Abgasbetrug: Volkswagen fordert Schadenersatz von Stadler und Winterkorn

Volkswagen will ehemalige Top-Manager im Zusammenhang mit dem Abgasbetrug in Regress nehmen. Im Fokus: Winterkorn und Stadler

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Kaum etwas hat den Volkswagen-Konzern je derart tief erschüttert wie der Abgasbetrug - und letztlich auch einen Wandel beschleunigt.

(Bild: VW)

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  • dpa
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Für den früheren Volkswagen-Chef Martin Winterkorn und Ex-Audi-Chef Rupert Stadler könnte der Abgasbetrug persönliche finanzielle Folgen haben. Der Konzern will Schadenersatzansprüche durchsetzen. Dies teilte das Unternehmen nach einer Sitzung des Aufsichtsrats mit. Die Kontrolleure hatten zuvor die Ergebnisse umfangreicher Prüfungen in der Regressfrage diskutiert.

Volkswagen erklärte, das Unternehmen werde die beiden ehemaligen Top-Manager nun "wegen aktienrechtlicher Sorgfaltspflichtverletzungen auf Schadenersatz in Anspruch nehmen". Welches finanzielle Ausmaß die Forderungen haben könnten, stand zunächst nicht fest. Im Fall anderer Volkswagen-Vorstandsmitglieder seien dagegen keine Verstöße festgestellt worden.

Gegenstand der Untersuchungen war, ob Winterkorn, Stadler und möglicherweise auch noch weiteren damaligen Führungskräften vor dem Auffliegen der Affäre im September 2015 fahrlässige Management- und Kontrollversäumnisse vorzuwerfen sind, was letztlich die Manipulationen an weltweit Millionen Dieselmotoren ermöglicht oder zumindest nicht verhindert haben könnte. Die Kanzlei Gleiss Lutz beriet den Volkswagen-Aufsichtsrat zu diesem Thema und legte in dieser Woche ihren Abschlussbericht vor.

Winterkorn habe es in der Zeit nach einer als "Schadenstisch" bezeichneten Krisenkonferenz am 27. Juli 2015 unterlassen, "die Hintergründe des Einsatzes unzulässiger Softwarefunktionen in 2,0-Liter-TDI-Dieselmotoren, die in den Jahren 2009 bis 2015 im nordamerikanischen Markt vertrieben wurden, unverzüglich und umfassend aufzuklären". Er habe darüber hinaus nicht dafür gesorgt, "dass in diesem Zusammenhang gestellte Fragen der US-amerikanischen Behörden umgehend wahrheitsgemäß und vollständig beantwortet werden".

Zum Fall Stadlers erklärte der Konzern, dieser habe es ab Ende September 2016 unterlassen, dafür zu sorgen, dass von Audi entwickelte größere Dieselmotoren. Sie waren zusätzlich auch in Autos der Marken VW Pkw und Porsche eingebaut - "im Hinblick auf unzulässige Softwarefunktionen untersucht werden". Bei den Volkswagenmarken Audi und Porsche sollen den Angaben zufolge zudem Schadenersatzforderungen gegen die Ex-Manager Ulrich Hackenberg, Stefan Knirsch und Wolfgang Hatz geltend gemacht werden. Bei dem früheren VW-Entwicklungschef Heinz-Jakob Neußer sei dies schon geschehen, hieß es.

Winterkorn war vor gut fünfeinhalb Jahren von seinem Amt als Volkswagen-Chef zurückgetreten, kurz nachdem der Abgasbetrug von US-Behörden aufgedeckt worden war. Er hatte betont, sich keines Fehlverhaltens bewusst zu sein. Allerdings ging der Volkswagen-Aufsichtsrat weiterhin möglichen Schadenersatzansprüchen nach. Er hatte während des Verfahrens mehrfach erklärt, dass die Prüfung von Haftungsansprüchen gegen frühere oder amtierende Vorstandsmitglieder "umfangreich" sei. Man agiere hier vorbehaltlos und ohne Ansehen der Person.

Winterkorn wird wegen der Abgasaffäre auch vor Gericht stehen. Mitte September soll in Braunschweig der Prozess gegen ihn und vier weitere, teils ehemalige Führungskräfte wegen mutmaßlichen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs beginnen. Das Landgericht hatte den Beginn wegen der Corona-Lage kürzlich verschoben. Stadler steht wegen einer möglichen Mitverantwortung wegen der manipulierten Abgaswerte bereits vor dem Münchner Landgericht.

Chronologie des Abgas-Skandals (78 Bilder)

Mitte September 2015:  Die US-Umweltschutzbehörde EPA beschuldigt den Volkswagen-Konzern, Diesel-PKWs der Baujahre 2009 bis 2015 mit einer Software ausgestattet zu haben, die die Prüfungen auf US-amerikanische Umweltbestimmungen austrickst. Zu ähnlichen Untersuchungsergebnissen ist auch das California Air Resources Board (CARB) gekommen. Beide Behörden schicken Beschwerden an VW. (Im Bild: Zentrale der EPA in Washington D.C.)
(Bild: EPA
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(mfz)