30 Jahre "Die Siedler": Wie der Wuselfaktor die Spielewelt eroberte

Seite 5: Teil 5: radikaler Umstieg auf 3D-Echtzeitstrategie

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Im Jahr 2004 beauftragte der Publisher Thomas Häusers neues Studio Funatics, das fünfte Spiel der Serie fertigzustellen, Das Erbe der Könige. Häuser erinnert sich: "Sie hatten einige Probleme bei der Arbeit an Teil 5, und wir wurden gebeten, ihnen zu helfen", sagt er. Aber Häuser war kein großer Fan der Richtung, die die Serie nach Teil 2 eingeschlagen hatte. "Die klare Definition der Siedler war nicht mehr da. Teil 1 und 2 lebten von der indirekten Kontrolle. Teil 3 und 4 waren fast reine Echtzeitstrategie. Ich habe viele Rückmeldungen zum Spieldesign von Teil 5 gegeben, arbeitete aber selbst nicht daran. In einem Team kann man nicht alles infrage stellen."

Ähnlichkeiten - Von Die Siedler inspirierte Titel. (5 Bilder)

Anno 1602

1998 von Max Design entwickelt und für Uneingeweihte sehr ähnlich zu Die Siedler. Dabei geht es viel mehr um das kluge Bauen von Gebäuden und Aufpäppeln der Bevölkerung. Es folgten viele, viele Sequels, wobei Ubisoft/Blue Byte die Entwicklung der späteren Spiele übernahm.

Das Erbe der Könige bewegte sich weiter in Richtung Echtzeitstrategie, Kämpfe und 3D-Grafik. Petra Maueröder monierte im Test: "Früher ein 2D-Aufbau-Spiel mit Höchstwerten auf der nach oben offenen Wuselfaktor-Skala, leicht untersetzten Siedlern und dem Gewimmel eines Ameisenhaufens, heute ein 3D-Echtzeit-Strategiespiel mit realistisch an mutenden Figuren. Mit den bisherigen Folgen 1 bis 4 hat Das Erbe der Könige im Grunde nur den berühmten Seriennamen und das Entwicklungsstudio Blue Byte gemeinsam."

Der sechste Teil, Aufstieg eines Königreichs, erschien 2007. Es fuhr die Kämpfe zurück und führte das Wegesystem der beiden ersten Spiele wieder ein. Gleichzeitig vereinfachte es das Wirtschaftssystem weiter. Gerade Letzteres kam nicht bei allen gut an.

In Das Erbe der Könige und Aufstieg eines Königkreichs wird weniger gekämpft.

Spielejournalistin Petra Fröhlich urteilte im September 2007: "Die Siedler VI rauscht meilenweit an der Gruppe der versierten Aufbau-Strategen vorbei, die alte Siedler-Episoden und die Anno-Reihe rauf und runter spielen und begeistert an Warenkreisläufen und der perfekten Siedlung tüfteln. Der Aufstieg eines Königreichs ist leider ein Abstieg." Trotzdem hagelte es beim Deutschen Entwicklerpreis Auszeichnungen: Bester Soundtrack In-Game-Sound, Bestes Game-Leveldesign, Beste Spiele-Grafiken, Beste Cutscenes-Intros, Bestes Interface, Bestes deutsches Spiel. Die Auswahl war eben vermutlich nicht die größte…

Ubisoft beschloss 2010 für Die Siedler 7 die nächste Generalüberholung, die das Wirtschaftssystem wieder komplexer machte und zumindest teilweise den Geist von Die Siedler II spüren ließ – gleichzeitig aber viel kompetitiver war und sich wie ein Duell mit dem Computergegner anfühlte. Die Änderungen wurden positiv aufgenommen. Christoph Licht schrieb im März 2010: "Nach den enttäuschenden Vorgängern hat die ruhmreiche Serie endlich wieder zu ihrer alten Stärke zurückgefunden" und vergab 8,5 von 10 Punkten.

Berüchtigt wurde Teil 7 jedoch für den verwendeten Kopierschutz, der eine permanente Online-Verbindung zu Ubisofts Servern benötigte. Die waren kurz nach dem Release völlig überlastet, sodass Fans weltweit Probleme hatten, überhaupt ins Spiel zu kommen. Bei einer für Windows 10 optimierten Wiederveröffentlichung wurde dieser Kopierschutz 2018 (acht Jahre nach der Erstveröffentlichung) endlich entfernt.

Aber es hätte alles ganz anders kommen können: Thomas Hertzler behauptet, er hätte die Serie nach Teil 4 in eine ganz andere Richtung gelenkt. "Nach Teil 4 wäre für mich ein Ortswechsel der nächste Schritt gewesen. Möglicherweise ein Szenario mit Umweltproblemen, vielleicht die Kolonisierung des Mars. Die zugrunde liegende Struktur der Siedler hätte für eine Art Öko-Spiel gepasst. Es hätte veranschaulicht, wie bestimmte Dinge zusammenarbeiten. Ursache und Wirkung einer Umweltverschmutzung zum Beispiel. Ich wollte den Erfolg nutzen und etwas schreiben, das nicht mittelalterlich, sondern modern ist. Eine moderne Gesellschaft zu verwalten und sicherzustellen, dass sie nachhaltig ist. Auch über 15 oder 20 Jahre hinaus."

Hertzlers Arbeitstitel für Teil 5: Space Settlers. "Ich hatte wahrscheinlich ein Jahr lang daran gearbeitet, als klar wurde, dass ich nicht an Teil 5 mitarbeite", bemerkt er. "Wahrscheinlich war mein Ansatz einfach zu kreativ." Oder auch nicht: Die ewige deutsche Konkurrenz-Serie Anno (wenngleich längst bei Ubisoft mit Die Siedler friedlich unter einem Dach) hat bereits zwei kompetente Ausflüge in die nahe Zukunft unternommen, mit Anno 2070 und Anno 2205.