VW: Eigene Batteriezellen-Produktion
E-Autos sind auf dem Vormarsch. Eine Unbekannte in dieser Rechnung bleibt aber die Fertigung von Batteriezellen. Hier liegen die Asiaten weit in Führung, was die Hersteller in eine Abhängigkeit führt. Nun unternimmt Volkswagen einen neuen Versuch, dem zu entgehen
- dpa
E-Autos sind auf dem Vormarsch – zumindest zeichnet die IAA 2019 dieses Bild. Fast alle Hersteller investieren in diesen Bereich derart üppige Summen, dass ein Scheitern fatal wäre. Zu rechnen ist damit allerdings kaum. Eine Unbekannte in dieser Rechnung bleibt aber die Fertigung von Batteriezellen. Hier liegen die Asiaten weit in Führung, was die Hersteller in eine Abhängigkeit führt. Daimler hat versucht, dem zu entkommen – und aufgegeben. Nun unternimmt Volkswagen einen neuen Versuch.
Pilotlinie in Salzgitter
Wie fast alle anderen E-Autohersteller kauft auch Volkswagen die derzeit Batteriezellen zu. Das könnte sich mittelfristig ändern. Dafür soll die Fabrik in Salzgitter umgebaut werden. Wie eine eigene Fertigung aussehen könnte, stellt Volkswagen heute (23. September 2019) vor. Die Pilotlinie soll den Weg für eine mögliche Eigenproduktion von Batteriezellen im großen Stil ebnen. Volkswagen will zunächst weitere Erfahrungen auf dem relativ neuen Feld sammeln. Das hat für den Leiter Batterie- und Energiesysteme, Frank Blome, hohe Priorität. Ein „Center of Excellence“ soll die interne Forschung vorantreiben.
Der nächste Schritt ist für das kommende Jahr geplant. Dann will Volkswagen mit dem schwedischen Partner Northvolt in Salzgitter eine Fabrik für Lithium-Ionen-Batterien bauen. Vom Jahreswechsel 2023/2024 an soll produziert werden. Die Deutschen und die Schweden halten jeweils die Hälfte der Anteile, Volkswagen investiert rund 900 Millionen Euro.
Abkehr von der bisherigen Strategie?
Nein. Eigene Batteriezellen hätten für den größten Autokonzern der Welt eine enorme Bedeutung. Konzernmarken wie Audi, Skoda, Seat oder Porsche könnten von der Kernmarke VW mit beliefert werden, wie das heute schon bei Motoren, Getrieben, Lenkungen und weiteren Komponenten geschieht. Das hätte Kostenvorteile für die ganze Gruppe.
Betriebsratschef Bernd Osterloh hatte eine eigene Zellproduktion schon früher befürwortet, „entgegen der Haltung des Vorstands“, der lange die Autozulieferer stärker in der Pflicht sah. Osterloh verlangte auch eine politische Diskussion darüber, „wie wir Rahmenbedingungen schaffen können, die eine Produktion am Standort Deutschland wirtschaftlich machen“.
Warum ist das so wichtig?
Ziel sind eine größere Selbstständigkeit und weniger Einfluss für marktbeherrschende Zulieferer wie Samsung und LG (Südkorea) oder CATL (China). Volkswagen-Konzernchef Herbert Diess hatte dem Handelsblatt kürzlich gesagt: „Ich finde es erschreckend, dass wir in diese Abhängigkeit geraten sind.“ Vor allem CATL versuchte zuletzt, in Deutschland stärker Fuß zu fassen, in Thüringen entsteht ein riesiges Werk für die Fertigung von Batteriezellen.
Je entschlossener der Umstieg auf die E-Mobilität angegangen wird, desto sicherer dürften langfristig auch die Jobs in den Fabriken sein. Zwar wird das geringere Arbeitsvolumen für Elektromotoren im Vergleich zu Verbrennern dazu führen, dass Stellen in traditionellen Bereichen wegfallen. Aber bei entsprechender Weiterbildung könnten viele Beschäftigte, so hofft die IG Metall, mit in die neue Welt wechseln. Ein „Zukunftspakt“, der bei Volkswagen neben Einsparungen auch die Schaffung solcher neuer Jobs vorsieht, war anfangs heftig umstritten.
Und Daimler?
Daimler hatte seinen Ausflug in die Zellproduktion im sächsischen Kamenz schon Ende 2015 eingestellt. Sie war zu teuer und nicht konkurrenzfähig mit den Billigzellen aus Asien. Im vorigen Jahr schloss Daimler Lieferverträge im Wert von 20 Milliarden Euro. Daimler gibt vor, was die Zellen können sollen, und baut sie dann in seine Batterien ein. Auf der IAA gab der Konzern eine Kooperation mit dem chinesischen Hersteller Farasis Energy bekannt.
CATL wiederum liefert Zellen fĂĽr die schweren Daimler-Lastwagen, die von 2021 an in Serie mit Elektromotor gefertigt werden sollen. Die Batterien baut Daimler aber selbst. Weltweit steckt der Konzern mehr als eine Milliarde Euro in ein Netz aus mehreren Batteriefabriken fĂĽr Pkw.
BMW: Forschung ja, Produktion nein
Die BMW Group baut die Batterien für ihre Hybrid- und E-Autos selbst, etwa im Werk Dingolfing. Die Zellen werden extern eingekauft. Das dürfte bis auf Weiteres auch so bleiben. „Es gibt keine Pläne, selbst in die Produktion einzusteigen“, sagte ein Sprecher. Eine Forschung zu Batteriezellen und Elektrochemie hat jedoch auch BMW aufgebaut, um mit Lieferanten auf Augenhöhe verhandeln zu können. Für das Werk von CATL vergaben die Bayern als erster Kunde einen Milliardenauftrag.
Volkswagen-Chef Diess hatte gemahnt, die europäischen Autohersteller müssten sich endlich zu einer eigenen Fertigung durchringen. In der Politik laufen mehrere Initiativen, die dies unterstützen. Kürzlich beschlossen neun Staaten das Programm für einen zweiten europäischen Batterieverbund. Nach Angaben von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) gelang es, zwei Großprojekte zur Batteriezellfertigung aufs Gleis zu setzen. Sein Ressort fördert den Aufbau einer Zellfertigung mit einer Milliarde Euro, um Wertschöpfung und Jobs zu erhalten und aufzubauen. In einem ersten deutsch-französischen Konsortium sind Opel, dessen Besitzer PSA und der französische Batteriehersteller Saft vertreten. (mfz)