Strategien auf dem Motorradmarkt

Seite 3: Das E-Krad wird Harley vorerst nicht retten

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Weil Harley-Davidson daraufhin versprach, die zusätzlichen Kosten nicht an die Kunden weiterzugeben, verkleinert sich der Gewinn aus dem Europa-Geschäft deutlich. Dass sich Harley-Davidson nun ausgerechnet einen chinesischen Partner genommen hat, dürfte US-Präsident Donald Trump zusätzlich verärgert haben, bekanntlich führt er einen heftigen Handelskrieg gegen die Volksrepublik China.

Der Markt der E-Motorräder ist noch nicht tragfähig

Aufsehen erregte die letztes Jahr vorgestellte Harley-Davidson LiveWire (Test), ein Elektro-Motorrad im Stil eines Naked Bikes. Abgesehen von dem exorbitanten Preis von 32.990 Euro, litt die LiveWire darunter, dass sie bereits kurz nach der Auslieferung im Herbst 2019 die erste Rückruf-Aktion erlebte, wegen Problemen mit dem Ladegerät.

Die Zentrale in Milwaukee hat mindestens ein weiteres Elektro-Motorrad für die nächsten Jahren angekündigt sowie kleine Elektro-Bikes, die eher Fahrrädern ähneln. Harley-Davidson meint es ernst mit den Elektro-Motorrädern und hofft auf einen florierenden Markt in der urbanen Mobilität. Doch selbst der weltweit größte Elektromotorrad-Hersteller Zero Motorcycles (Test) aus Kalifornien setzt pro Jahr kaum mehr 1500 Stück in den USA ab. Es ist daher eher unwahrscheinlich, dass Harley-Davidson in absehbarer Zeit auf hohe Stückzahlen bei den Elektromotorrädern kommt.

Reiseenduro mit eigenwilliger Optik

Ebenfalls auf ganz neues Terrain wagt sich Harley-Davidson mit seiner ersten Reiseenduro, der Pan America, die Ende des Jahres auf den Markt kommen soll und vor allem auf den europäischen Markt abzielt. Sie wird einen ganz neuen, wassergekühlten 60-Grad-V2 mit 1250 Kubikzentimeter bekommen und 145 PS leisten. Das klingt zwar vielversprechend, jedoch muss ihre eigenwillige Optik schon jetzt heftig Kritik einstecken. Ob sich die Harley-Enduro gegen den Bestseller BMW R 1250 GS (Test) und die beliebten KTM 1290 Super Adventure und Ducati Multistrada 1260 behaupten kann, ist zumindest fraglich.

Neuer Motor für die Mittelklasse

Mit der Bronx will Harley-Davidson in ein weiteres neues Segment vorstoßen. Die Marketing-Abteilung bezeichnet die Bronx zwar als Streetfighter, doch dafür fehlen ihr die typischen Attribute wie etwa ein steil nach oben ragendes Heck. Stattdessen kommt sie als vergleichsweise braves, aber durchaus ansprechendes Naked Bike daher.

Angetrieben wird sie vom „Revolution Max“ – einem neuen, wassergekühlten V2-Motor mit 975 Kubikzentimeter, der 115 PS leistet. Auch die Bronx wird auf etablierte Konkurrenz stoßen, die Kawasaki Z 900 zum Beispiel ist in Europa ein Bestseller und die neue KTM 890 Duke R dürfte sich auch gut verkaufen. Harley-Davidson hingegen hat in dem Segment wenig Erfahrung und wird sich schwer tun, hier Fuß zu fassen.

Fazit

Wie Michail Gorbatschow einst sagte: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“ KTM hat sich vom Nischen-Hersteller durch weitsichtige Strategien und hoher Modellvielfalt zu Europas größtem Motorradhersteller gemausert. Harley-Davidson dagegen versucht jetzt sehr spät mit einem Gewaltakt in relativ kurzer Zeit aufzuholen, was sie über Jahrzehnte versäumt haben. Die ersten Ansätze der US-Marke lassen hoffen, aber ob die Bemühungen von Erfolg gekrönt sein werden, wird sich erst noch zeigen müssen. (fpi)