Doppelpass

Test: Mercedes GLC F-Cell

Der Mercedes GLC F-Cell ist ein Plug-in-Hybrid, bei dem der Fahrer die Wahl hat, ob er den Strom aus der Batterie bezieht, die sich extern aufladen lässt, oder ihn im Auto über eine Brennstoffzelle erzeugt. Das klingt spannend und überzeugt im Alltag. Ein Test

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Mercedes GLC F-Cell 14 Bilder
Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Christoph M. Schwarzer
Inhaltsverzeichnis

Die Autowelt hat sich entschieden: Der batterieelektrische Antrieb löst den Verbrennungsmotor ab. So zumindest scheint es aktuell. Audi liefert den e-tron quattro aus. Mercedes startet in der zweiten Jahreshälfte den EQC 400 als direkten Konkurrenten im SUV-Segment. Volkswagen-Boss Herbert Diess fordert gar, die Technologieoffenheit als Grundprinzip des Handelns aufzugeben und stattdessen ausschließlich aufs Batterieauto zu setzen. Er sollte sich den Mercedes angucken. Nicht den kommenden EQC, sondern den GLC F-Cell. Ein Elektroauto, das mit Strom aus einer Brennstoffzelle fährt. Gleichzeitig ist er Plug-in-Hybrid, denn seine Batterie lässt sich extern aufladen. Der F-Cell funktioniert exzellent, ist äußerst komfortabel, autobahntauglich, und nach dem Einstieg stellt sich das traditionelle Markengefühl ein. Das dürfte etlichen Interessenten durchaus etwas wert sein.

Der F-Cell-Nutzer kann entscheiden, ob er den Strom aus der Batterie bezieht, die sich extern an der Ladestation oder der heimischen Steckdose aufladen lässt, oder ihn im Auto über eine Brennstoffzelle erzeugt. Die Batterie fasst 9,3 Kilowattstunden (brutto: 13,5 kWh), die beiden Tanks 4,4 kg Wasserstoff. Im Test über 752 Kilometer sind wir meistens Autobahn gefahren, was die Brennstoffzelle zum hauptsächlichen Energieerzeuger gemacht hat. Dieser Einsatzzweck zeigt bereits, wo die Chance dieses Systems liegt: Im Pendelbetrieb zur Arbeit, bei der ländlichen Tour zum Supermarkt oder dem Sportverein sind kleine Batterieautos wie der Renault Zoe (Test) und der Honda Urban EV ideal. Wenn aber große Fahrzeuge lange Strecken bewältigen sollen, ist die Brennstoffzelle überlegen.

Zelle als Zuheizer

Wir haben den Mercedes GLC F-Cell zu Beginn geladen. In Hamburg hat das den Vorteil, an einer öffentlichen Ladesäule gleichzeitig einen Parkplatz zu haben. Die Ladeleistung liegt hier bei 7,4 kW; in spätestens 1,5 Stunden ist die Batterie voll. Reinsetzen, los geht es: Bei tagsüber frühlingshaften Temperaturen und niedriger Stadtgeschwindigkeit kommt der Strom für den 155 kW starken Elektromotor (365 Nm Drehmoment) zunächst aus der Batterie. Das lässt sich im Zentraldisplay ablesen, wo der jeweilige Momentanverbrauch aus den Speichern im Zusammenspiel gezeigt wird. Bis zur Grenze von Deutschlands zweitgrößter Stadt fährt der F-Cell vorwiegend mit Strom aus der Batterie – nur nach einer kalten Nacht konnten wir beobachten, dass die Brennstoffzelle kurz lief, um mit ihrer Abwärme die Heizung zu versorgen.

Beim Beschleunigen auf der Auffahrt zur Autobahn boostet die Batterie nochmals – wie immer, wenn die maximale Leistung gefordert wird. Das führt im Vergleich zum Hyundai Nexo (Test) und dem Toyota Mirai (Test) zu einer höheren Agilität: Zwar bringt die große Batterie des Mercedes Nachteile beim Packaging und dem Gewicht mit sich. Andererseits hat sie mehr Leistung, die auch schneller abrufbar ist. Gleichzeitig sorgt sie dafür, dass die Brennstoffzelle möglichst häufig im Teillastbereich arbeitet. Hier fühlt sie sich am wohlsten.

Wie ein Diesel

Autobahnen sind die Domäne des Mercedes GLC F-Cell. Die Geräuschdämmung ist herausragend und der Elektromotor läuft ohnehin vibrationsfrei. Wir halten die Tempolimits ein und stellen die automatische Geschwindigkeitsregelung auf 160 km/h, wo es keine Begrenzung gibt. Mehr geht nicht – der große Mercedes ist abgeregelt. Das mag für die hiesigen Verhältnisse etwas dürftig erscheinen, global spielt es keine Rolle. Wie lange dies in Deutschland noch der Fall ist, wurde gerade einmal wieder leidenschaftlich diskutiert. Für ein 2,1 Tonnen schweres, sehr leises Auto mit 255er-Reifen sind 160 km/h so etwas wie lockeres Cruisen.

Unterstützt wird der hohe Komforteindruck durch die fein regelnden Fahrassistenzsysteme. Die Auslegung des adaptiven Tempomaten zum Beispiel wirkt sehr natürlich. Der Spurhalteassistent reagiert erst, wenn es notwendig ist. So soll es sein – unmerklich und unaufdringlich.

Schnell nachgeladen

Der qualitative Unterschied zwischen einem Brennstoffzellen- und einem batterieelektrischen Antrieb ist auf der Autobahn besonders spürbar: Sorgenvolle Gedanken an die nächste Ladesäule, an die notwendige Wartezeit oder eventuell besetzte Ladeplätze – es gibt immer mehr Elektroautos – sind im F-Cell passé. Derzeit wird fast jede Woche eine neue Wasserstofftankstelle eröffnet: Falls eine entlang der Route liegt, nutzt man sie. In gestoppten drei Minuten ist der H2-Tank voll.

Die anfänglichen Schwächen der Infrastruktur waren im einwöchigen Testzeitraum nicht feststellbar. Alle H-Tankstellen funktionierten. Der Vorgang selbst ist so, wie es der Gesetzgeber für gasförmige Kraftstoffe vorschreibt: Mit einem grünen Knopf wird die Befüllung gestartet und entweder über einen roten Knopf manuell gestoppt oder automatisch, wenn nichts mehr reingeht. Die Bezahlung erfolgt über eine einheitliche Karte. Das würde sich so mancher an der Ladesäule wünschen. Dazu kommt, dass die Tankstellen selbst jetzt schon einen weltweit(!) gültigen Standard haben. Im Vergleich zum Elektroauto sind das geradezu traumhafte Verhältnisse, trotz der beträchtlichen Verbesserungen der E-Auto-Infrastruktur in den vergangenen Jahren.

Zum Verbrauch

Bei Richtgeschwindigkeit nimmt der Mercedes GLC F-Cell mit 1,5 kg Wasserstoff pro 100 Kilometer etwas mehr als der Hyundai Nexo (1,3 kg). Bei einer gelassenen Bundesstraßentour waren es 0,9 kg auf 100 km. Weil wir den F-Cell für längere Fahrten und oft bis zur Höchstgeschwindigkeit genutzt haben, lag der Testdurchschnitt bei 1,6 kg. Daraus resultieren 275 km Reichweite aus der Brennstoffzelle, zu der sich rund 30 Kilometer aus der Batterie addieren. Der reine Stromverbrauch lag bei etwa 28 kWh auf 100 km. Also gut 300 km im Volllastmodus. Bei gemäßigter Fahrweise dürften es locker über 400 km werden. Entscheidend bei einem Brennstoffzellen-Fahrzeug ist, wie bei einem Auto mit Verbrennungsmotor, jedoch nicht die mögliche Aktionsdistanz, sondern die Verfügbarkeit einer Tankstelle.

„Recht wenige“ für monatlich 799 Euro netto

Mercedes wird dafür kritisiert, keine offiziellen Stückzahlen zum GLC F-Cell zu veröffentlichen. Es werden, so heißt es aus der Pressestelle, im Vergleich zum batterieelektrischen EQC „recht wenige“ sein. Es gibt außerdem keinen Verkauf, sondern lediglich ein Leasingangebot: Für 799 Euro netto im Monat bekommt der Kunde alles außer den Wasserstoff, der zurzeit noch zum Einheitspreis von 9,50 Euro pro kg angeboten wird, obwohl die Kosten weit darunter liegen.

Es gibt wohl kaum einen Autohersteller, der die Brennstoffzelle so konsequent und langfristig entwickelt hat wie Mercedes. Dass der gute Stern auf allen Straßen nun zuerst die batterieelektrische Lösung als EQC in größeren Stückzahlen verkauft, wirkt opportunistisch: Elon Musk macht es mit Tesla vor. Also bietet Mercedes ein Wettbewerbsprodukt an, bevor man noch mehr Marktanteile verliert. Diese Strategie ist einerseits notwendig. Andererseits könnte sich Mercedes zusätzlich auf die eigenen Stärken verlassen.

Die Gegner des batterieelektrischen Fahrens konzentrieren sich in ihrer Argumentation auf die im Vergleich schlechte Energieeffizienz der Brennstoffzelle. Sie haben recht. Oft vergessen sie dabei jedoch geflissentlich, dass es viel simpler ist, große Energiemengen aus Wind- und Sonnenkraft zu erzeugen, als die immensen Materialmengen zu fördern, die für die Batterie notwendig sind. Der Spiegel des Materialbedarfs ist das Leergewicht: Der F-Cell kommt auf 2,1 Tonnen und gehört damit zum Segment der übergewichtigen SUVs.

Der kommende batterieelektrische EQC bringt bereits 2,4 t auf die Waage. Der nicht minder schwere Audi e-tron kommt bei Realmessungen des Youtubers Björn Nyland mit 2,7 t sogar auf die Masse des Tesla Model X (Test). Neben der Energie- gibt es eine Ressourceneffizienz, und die ist bei großen SUV-Batteriefahrzeugen mangelhaft. Um Missverständnissen vorzubeugen: Beim Mercedes F-Cell ist sie nicht etwa gut, sondern einfach nur weniger schlecht. Mit solchen Modellen die Individualmobilität argumentativ verteidigen zu wollen, ist absurd.

Das zweite Tesla-Erlebnis droht

In Relation wirkt der Hyundai Nexo mit knapp 1,9 t geradezu zierlich. Aus meiner Perspektive hat er auch das klügere Antriebskonzept: Die schwere und voluminöse 9,3 kWh-Pufferbatterie im Benz ergibt zu wenig Sinn. Der Hyundai mit seiner 1,6 kWh-Batterie verzichtet auf die externe Ladefähigkeit und hat im Gegenzug mit 6,3 kg einen 43 Prozent größeren Wasserstofftank. Er lässt sich flexibler nutzen und wirkt schlüssiger, was kaum verwundert, weil die Südkoreaner bereits die zweite Generation dieser Fahrzeuge bauen. Das ist eigentlich auch bei Mercedes so. Aber der GLC F-Cell lässt sich kaum als Nachfolger der B-Klasse F-Cell aus dem Jahr 2010 betrachten.

Die asiatischen Industrienationen China, Japan und Südkorea verfolgen bei der Elektrifizierung des Verkehrs längst eine Doppelstrategie: Sie setzen nicht auf die Batterie oder die Brennstoffzelle, sondern auf beides. Die deutsche Autoindustrie hat das intern selbstverständlich erkannt, ein verlässliches Handeln ist trotzdem nicht erkennbar. Zaudern und zuschauen scheint die Devise. Falls sich das nicht ändert, folgt bald das zweite Tesla-Erlebnis.

Für sich betrachtet verkörpert der Mercedes GLC F-Cell den Markenkern überzeugend. Herausragende Qualität, maximaler Komfort, höchste Solidität. Wer sein elektrisches SUV nicht nur zum Einkaufen, sondern auch für weite Reisen nutzen will, sollte den F-Cell in einem der sieben deutschen Stützpunkte zur Probe fahren. Er ist im Alltag souverän und auf der Autobahn praxistauglicher als jeder batterieelektrische Pkw. Die Brennstoffzelle ist die Mercedes-Lösung. Es wäre unverständlich, wenn die Daimler AG das Potenzial dieser Technik nicht stärker nutzt.

Mercedes hat den Testwagen inklusive Wasserstoff-Tankkarte kostenfrei zur Verfügung gestellt. Der Autor hat den Strom für die Batterie bezahlt.