Der perfekte Kraftstoff

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BTL: DIE MASSE MACHT'S

Das Dreifache an Flächenertrag im Vergleich zu Biodiesel – 4000 Liter BTL-Diesel pro Hektar - will das Freiberger Unternehmen Choren Industries erreichen, indem es nicht nur Rapssamen, sondern die gesamte verfügbare Biomasse nutzt und eine zur GTL-Produktion vergleichbare Technologie. Für die Umsetzung sicherte sich Choren Mitte August einen großen Partner mit Minderheitsbeteiligung: Shell. Eine Versuchsanlage ist bereits in Betrieb, Ende 2006 soll die erste größere BTL-Produktionsstätte mit einer Kapazität von 13 000 Tonnen pro Jahr eröffnen, als Probelauf für den - dezentralen - Großeinsatz. "Geplant sind mehrere Anlagen mit einer jährlichen Kapazität von jeweils 200 000 Tonnen, 2007 wollen wir die Investitionsentscheidung treffen", skizziert Unternehmenssprecher Matthias Rudloff die weitere Strategie, nicht ohne die man- gelnde Unterstützung von der Politik zu erwähnen. Denn die größte Schwierigkeit sei nicht die technische Machbarkeit, sondern "das Geld aufzustellen". In Bezug auf das richtige Material ist Rudloff nicht wählerisch, "solange es billig und trocken ist. Es kann Stroh sein, schnell wachsende Hölzer wie Weiden und Pappeln, es gibt auch interessante Getreidearten, die nicht zur Nahrungsproduktion geeignet sind." Die im Bau befindliche Anlage ist auf autarken Betrieb ausgelegt, das heißt: Was für den Prozess benötigt wird - Strom, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff –, wird direkt aus der Biomasse bezogen. Die CO2-Bilanz fällt laut einer von DaimlerChrysler und Volkswagen in Auftrag gegebenen Studie gut aus: Bei überschaubaren Transportwegen und rund 45 Prozent Wirkungsgrad beträgt das Treibhausgas-Einsparpotenzial im Vergleich zu herkömmlichem Diesel 87 Prozent. Ansonsten gleicht der BTL- weit gehend dem GTL-Diesel, erzeugt weniger lokale Schadstoffe und ist leicht in die herkömmlichen Kraftstoffflüsse einzugliedern, in reiner Form ebenso wie als Beigabe.

Für den gewöhnlichen Liter Sunfuel, wie Choren den BTLDiesel nennt, rechnet das Unternehmen zurzeit mit Produktionskosten von rund einem Euro, die in den geplanten größeren Anlagen auf 50 bis 70 Cent reduziert werden sollen. Damit würde man bei den aktuellen Ölpreisen schon in die Nähe der Konkurrenzfähigkeit kommen, die bei um die 90 Dollar pro Barrel erreicht werden könnte, Steuervorteile nicht mitberechnet.

HCCI, CCS: NEUE KRAFTSTOFFE, NEUE MOTOREN

Entsprechend großes Interesse zeigen Autohersteller wie Volkswagen und DaimlerChrysler. Für die Entwicklung neuer Brennverfahren sind neue Kraftstoffe konstruktive Voraussetzung. Woran die Motorenentwickler arbeiten, ist die Zusammenführung von Diesel- und Ottomotor: Vereinfacht gesprochen soll dem Diesel durch homogene Verbrennung zu einem besseren Abgasverhalten verholfen werden, dem Benziner durch Selbstzündung zu einem besseren Wirkungsgrad, und das alles unter einer einzigen Zylinderhaube. Bei der Entwicklung solcher HCCI-Verfahren (Homogeneous Charge Compression Ignition) geht es auch darum, die für den Diesel immer teurer werdende Abgasnachbehandlung in den Griff zu bekommen, indem man schon die Rohemissionen reduziert. Bei Volkswagen laufen so genannte CCS-Aggregate (Combined Combustion System) bereits auf stationären Prüfständen. "50 Prozent des Betriebskennfeldes können wir im CCS-Modus bereits abdecken", zieht Wolfgang Steiger, Leiter der Antriebsforschung bei Volkswagen, eine erste Zwischenbilanz, "wir wollen damit aber weiter in die Volllast." Dafür braucht es neue Kraftstoff-Designs, die Diesel und Benzin gleichzeitig sein können.

Darin liegt offensichtlich ein Widerspruch. Die hohe Cetanzahl synthetischer Kraftstoffe ist zwar für die Selbstzündung des klassischen Diesels sehr willkommen, nicht aber für den CCS-Modus, "wo wir einen möglichst langen Zündverzug brauchen, um die Gemischbildung zustande zu bringen". Oder wie Gerd Hagenow den Anspruch formuliert: "Wie schaffe ich es, die gute Cetanzahl zu verschlechtern?" Konkret: Wie können die langen Kohlenwasserstoffketten - verantwortlich für die Cetanzahl –- so verändert werden, dass sie die Gemischbildung erleichtern? "Im Moment haben wir noch keine Antwort, wie wir dieses Problem lösen", sagt Hagenow. "Vielleicht schaffen wir es, intelligente Moleküle zu machen, die ihre Eigenschaften verändern."

Was die Arbeit der Forscher erleichtert, ist die übersichtlichere Molekülstruktur synthetischer Kraftstoffe. Volkswagen ist dabei, eine Software zu schreiben, die das Verhalten des Kraftstoffs am Rechner simulieren kann. "Mit zwölf beziehungsweise 24 Molekülen anstelle von rund 600 in einem herkömmlichen Diesel lässt sich das leichter bewerkstelligen", sagt Motor-Forscher Steiger. Bis Ende des Jahres hofft er, das Tool zur Verfügung zu haben, "dann beginnt die Suche nach dem perfekten Kraftstoff". Der sich nicht nur durch seine molekulare Zusammenstellung auszeichnen muss, sondern auch durch seine wirtschaftliche Darstellbarkeit: "Zu Apothekerpreisen geht natürlich alles."

Für den Aggregate-Ingenieur ist der CCS-Motor vor allem "regelungstechnisch eine riesige Herausforderung", erklärt Steiger. "In zwei Jahren sollten die technischen Grundsteine gelegt sein, weitere drei Jahre planen wir für die Umsetzung." Wobei klar ist, "dass es keine VW-Zapfsäule geben wird, also auch ein gewisser Abstimmungsbedarf unter den Fahrzeugherstellern besteht, was die Forschungs- und Entwicklungsarbeit betrifft". Mercedes etwa arbeitet an ähnlichen Konzepten, bestätigt Leopold Mikulic, Leiter der Motorenentwicklung von DaimlerChrysler, und nennt auch einen Zeithorizont von "fünf bis zehn Jahren" bis zur Serienreife, an der er trotz des offenen Forschungsbedarfs nicht zweifelt: "Es wird funktionieren."

ETHANOL: ZUCKER IM TANK

Eine weitere Zapfsäule könnte in Zukunft die Aufschrift E85 tragen. Bio-Ethanol, ein aus Getreide, Zuckerrüben oder Zuckerrohr gewonnener Alkohol, ist der weltweit am stärksten verbreitete Biokraftstoff, quasi das Pendant des Biodiesels für den Ottomotor. In Brasilien wird Ethanol Benzin im großen Stil beigemischt, mit Raten von rund 25 Prozent, und zuletzt auch wieder verstärkt in hochprozentiger Form mit bis zu 85 Prozent Ethanol-Anteil angeboten. Dazu sind eigens adaptierte Autos nötig, so genannte Flexible Fuel Vehicle, die mit Benzin und Ethanol gleichermaßen zurechtkommen. Technisch keine große Sache, entsprechende Modelle werden in den einschlägigen Märkten, neben Brasilien vor allem die USA und Skandinavien, von mehreren Herstellern angeboten. Ford hat seit diesem Sommer selbst in Deutschland einen flexiblen Focus im Verkauf, ein echtes Minderheitenprogramm.