßstab ziemlich gemütlich sind und man schon kräftig mit den drei Gängen arbeiten muss, wenn man den Typ H mal auf Tempo 100 bringen will. Bei Passfahrten in den Alpen wird den folgenden Fahrern einiges an Geduld abverlangt – meist bleibt man im ersten Gang und damit unter 30 km/h. Zu allem Übel dringt aus dem Kasten zwischen den Sitzen, unter denen sich der Vierzylinder redlich Mühe gibt, schon nach wenigen Minuten eine mächtige Hitze und der Duft von heißem Öl.

Auch das ist ein Grund, weshalb der Typ H mittlerweile selten geworden ist, sagt Citroën-Experte Joest. Obwohl in einer ungewöhnlich langen Bauzeit von 33 Jahren bis 1981 immerhin 483.308 Exemplare vom Band liefen, spielt der Kastenwagen auch in der Oldtimer-Szene nur eine Nebenrolle, heißt es in der deutschen Citroën-Zentrale in Köln. Die schätzt den deutschen Bestand auf gerade einmal 200 Fahrzeuge. Und dass der Typ H mit seinem hohen Aufbau in keine Normgarage passt, sondern nur in Gewerbehallen vor dem Zahn der Zeit geschützt werden kann, mache die Sache auch nicht leichter.

Unverwüstlich und leicht zu reparieren

Dabei hält der Experte zumindest die Antriebstechnik für ziemlich unverwüstlich und für leicht zu reparieren. Selbst die Ersatzteilversorgung sei nicht schlecht, Spezialisten in Holland beispielsweise sei Dank. Aber auch wenn der Typ H als Oldtimer eine Rarität ist, hat er sich aus dem Alltag noch nicht ganz verabschiedet. Im Gegenteil: Gelegentlich sieht man modernisierte Umbauten als Foodtruck auf Festivals und Märkten.

Citroën-Fans sehen das mit einem lachenden und einem weinenden Auge: Zum einen freuen sie sich, weil der Typ H damit im Straßenbild bleibt und selbst 70 Jahre nach seiner Premiere noch immer seine Wandlungsfähigkeit beweisen kann. Aber zum anderen ist jeder Foodtruck für die Sammler verloren, weil er nach dem neuzeitlichen Umbau keinen historischen Wert mehr hat.

Abhilfe für dieses Dilemma kommt womöglich aus Italien. Dort hat in diesem Jahr die Firma Caselani einen GFK-Anbausatz vorgestellt, mit dem man den Typ-H-Nachfolger Jumper optisch zur Wellblechhütte ummodeln kann. Allerdings hat diese Zeitreise auch ihren Preis: Denn schon ohne das Grundfahrzeug kostet das Bodykit für über 10.000 Euro deutlich mehr als ein Original. (fpi)