Die Megawatt-Bohrer

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Gleichzeitig gilt es, die Effizienz der Anlagen zu steigern; im Moment liegt ihr Wirkungsgrad, also das Verhältnis von gewonnener zu hineingesteckter Energie, gerade mal zwischen 10 und 13 Prozent. Um die Wirtschaftlichkeit der Kraftwerke zu erhöhen, bedarf es außerdem neuer Bohrtechniken, die ein schnelleres und preiswerteres Erschließen der unterirdischen Wärmereservoirs erlauben, unabhängig von der speziellen Beschaffenheit des Bodens, notfalls auch bis in 7000 Meter Tiefe.

Wenn Deutschland jetzt groß angelegt in die Geothermieforschung investiert, könnte daraus innerhalb der kommenden 10 bis 15 Jahre ein ganzer Industriezweig erwachsen, ähnlich umsatzstark wie die Windkraft oder die Photovoltaik – und mit ähnlich guten Exportchancen, prognostizieren Spezialisten wie Huenges. "Es gibt keine Form der Energiegewinnung ohne Nebenwirkungen", resümiert der Physiker. Staudämme können brechen, Atommeiler produzieren Strahlenmüll, bei der Förderung von Kohle, Öl und Erdgas sind Erschütterungen im Umfeld der Abbaustellen an der Tagesordnung, ganz zu schweigen von den Klimaschäden, die auf das Konto der fossilen Brennstoffe gehen. Verglichen mit den Alternativen sei "das Gefahrenpotenzial der Erdwärme doch überschaubar", meint Huenges.

Und anders als bei Kohlekraftwerken oder Offshore-Windparks erfordert der Bau von Geothermieanlagen keine Milliardeninvestitionen, die bestenfalls für Großkonzerne zu bewältigen sind. Künftig, so die Vision der Experten, könnten daher viele Gemeinden oder Stadtwerke ihr eigenes Erdwärmekraftwerk betreiben und sich so ein Stück Unabhängigkeit von den großen Energieanbietern zurückerobern.

Vorausgesetzt, die Bevölkerung zieht mit. "Wollen wir Protestaktionen wie bei der Atomkraft vermeiden, müssen wir die Menschen ehrlich von den Vorteilen der Geothermie überzeugen", sagt der Geologe Michael Kosinowski. Bei seinem Bohrprojekt in Hannover scheint ihm das gelungen zu sein. Nachdem er auf mehreren Bürgerversammlungen über das Vorhaben berichtet hat, häufen sich bei ihm die Bitten von Anwohnern, ihr Haus später ebenfalls an das Erdwärmesystem anzuschließen.

Und die kleine Geothermieausstellung, die Kosinowski und seine Mitarbeiter in einem Container am Eingang der Baustelle eingerichtet haben, hat bereits mehr als 6000 Besucher angelockt – nicht nur Familien oder Schülergruppen aus der Nachbarschaft, das Interesse reicht mittlerweile weit über die Stadtgrenzen Hannovers hinaus. Kürzlich sei eine Regierungsdelegation aus China zu Gast gewesen, erzählt Kosinowski. "Und sogar Vertreter des russischen Erdgaslieferanten Gazprom haben sich schon bei uns umgesehen."

Für Kosinowski nur konsequent. Denn bei allen Unwägbarkeiten, die mit der Geothermie noch verbunden sind, fest steht: Erdgas und Öl gehen allmählich zur Neige – der Vorrat an Wärme aus dem Inneren des Planeten ist dagegen nahezu unerschöpflich. (bsc)