Schräglagen-ABS von Bosch als Software-Update

Schief liegen

Im Bosch-Testzentrum Boxberg wurde die Software vorgestellt, die der KTM 1190 Adventure zur bestmöglich geregelten Kurven-Vollbremsung verhilft, das MSC (Motorcycle Stability Control). "Magie!", sagen Tester, "Technik", erklären wir.

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Von
  • Clemens Gleich
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Stuttgart, 4. Oktober 2013 – Der Zulieferer Bosch hat die Software für sein Schräglagen-ABS fertiggestellt. Zum Dezember 2013 geht die KTM 1190 Adventure (Modelljahr 2014) damit zu den Händlern. Besitzer des 2013er-Modells können die Software zu diesem Zeitpunkt für 399 Euro nachkaufen und beim Händler einspielen lassen. Jetzt wurde das System auf Boschs Testgelände bei Boxberg präsentiert. Die Fahrermeinungen sind dabei sehr positiv gewesen: „Magie!" Wie SF-Leser wissen, ist „Magie" nur ein Synonym für „gut funktionierende Technik", und die ist folgendermaßen aufgebaut:

Schieflage: das Problem

Zunächst mal der grundsätzliche Unterschied zwischen einem Auto-ABS und einem Motorrad-ABS: Ein Auto-ABS sollte schon seit seinen Anfängen nicht nur den Bremsweg verkürzen im Vergleich zu vier blockierten Rädern, sondern das Fahrzeug gleichzeitig lenkbar halten (die Räder drehen sich im Schnitt noch). Beim Motorrad dagegen sollte von Anfang an vor allem die völlige Radblockade vermieden werden. Ein Einspurfahrzeug stabilisiert sich durch die Kreiselkräfte der Räder und die Seitenführungskräfte der Reifen von selbst dynamisch. Bei einer Radblockade brechen diese Stabilisierungen fast zur Gänze zusammen, sodass dieser sehr instabile Fahrzustand häufig zum Sturz führt. Es reicht dabei schon eine Blockade nur des Vorderrads, denn das trägt bei langsamen bis mittleren Geschwindigkeiten die Stabilisierung praktisch allein. Ein Motorrad-ABS wird daher üblicherweise so abgestimmt, dass eine stark fallende Drehzahlamplitude erkannt wird und ein gutes Stück VOR dem Radstillstand durch Öffnung der Bremse ausgeregelt wird. Kurz gesagt: Man stellt das ABS fürs Motorrad absichtlich weicher ein. In Kurven jedoch wurde es schwierig für das ABS.

Zur Erklärung ziehen Fahrlehrer meistens den Kamm'schen Kreis heran. Der ist im Prinzip ein geometrisches Modell, das zeigt, wie viel Querkräfte (Seitenführung) bei welchen Längskräften (Beschleunigen & Bremsen) möglich sind und vice versa. Das dem Menschenverstand schwer intuitiv Greifbare ist dabei, dass in den Bereichen unterhalb maximaler Querkräfte meistens noch viel mehr Beschleunigung und Bremsen möglich ist, als man denkt. Gleichzeitig kann eine einzelne Lastspitze schon der Sturzgrund sein. Ein gutes Kurven-ABS muss daher den Kamm'schen Kreis algorithmisch abbilden und deshalb eine ungefähre Ahnung der aktuellen Schräglage haben. Zusätzlich darf es keine steilen Bremsdruckamplituden mehr erzeugen, denn jedes Bremsmoment am Vorderrad erzeugt ein Aufstellmoment, das der Fahrer am Lenker gegenhalten muss. Das starke Pulsieren früherer ABS war deshalb in Schräglage ähnlich sturzwahrscheinlich wie ein in der Kurve überbremstes Vorderrad. Die Hardware, diese Probleme zu lösen, gibt es längst.