Die Megawatt-Bohrer

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Wie das Unterhachinger Modell läuft auch das Kraftwerk in Landau mit Heißwasser, das aus dem Boden gefördert und nach Abgabe seiner Wärme durch einen zweiten Bohrkanal wieder in den Untergrund gepumpt wird. Auslöser für die Beben könnten Druckunterschiede sein, die sich beim Einpressen des abgekühlten Wassers ins Tiefengestein ergeben. Sofort nach den Beben hatte Ehses Behörde dem Kraftwerk die Genehmigung entzogen. Seit November darf die Betreiberfirma "geo x" nun wieder Strom produzieren, allerdings nur unter Auflagen wie etwa den Wasserdruck zu drosseln und die Deckungs- summe für ihre Haftpflichtversicherung von 10 auf 50 Millionen Euro zu erhöhen.

Einem ähnlichen Projekt in Basel verkündete die Kantonsregierung vor zwei Monaten indes endgültig das Aus – nachdem die Anlage seit Dezember 2006 stillgestanden hatte. Damals erschütterten mehrere Erdstöße die Stadtviertel rund um die Geothermie-Bohrstelle, der heftigste davon hatte die Stärke 3,4. In diesem Fall war der Auslöser unstrittig: Das Basler Kraftwerk sollte nach dem Hot-Dry-Rock-Verfahren arbeiten. Die Beben traten auf, als die Ingenieure Wasser mit Hochdruck unter die Erde pumpten, um das notwendige Rissmuster im Gestein zu erzeugen.

Bedeutende Sachschäden wurden weder in Landau noch in Basel gemeldet. "Das Schlimmste, was wir gesehen haben, waren ein paar Risse im Putz und gesprungene Fenster", erzählt Stefan Schmid, ehemaliger Direktor des geologischen Instituts Basel und einer der Gutachter, die nach den Zwischenfällen in der Schweiz zu Rate gezogen wurden. Beben dieser Stärke lassen den Boden kaum mehr erzittern "als eine Straßenbahn oder ein 40-Tonner, der mit 100 auf der Autobahn fährt", sagt Schmid. Er verweist auf Statistiken, wonach Geothermieanlagen bisher nirgends auf der Welt größere Katastrophen verursacht haben, bei denen Gebäude eingestürzt oder gar Menschen verletzt worden wären. "Die Wasservolumina und Energien, die wir bei der Geothermie ins Gestein einbringen, sind aller Wahrscheinlichkeit nach viel zu gering, um solche Ereignisse hervorzurufen", argumentiert der Geologieprofessor. Gleichwohl hat er Verständnis für die Ängste der Anwohner, zumal Basel 1356 von einem natürlichen Erdbeben fast vollständig zerstört wurde. Ein Restrisiko bleibe immer bestehen, räumt er ein.

Schmids Rezept, um dieses Risiko möglichst klein zu halten, heißt Forschung. Je größer die naturgegebene seismische Aktivität einer Region, desto spannungsgeladener der Untergrund, desto größer also auch die Gefahr, dort durch künstliche Eingriffe Bodenbewegungen auszulösen. Deshalb raten Geologen, bei der Standortwahl für Erdwärmekraftwerke auf die Bebenvorgeschichte der Gegend zu achten. In Deutschland gibt es ihrer Einschätzung nach kein Gebiet, das grundsätzlich für Geothermiepro- jekte zu unsicher wäre. "Wo die günstigsten Bauorte sind und wie sich Beben künftig vielleicht verhindern oder zumindest in Frühwarnsystemen besser vorhersagen lassen, muss jedoch erst noch ausführlich wissenschaftlich untersucht werden", meint Schmid.

Sein Kollege Ernst Huenges sieht das ähnlich. "Noch ist die Technologie längst nicht ausgereift", sagt der Physiker vom Geoforschungszentrum Potsdam. Unterstützt vom Bundesumweltministerium baut er mit seiner Arbeitsgruppe im brandenburgischen Groß Schönebeck zurzeit ein Erdwärmekraftwerk auf, das er bescheiden "In-situ-Geothermieforschungslabor" nennt. In drei Jahren soll es rund ein Megawatt Strom liefern. Ein Angebot des Energiekonzerns Vattenfall, sich an der Konstruktion der Anlage zu beteiligen, hat Huenges abgelehnt. Ihm komme es im Moment darauf an, ohne Kostendruck von außen "systematisch alle wichtigen Schritte auf dem Weg zu einem sicheren und ren-tablen Geothermiekraftwerk zu erkunden".

Den Potsdamer Wissenschaftlern ist es zum Beispiel gelungen, das Spaltensystem im Tiefengestein künstlich zu erweitern – ohne dass es oberirdisch spürbare Erschütterungen gegeben hätte. "Dabei haben wir doppelt so viel Wasser pro Zeit in den Boden gepresst wie die Kollegen in Basel", sagt Huenges. Sein Team hat sich zunutze gemacht, dass der poröse Sandstein in Potsdam viel flexibler ist als der Granit in Basel und mithin die eingepumpte Energie besser abfängt. Im nächsten Schritt wollen die Forscher die Verlässlichkeit von Pumpen und Wärmetauschern im thermalen Wasserkreislauf testen. Denn das heiße, salzhaltige Mineralwasser aus dem Boden zerfrisst Dichtungen oder Ventile oft so rasch, dass viele Gerätekomponenten schon nach wenigen Wochen verschlissen sind. "Und so ein Kraftwerk soll ja schließlich mindestens 30 Jahre laufen", sagt Huenges.