30 Jahre "Die Siedler": Wie der Wuselfaktor die Spielewelt eroberte

Seite 2: "Multiplayer, Multiplayer, Multiplayer!"

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»Alle sagten uns, wir brauchen Multiplayer. Die Einzelhändler, die Händler, die Redakteure: Multiplayer, Multiplayer, Multiplayer!« THOMAS HÄUSER

Die Zusammenarbeit lief reibungslos, zumal sich Wertich ein Jahr Auszeit vom Studium genommen hatte, das er dann nach der Entwicklung fortsetzen wollte. Fast das gesamte Spiel wurde in Assembler-Code geschrieben. Hertzler wundert sich immer noch über die technische Zauberei. "Civilization V ist rundenbasiert. Doch selbst auf meinem Intel-i7-PC dauert es immer noch sehr lange, bis es mit der Berechnung der Züge fertig ist. Bei Die Siedler war der Amiga die Basis, daher musste es auf einem 8-MHz-Motorola 68k funktionieren – und das in Echtzeit."

Thomas Häuser: Verließ Blue Byte 1998, gründete Fanatics und arbeitete später an Das Erbe der Könige.

Zusätzlich zur Darstellung der Wege von Hunderten winziger Charaktere bot Die Siedler einen Splitscreen-Modus. Hertzler: "Alle sagten uns, wir bräuchten Multiplayer. Die Einzelhändler, die Händler, die Redakteure: Multiplayer, Multiplayer, Multiplayer." Die Entwicklung dauerte rund ein Jahr. Gegen Ende stand Blue Byte unter enormem finanziellem Druck.

"Nur wenige Monate vor der Veröffentlichung hat mein Geschäftspartner Lothar beschlossen, das Unternehmen zu verlassen", so Hertzler. "Nachdem ich ihn ausgezahlt hatte, war die Firma finanziell in einer Notlage. Unsere Bank hatte uns wegen einer lächerlich kleinen Überziehung rausgeschmissen."

Blue Byte kam bei einer lokalen Bank unter – doch wäre Die Siedler gefloppt, hätte das den finanziellen Todesstoß für die Firma bedeutet. Hertzler schaltete in den Krisenmodus und arbeitete immer mehr. Die langen Tage und die finanzielle Belastung hatten dramatische Auswirkungen auf seine Gesundheit. Kurz vor Fertigstellung kam er mit Verdacht auf einen Herzinfarkt ins Krankenhaus. Die Ärzte konnten schließlich einen Infarkt ausschließen, doch Hertzler blieb ein paar Tage in der Klinik.

Szene aus dem liebevoll animierten Die Siedler - Intro.

Dann kam die frohe Botschaft: "Ich erinnere mich, wie mich unsere Buchhalterin mit den Verkaufszahlen von Die Siedler besuchte. Ich glaube, wir haben am ersten Tag 60.000 in Deutschland, Österreich und der Schweiz verkauft. Das war unglaublich. In den USA lief es jedoch eher mäßig." Dort hatte der Strategiespezialist SSI die Veröffentlichung übernommen und beschlossen, den Namen des Spiels in Serf City: Life Is Feudal zu ändern. Auf dem amerikanischen Cover war ein Cartoon-Bauer zu sehen, der wahnsinnig grinste und einen funkelnden Hammer hielt, während ein bösartiger Kopf hinter ihm am Himmel schwebte – ein ziemlicher Unterschied zu dem freundlichen, rundlichen Ritter der europäischen Schachtel.

Makroökonomie - Das Wirtschaftssystem von Die Siedler (23 Bilder)

Fischerhütte

Der Fischer braucht nur einen See, und den fischt er kontinuierlich komplett leer.

Blue Byte hatte in Die Siedler den dringend benötigten Hit in den Händen. Aber als es darum ging, eine Fortsetzung zu machen, stießen sie auf Probleme. "Es stand fest, dass Volker kein weiteres Spiel machen würde. Ich konnte das nicht verstehen, weil es so gut lief, doch seine Eltern bestanden auf den Abschluss des Studiums."

Und da Wertich weg war, gab es im Rest des Teams wenig Lust auf eine Fortsetzung. Thomas Häuser, der 1988 als Schüler zu Blue Byte gekommen war, erinnert sich: "Als wir über Die Siedler II nachdachten, gab es wirklich eine Diskussion darüber, ob wir eine Fortsetzung überhaupt wollten. Damals hat man noch nicht jedes Jahr die neue Version eines Spiels rausgebracht. "Hertzler wollte unbedingt ein Sequel, musste bei seinem wenig von der Idee begeisterten Team aber dicke Bretter bohren. Es gelang ihm schließlich, das Team mit Thomas Häuser als Projektleiter hinter sich zu bringen.