Computergeschichte: "Ideen von Frauen hätten unsere Welt radikal verändert"

Seite 2: "Frauen in Bikinis und Go-Go-Stiefeln"

Inhaltsverzeichnis

Noch in den Achtzigerjahren, schreibt unsere US-Kollegin Margaret O’Mara, wurden 70 Prozent der Programmierarbeit im Silicon Valley von Frauen geleistet. Aber das hat sich geändert. Warum ist das so?

Es gibt eine Menge ineinandergreifender, komplexer Faktoren. Da ist zum einen die Professionalisierung dieser Disziplin. In den Anfängen haben es Frauen viel leichter, sich durchzusetzen und einen Platz in Disziplinen und Bereichen zu finden, in denen es keinen etablierten Präzedenzfall, keinen Kanon, keine Institution und keine Ausbildungsanforderungen gibt. Informatik war neu, es gab keine Handbücher, keine Institutionen, keine Berufsverbände. Man wurde Programmierer, weil man ein Händchen dafür hatte. Man war gut im Eignungstest, hat sich Schachrätsel angesehen, war gut in Mathe, war Sekretärin oder Stenografin – das war es. Und es gab einen großen Bedarf an Programmiertalenten. Als die Branche in den Fünfziger- und Sechzigerjahren explodierte, war es für eine Frau relativ einfach, dort einzusteigen. Als das Programmieren von den Sechziger- bis zu den Achtzigerjahren immer mehr zu einer professionellen Disziplin wurde, kamen bestimmte Ausbildungsanforderungen hinzu, die es für Frauen in diesem Bereich schwieriger machten. Es war nicht so einfach, einen Hochschulabschluss in Informatik zu erlangen, wenn die Frauen Familie hatten.

Frauen wurden also nicht aktiv aus dem Feld gedrängt?

Nein, es war ein langsamer Übergang, der mit der Professionalisierung des Fachgebiets einherging, bei dem sich das Fachgebiet von Codern mit niedrigem Status zu Softwaredesignern mit höherem Status entwickelte. Dazu kommen die offensichtlichen Dinge wie Lohndiskriminierung, mangelnder Zugang zu Kinderbetreuung und Mangel an angemessener Betreuung und Unterstützung, vor allem für Programmiererinnen der ersten Generation. Obwohl in den Sechziger- und Siebzigerjahren viele Frauen in der Computerbranche arbeiteten, schafften sie es nicht in die privilegierteren Positionen, die die erste Generation innehatte, und in denen sie Programmierteams leiteten und die Kunst der Programmierung wirklich voranbrachten.

Marketing und Medien haben dabei allerdings auch eine nicht unwichtige Rolle gespielt, oder?

Wenn man sich Werbung für einen Computer aus den Siebziger- und Achtzigerjahren anschaut, sieht man entweder Frauen in Bikinis und Go-Go-Stiefeln, die an einem Großrechner lehnen, oder eine Anzeige, die zeigt, wie dieses und jenes neue Computerprogramm Männern hilft, all die nörgelnden Sekretärinnen in ihrem Büro loszuwerden. Das ist alles zutiefst sexistisch. Wenn ich Vorträge halte, verwende ich oft das Bild einer Apple-Two-Werbung aus den späten Siebzigerjahren, in der ein Mann an seinem Küchentisch sitzt, umgeben von Tabellen und Diagrammen und ähnlichen Dokumenten auf seinem Apple-Computer. Und seine Frau auf der anderen Seite der Küche, die Karotten schneidet, schaut ihn liebevoll aus der Ferne an.

Langsam erkennen wir die Auswirkungen, die das auf unsere Gesellschaft und auf die Werkzeuge, Plattformen und Produkte hat, und wir arbeiten daran, sie durch frühkindliche MINT-Erziehung abzubauen. Aber diese Vorstellungen sind ziemlich hartnäckig.