Zylinderselektiv variable Ventilsteuerung von Mahle

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So kommt ein frühes Öffnen des Auslassventils einer zusätzlichen Heizmaßnahme für die Abgasnachbehandlung gleich, die man zur Absenkung der NOx-Emission im kalten Motor einsetzen kann. Eine Variabilität in den Steuerzeiten ermöglicht auch eine Warmhaltefunktion in Leerlaufphasen, um ein unerwünschtes Auskühlen der Abgasreinigung zu verlangsamen. Dazu kommt die Möglichkeit im quasistationären Teillastbetrieb (etwa auf der Autobahn) die Expansion zu nutzen und damit den Kraftstoffverbrauch zu senken. Im sogenannten Miller-Zyklus ist der Expansionshub länger ist als der Verdichtungshub, was mit einem frühen Einlassschluss erreicht wird. Millers Patent wurde 1947 eingereicht. Im von James Atkinson bereits 1882 erfundenen Zyklus bleibt das Einlassventil länger geöffnet, mit dem gleichen Effekt eines verkürzten Kompressionshubs und verbesserter Effizienz.

Der Zulieferer Mahle hat nun eine Ventilsteuerung vorgestellt, die es erlaubt, je Kipphebel zwei verschiedene Nockenprofile zu verwenden. Das ist im Prinzip ähnlich wie bei den allerersten Viertaktern der Geschichte, kommt aber ohne die damals übliche Verschiebung eines Nockenstücks aus. Es ermöglicht den wahlweisen Betrieb mit Miller- oder Atkinson-Steuerzeiten sowie die Anpassung der Abgastemperaturen an Belastung und Abgasentgiftung. Zudem kann der Motor damit als verschleißarme Zusatzbremse genutzt werden. In Lastwagen mit ihrer hohen Zuladung ist das eine willkommene Entlastung der Reibungsbremse.

Geringere bewegte Massen

Die Vorteile der Bauweise sieht Mahle darin, dass bei seinem „Shifting Roller System“ die bewegten Massen deutlich kleiner sind als bei verschiebbaren Nockensegmenten. Dadurch müssen die elektrischen Aktoren niedrigere Verstellkräfte aufbringen und die filigraner auslegbare Konstruktion spart Platz im engen Zylinderkopf. Die elektrische Betätigung kann zudem zylinderselektiv arbeiten, was den Regelbereich zu spreizen hilft, beispielsweise bei der Motorbremsfunktion. Um sie zu erreichen, wird auf eine Zweitakt-Steuerung umgestellt, die Bremswirkung des Motors kommt dabei seiner Antriebsleistung nah. Die zylinderindividuelle Aktivierung ermöglicht eine Anpassung an den tatsächlichen Bedarf an Verzögerungleistung. Die üblichen Komponenten für eine herkömmliche Motorbremse kann man sich so sparen.

Mahle beschreibt außer der Motorbremse zwei weitere Funktionen seiner Steuerung: Erstens, ein Frühes Öffnen der Auslassventile hebt die Abgastemperatur ohne weiteren (fossilen oder elektrischen) Energieaufwand. Heißeres Abgas ermöglicht ein früheres Anspringen des SCR-Katalysators oder die Regeneration des Partikelfilters bei Teillast. Und zweitens: Miller- oder Atkinsonzyklus lassen sich wahlweise durch frühes oder spätes Schließen der Einlassventile fahren. Damit kann man in bestimmten (Teil)lastbereichen das wirksame Verdichtungsverhältnis verringern und die Verbrennungstemperatur senken. Der thermische Wirkungsgrad des Motors verbessert sich.

Ob Mahle bereits Kunden für seine neue Nockensteuerung hat, wurde nicht mitgeteilt.

(fpi)