Die Megawatt-Bohrer

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Damit das Wasser mit ausreichender Geschwindigkeit durch den unterirdischen Durchlauferhitzer hindurchfließen kann, werden vorhandene Klüfte im Gestein vor Inbetriebnahme des Kraftwerks gewöhnlich künstlich erweitert: Man lässt Wasser mit so hohem Druck in die Bohrlöcher einschießen, dass die Felsformationen im Untergrund auseinanderreißen (siehe Grafik oben). Für beide Kraftwerksversionen gilt: Jeder Meter benötigte Tiefenbohrung kostet zwischen 1000 und 2000 Euro. "Bei zwei Röhren von vier Kilometern Länge können da leicht 15 Millionen Euro zusammenkommen", sagt Benjamin Richter, Projektleiter bei der Nürnberger Unternehmensberatung Rödl & Partner, die sich auf Geothermievorhaben spezialisiert hat. Und dann sei bei geothermalen Anlagen noch nicht einmal sicher, ob man am Ende auf ausreichende Mengen heißes Wasser stoße. "Das kann Investoren schon Angst einjagen."

Um die abschreckende Wirkung zu mildern, hat die Bundesregierung in letzter Zeit eine ganze Palette von Fördermaßnahmen beschlossen. So stellt das Bundesumweltministerium beispielsweise seit Anfang 2009 gemeinsam mit der Versicherung Münchner Rück und der KfW Bankengruppe Darlehen für Tiefenbohrungen zur Verfügung, die nicht zurückgezahlt werden müssen, sollte sich die Quelle als unergiebig erweisen. Gleichzeitig wurde die Vergütung für geothermisch erzeugten Strom erhöht, sie kann jetzt – je nach verwendeter Technologie und Startzeitpunkt – bis zu 27 Cent pro Kilowattstunde betragen. Zum Vergleich: Für Windräder an Land liegt der garantierte Erlös derzeit bei 9,2 Cent, auf See bei 15 Cent.

"Der hohe Einspeisetarif hilft uns tatsächlich bei der Kalkulation", sagt Reinhard Galbas. Der Ingenieur ist technischer Betriebsleiter des Kraftwerks Unterhaching, mit 3,4 Megawatt die leistungsfähigste von vier Geothermie-Anlagen, die in Deutschland bislang Strom aus Erdwärme erzeugen. Seit Mai 2008 speist das Kraftwerk elektrische Energie ins Netz und versorgt gleichzeitig 3500 Haushalte über ein weit verzweigtes Fernwärmenetz mit Heizenergie. Dazu pumpt es jede Sekunde rund 150 Liter Thermalwasser aus gut 3000 Metern Tiefe an die Oberfläche. "Wir hatten Glück: Unsere Quelle sprudelt sehr reichlich", kommentiert Galbas. "Und die Rohstoffpreise haben sich in unserem Sinne entwickelt."

Als die Anlage in den neunziger Jahren konzipiert wurde, dümpelte der Ölpreis noch bei weniger als 20 Dollar pro Barrel vor sich hin, inzwischen hat er phasenweise sogar schon die 140-Dollar-Grenze überschritten. "Bei diesen Kosten für fossile Brennstoffe lohnt sich die Geothermie allmählich", sagt Galbas. Auch wenn sie keine schnellen Gewinne verheiße – auf längere Sicht werde Unterhaching davon profitieren: 75 Millionen Euro hat die Gemeinde für ihr Kraftwerk samt Fernwärmenetz ausgegeben. Spätestens in 15 Jahren soll sich das Heizsystem amortisiert haben, drei Jahre danach auch die Stromerzeugung.

Derweil kann der Ort am Südrand von München dank des Erdwärmekraftwerks jährlich ungefähr 30000 Tonnen CO2-Ausstoß vermeiden. "Viele unserer Nachbargemeinden überlegen sich nun, ob sie nicht ein ähnliches Projekt starten sollen", erzählt Galbas. Die Gesamtheit aller in Bayern angestoßenen Geothermievorhaben umfasst mittlerweile ein Investitionsvolumen von gut sechs Milliarden Euro, schätzen Experten der Unternehmensberatung Rödl & Partner. Und "das Engagement wird weiter wachsen", so die Prognose der Wirtschaftsfachleute.

Allerdings hatte die Geothermie in jüngerer Zeit auch mit Rückschlägen zu kämpfen, die das Vertrauen in ihre Zukunftsfähigkeit – im wahrsten Sinne des Wortes – zu erschüttern drohen: Im August und September letzten Jahres wurden die Einwohner der pfälzischen Stadt Landau zweimal aufgeschreckt, weil die Erde bebte. Offiziell ist die Ursache für die beiden leichten Bodenschwankungen mit den Stärken 2,9 und 2,5 noch nicht geklärt; der Abschlussbericht einer Expertengruppe soll erst in den kommenden Wochen veröffentlicht werden. Aber es liegt nahe, die Erdbewegungen mit dem Betrieb eines Drei-Megawatt-Geothermiekraftwerks in Verbindung zu bringen, das Ende 2007 vor Ort ans Netz gegangen ist. "Die Daten aus unseren seismischen Messstationen belegen aus unserer Sicht eindeutig, dass sich das Zentrum der Beben in unmittelbarer Nähe der Anlage befand", sagt Harald Ehses, Leiter des Landesamts für Geologie und Bergbau in Rheinland-Pfalz.