Test: Audi A5 Sportback g-tron

Inhaltsverzeichnis

Die rote Fließhecklimousine, die mit ihren cool gemeinten Verlaufsblinkern ihre Öffnung signalisiert, ist kein normaler Audi. Hinter dem Schriftzug „g-tron“ verbirgt sich eine interessante Alternative zu Benziner und Diesel. Ein Test soll zeigen, wie weit man im Alltag mit dem Erdgas-Audi kommt.

Auf den ersten Eindruck wirkt der Audi nüchtern und unspektakulär. Im Fahrersitz mit manueller Sitzverstellung hat man in Sekunden eine perfekte Position gefunden. Die bequemen, aufpreispflichtigen Sportsitze verdienen ein großes Lob. Der Test-Sportback war mit den serienmäßigen klassischen Runduhren ausgestattet, die einwandfrei abzulesen sind. Die LED-Balkengrafik für die beiden Tankanzeigen (Erdgas und Benzin) finde ich persönlich nicht so leicht erfassbar wie ein Zeigerinstrument. Statt der Wassertemperaturanzeige eine zweite Tankanzeige einzubauen, ist eine elegante Lösung. Die polychrome Bordcomputer-Anzeige im Kombiinstrument gibt keine Rätsel auf.

Nüchtern

Angenehm hoch im Blickfeld ist der zentrale Bildschirm montiert, der die mannigfaltigen Steuerungen der Infotainmenteinheit per Dreh-Drück-Steller, Touchpad, Menütasten und frei belegbaren Tasten visualisiert und bündelt. Das gesamte Ambiente mit Leder-Alcantara-Kombination und silbergrauen Leisten als Beplankung von Armaturenbrett und oberer Türverkleidung wirkt sachlich nüchtern, ja geradezu schmucklos. So wenig aufregend muss der deutsche Dienstwagen wohl sein.

Dienstfertige Technokratie

Man fühlt sich in seiner dienstfertigen Technokratie entspannt. Hier geht es noch um das Fahren und nicht darum, wie man Designpreise verdient oder Instagram lädt oder twittert. So etwas wie Noblesse stellt sich durch die ersklassige Verarbeitung der haptisch optimierten Materialien ein. Einen Ausrutscher leistet sich Audi auf der Rückseite der vorderen Kopfstützen. Dort ist der selbe billige Kunststoff verbaut wie im Passat. Soweit so gut, wir befinden uns also in einem ganz normalen Audi.

Kaum da, schon wieder weg

Der unscheinbare Schriftzug „g-tron“ auf dem Heckdeckel verrät uns, dass wir in einem Auto sitzen, an das wir gar nicht mehr glauben wollten. Seit der Giulia von Alfa Romeo hat uns die Vorstellung eines zig-fach angekündigten Fahrzeugs nicht mehr so überrascht. Der A4 Avant g-tron, die Kombivariante des A5 Sportback, wurde drei Jahre lang angekündigt und immer wieder verschoben. Hinter dem Zusatz „g-tron“ verbirgt sich der alternative Antrieb mit Erdgas bzw. CNG (compressed natural gas). Jetzt sind er und sein Coupéableger also endlich da? Nein, sie sind schon wieder weg. Wie ein Hinweis auf der Audi-Kundenseite mitteilt, ist das g-tron-Kontingent für 2018 schon wieder ausverkauft. Einen kleinen Widerspruch zu vollmundigen Bekundungen, den Erdgas-Anteil auf deutschen Straßen erhöhen zu wollen, könnte man da wohl entdecken. [Zusatz] Audi plant, die g-tron-Modelle ab dem dritten Quartal 2018 wieder auf den Markt zu bringen.[/Zusatz]

Nachhaltiges „e-gas“

Erdgas kann zu 80 Prozent klimaneutral gewonnen werden, wie Audi mit seiner „e-gas“-Offensive zeigt. In dem sogenannten „power to gas“-Verfahren kann durch hohen Stromeinsatz Erdgas aus Wasser, CO2 sowie Reststoffen wie Stroh und Grünschnitt gewonnen werden. Unter der von Audi garantierten Voraussetzung, dass ausschließlich Ökostrom verwendet wird, lässt sich so eine hervorragende Klimabilanz erzielen. Ziel ist, CO2 in der gleichen Menge zu verarbeiten, wie es in den Verbrennungsmotoren entsteht.

Einspeisung

Audi betreibt eine dieser Vorzeigeanlagen in Werlte in Niedersachsen und verweist auf mehrere Anlagen europaweit. Die g-tron-Kunden, die schon bestellt haben, erhalten drei Jahre lang e-gas ab der Zulassung des Fahrzeuges. Der Kunde tankt konventionelles Erdgas wo er will. Audi speist die gleiche Menge zu 80 Prozent klimaneutral gewonnenes e-gas in das Netz ein und verarbeitet dabei so viel CO2 wie beim Betrieb des g-tron-Audis entstanden ist. Zu Anfang wurde die getankte Menge Erdgas über eine Tankkarte ermittelt. Später geschah das für den Fahrer unmerklich durch Auswertung der Servicedaten und statistische Erhebungen. Der TÜV Süd überwacht und zertifiziert das Verfahren. Leider ist diese e-gas-Offensive jetzt sang- und klanglos ausgelaufen. [Zusatz] Audi plant nach eigenen Aussagen, A4 Avant und A5 Sportback g-tron ab drittem Quartal 2018 wieder anzubieten. Gleichzeitig soll eine Nachfolgeregelung der e-gas-Offensive vorgestellt werden. [/Zusatz]

Schade, denn durch die umweltfreundliche e-gas-Offensive kombinierte der A5 Sportback als g-tron auf sehr harmonische Weise Yuppie und Hippie. Vier Gastanks aus Kunststoff (nicht aus Stahl) sind im Heck des A5 Sportback integriert und werden durch einen 25 Liter großen Benzintank ergänzt. Das kostet 90 Liter Kofferraumvolumen. In Normalstellung stehen im Sportback 390 statt 480 Liter zur Verfügung. Durch das zusätzliche Gewicht im Hinterwagen hat der Gaswagen einen niedrigeren Schwerpunkt und eine ausgeglichenere Gewichtsverteilung als der konventionelle A5. Das Fahrverhalten wird geringfügig besser als bei der konventionellen Verbrennervariante.

19 kg für 500 km - theoretisch

Audi spricht davon, dass der Erdgasvorrat von 19 kg für 500 km reichen soll. In der Praxis wurde ich aber spätestens nach knapp 270 km vom Bordcomputer dringend gebeten, Erdgas zu tanken. Denn die Tankanzeige ist sehr übervorsichtig und schickt einen schon lange bevor der Erdgastank leer ist zum Tanken. Nach einer reinen Stadtverkehrphase kam dieser Hinweis sogar schon nach 184 km. Gleichzeitig fragte mich das Navigationssystem fürsorglich, ob es mich zur nächsten Erdgastankstelle leiten solle.

Paradoxes Navi

Das ist an und für sich eine klasse Sache. Nervig fand ich aber folgendes Szenario. Man gibt über die Sonderzielsuche manuell die Fahrt zur nächstgelegenen Erdgastankstelle ein. Bordcomputer und Tankanzeigen funktionieren im Audi ganz wunderbar und der vorausschauende Fahrer wird sich schon vor dem völligen Leerstand der Gastanks über die Sonderzielsuche auf den Weg zur nächsten Erdgastankstelle machen. Dann wird aber die Navigation ebendort hin unterbrochen, mit dem Hinweis, dass der Tank fast leer sei. Es folgt die Frage, ob einen das Navigationssystem zur nächstgelegenen Erdgastankstelle leiten solle. Aber dahin ist man ja gerade unterwegs. Wenn man jetzt auf “ja” tippt, wird die Navigation unterbrochen und wieder neu aufgesetzt. So ein Programmierfehler ist bei einem über 2800 Euro teuren Navigationssystem etwas peinlich.

Noch Lücken

Die Anzahl der Erdgastankstellen in Deutschland wird auf der Presseseite der Initiative Zukunft Erdgas der deutschen Erdgaswirtschaft aktuell mit über 900 Stück angegeben. Bis 2025 sollen es durch eine Initiative von Volkswagen und mehreren anderen Partnern 2000 Stück werden. Ich hatte kaum Probleme damit, meine täglichen Fahrten in und um München im reinen Erdgasbetrieb zurückzulegen. Nach einem Ausflug ins bayerische Oberland musste ich jedoch einen großen Umweg in Kauf nehmen, weil ich dem hilfsbereiten Navi zur „nächsten“ Erdgastankstelle folgte. Sehr hilfreich wäre eine Funktion, die nächste Erdgastankstelle auf der Wegstrecke ansteuern zu können. Das würde den Alltagsbetrieb wahnsinnig erleichtern. Im Moment ist vor der Anschaffung eines Erdgasfahrzeuges aber die gründliche Recherche des Tankstellennetzes auf den täglichen Routen geboten. Dabei helfen aber Apps wie Gas24 oder Erdgas.info. Auch die App “Erdgastankstellen Deutschland” von der “Zukunft Erdgas GmbH” ist sehr hilfreich.

Der Zweiliter-Vierzylinder verfällt sofort nach dem Start in einen kaum hörbaren, vibrationsarmen Leerlauf. Der Erdgasbetrieb machte neue Kolben und Ventile notwendig. Ein elektronischer Regler verringert den Hochdruck des vom Tank einströmenden Gases. Insgesamt wurden 29 Teile am Motor verändert. Die g-tron-Modelle von A4 und A5 erreichen damit eine Leistung von 170 PS und ein maximales Drehmoment von 270 Nm bei 1650/min.

Nicht dröge

Erfreulich unspektakulär setzt sich das rote „Avantcoupé“ in Bewegung. Meine Erfahrungen mit Erdgasautos beschränkten sich bislang auf VWs, die mir als dröge Spaßbremsen in Erinnerung geblieben sind. Vor etwa zehn Jahren fuhr ich mal einen Touran EcoFuel mit Zweiliter-Saugmotor und 109 PS, der sich sehr zäh und uninspiriert anfühlte. Leider erinnerte kürzlich ein Polo TGI genau an diese Zähigkeit des Erdgasautos. Im Vergleich mit der lebensbejahenden Quirligkeit eines ähnlich starken Seat-Ibiza-Benziners mit gleicher Antriebsbasis war das geradezu erschreckend. Die Zähigkeit der Erdgasmodelle liegt zum Teil in der bivalenten Auslegung der Erdgasmodelle für Benzin- und Erdgasbetrieb begründet, die das lückenhafte Tankstellennetz notwendig macht. Könnte man das Fahrzeug monovalent auf reinen Erdgasbetrieb auslegen, wäre im Gegenteil eine Effizienz und Leistungsabgabe möglich, die vergleichbare Benziner in den Schatten stellte.

Linear

Trotz seiner Bivalenz setzt sich der Audi kraftvoll in Bewegung. Die Beschleunigung ist gleichmäßig druckvoll über das gesamte Drehzahlband. Der Vierzylinder hängt gut am Gas, ohne in einem Drehzahlbereich besonders druckvoll zu sein. Das wirkt sehr rund und linear, es passt einfach. Nur ganz selten drehen beim Ampelstart schreckhaft-hysterisch die Vorderräder durch.

Das Doppelkupplungsgetriebe, das im Testwagen gegen Aufpreis anstatt des serienmäßigen Sechsgang-Schaltgetriebes verbaut ist, fügt sich in die unauffällige geschliffene Fortbewegung ein. Es arbeitet ebenso effizient und unauffällig wie der gesamte Antriebsstrang. Allenfalls bei höheren Geschwindigkeiten wirkt der Audi ein wenig zugeschnürt.

Aber schließlich freuen wir uns beim g-tron daran, dass er dynamische Fortbewegung mit einem relativ emmissionsarmen Antriebskonzept verbindet. Audi verspricht im bald alten NEFZ einen Verbrauch zwischen 3,8 und 4,1 kg Erdgas auf 100 km. Im Test kamen wir auf einen Durchschnittsverbrauch von 6,6 kg Erdgas auf 100 km. Das lässt sich nicht hunderprozentig seriös auf die Vergleichsgröße Liter Benzin pro 100 km übertragen. Es kommt ein Vergleichswert zwischen 8 und 10 Litern für den Testdurchschnitt heraus. Mit Schleichfahrt auf der Landstraße ließ sich der Gasverbrauch auf 5 kg pro 100 km drücken. Im reinen Stadtverkehr verzeichneten wir 7,7 kg Gas pro 100 km. Für das Kilogramm Erdgas zahlten wir in München und Umgebung durchschnittlich 1,13 Euro.

Beim Sparen hat man ein gutes Gewissen, denn man wähnt sich ja vergleichsweise wenig umweltschädlich unterwegs. Der Blick in den Fahrzeugschein scheint dem zwar zu widersprechen. Dort wird die Euronorm 6b ausgewiesen, die ab September diesen Jahres für Neuwagen nicht mehr zulassungsfähig ist. Der g-tron hat keinen Ottopartikelfilter. Allerdings entstehen im Gasbetrieb weitaus weniger Feinstaubpartikel als im Benzinbetrieb. Außerdem ist davon auszugehen, dass ein entsprechendes Nachfolgekontingent des g-tron mit einem Ottopartikelfilter ausgestattet sein wird.

Das Fahren selber macht viel Freude. Mir persönlich könnte die Lenkung zwar etwas mehr Rückmeldung geben. Das ist eine Geschmackssache, die mir bis jetzt noch bei jedem Audi aufgefallen ist. Die gesunde Härte des optionalen Sportfahrwerks fand ich jedoch nicht unangenehm. Meinem Kollegen Martin gefiel weniger, dass der Audi in ständiger Bewegung ist. Die Rückbank wartet mit einem klassenüblichen Platzangebot auf. Durch eine lange Sitzfläche und ergonomische Lehnenneigung ist sie aber ausgesprochen bequem.

Dachkontakte

Gerade mit dem „höhergelegten“ Kofferraumboden des g-tron wird der Nachteil des abfallenden Sportback-Fließhecks beim Beladen noch deutlicher. Vielleicht ist gerade als g-tron der Avant die bessere Wahl. Ein weiterer Punkt, der gegen den vielleicht hübscheren Sportback spricht, ist seine noch riesigere Heckklappe, die sich in normalen Garagen nicht mehr öffnen lässt. Diese schmerzvolle Erfahrung musste ich machen, als sich die Heckklappe „von selbst“ öffnete und das Dachlicht in meiner Garage durchschlug. Ich hatte mich hingekniet, um meine Schuhe zu binden und dabei löste der Schlüssel ungewollt die Heckklappenöffnung aus. Herzlich lachen musste ich, als ich die Tachometerskala zum ersten Mal genauer betrachtete. Ein Tachometer bis 300 km/h ist bei diesem alternativen Business-Express ein wenig deplatziert. Obwohl die Werksangabe von 224 km/h respektabel ist.

Momentan ausverkauft

Der g-tron ist momentan leider ausverkauft. [Update:] Audi plant nach eigenen Angaben, den A5 Sportback g-tron und den technisch baugleichen A4 Avant g-tron ab drittem Quartal 2018 wieder anzubieten. [/Update] Zuletzt kostete er 1650 Euro mehr als ein 190-PS-TFSI mit mehr Kofferraum. Unser Testwagen kam mit einer guten, aber nicht übertriebenen Ausstattung auf über 53.000 Euro. Wenn man mit der Tankstellensituation zurechtkommt, sollte einem die Nachhaltigkeit sowohl Mehrpreis als auch Minderleistung wert sein.