Autonomes Fahren spart kaum Energie
Vernetzung und intelligente Assistenzsysteme können Autos prinzipiell effizienter machen – wäre da nicht der hohe Energieverbrauch der Elektronik.
Autonomes Fahren spart Sprit – das klingt zunächst einmal eingängig. Schließlich können sich sensorgespickte Autos gleichmäßiger und vorausschauender fortbewegen, bis hin zur Kolonnenfahrten im Windschatten.
Mehr Verkehr wegen bequemerer Autos
Dazu ist allerdings viel Elektronik nötig, und die verbraucht ebenfalls Energie. Bisher dachte ich, dies sei gegenüber der eingesparten Antriebsenergie zu vernachlässigen. Ist es aber nicht, folgt man einer Studie der Agora Verkehrswende. Sie bezieht auch externe Faktoren wie das Mobilfunknetz, Verkehrsinfrastruktur und Backend-Server ein. Beziehen die Fahrzeuge aktuelle Verkehrsinformationen, Softwareupdates und aktuelles Kartenmaterial per Mobilfunk und dezentrale, lokale Frontend-Server, verursacht das laut Studie nach aktuellem technischen Stand einen Mehrverbrauch in Höhe von circa 2500 Wh pro 100 Fahrzeugkilometer (Szenario „Effiziente Vernetzung“). Beim Szenario „Minimale Vernetzung“ (die Fahrzeuge kommunizieren miteinander, aber nicht mit einer Cloud) ist die Bilanz knapp positiv – die Effizienzgewinne durch die Vernetzung sind also höher als der Verbrauch durch die Elektronik.
Die gute Nachricht: Durch effizientere Übertragungstechniken wie 5G sowie durch eine stärkere Durchdringung der Autoflotte mit autonomen Fahrzeugen wird die Bilanz langfristig (bis 2050) für alle Szenarien positiv. Die schlechte Nachricht: Der Effekt ist nicht groß, und Rebound-Effekte sind darin noch nicht einbezogen. Verursachen bequeme selbstfahrende Autos also mehr Verkehr – etwa, weil sie neue Nutzer anlocken, weil sie häufiger genutzt werden, oder weil autonome Taxis leer von Kunde zu Kunde fahren –, würde sich die Rechnung verschieben. „Die Gesamtbilanz des automatisierten und vernetzten Fahrens ist bis zu einer Steigerung der Jahresfahrleistung um 1 bis 2,6 Prozent noch positiv. Bei stärkeren Reboundeffekten ergäbe sich somit ein steigender gesamter Endenergieverbrauch.“
Sicherheit, Bequemlichkeit – aber wenig zusätzliche Effizienz
1 bis 2,6 Prozent – angesichts der vielen unsicheren Annahmen und des langen Zeithorizonts klingt das nach einer Größenordnung, die im statistischen Grundrauschen untergeht. Mit anderen Worten: Es mag viele gute Gründe für autonomes Fahren geben, etwa Sicherheit oder Bequemlichkeit. Aber Energieeffizienz sollten wir vorsichtshalber nicht zu hoch auf die Liste setzen.
Als Gegenmaßnahmen schlägt Agora Verkehrswende unter anderem vor, „Big-Data-Analyseverfahren zu entwickeln, die die Menge der zu übertragenden Daten geringhalten“ und „automatisierte Fahrzeuge gemeinschaftlich zu nutzen und in den öffentlichen Verkehr zu integrieren, um einem Anstieg der Fahrleistung entgegenzuwirken“. Letzteres scheint mir auch aus anderen Gründen geboten: Allein schon, um Stau und Flächenfraß durch den motorisierten Individualverkehr einzudämmen. (grh)