Ducati Superleggera V4: Die Machtdemonstration

234 PS, 152 Kilogramm, edelste Materialen, MotoGP-Technologie, 100.000 Euro. Zu teuer? Die Auflage von 500 Stück ist bereits ausverkauft.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 11 Kommentare lesen
Ducati Superleggera V4: Die Machtdemonstration
Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Die Superleggera V4 ist eine Machtdemonstration von Ducati. Sie soll unmissverständlich klarstellen, wer das ultimative Superbike baut: 234 PS, 152 Kilogramm, edelste Materialien, MotoGP-Technologie, 100.000 Euro. Wer denkt, das sei doch zu teuer – die Auflage von 500 Stück ist bereits ausverkauft.

Das Projekt unter der Nummer 1708 war für die Entwickler ein Fest. Sie durften sich ohne Beschränkungen austoben. Die einzige Vorgabe: Es musste das stärkste, leichteste, schnellste und überhaupt beste Sportmotorrad der Welt mit Straßenzulassung werden. Dass sie zum Niederknien schön sein musste, hatte man dem Projekt-Team nicht extra sagen müssen. Es wäre interessant zu erfahren, wie viele der Ducati Superleggera V4 direkt in eine Vitrine ins Wohnzimmer gestellt worden sind, ohne je auch nur einen Meter gefahren zu sein.

In der Tat ist die „Superleichte“ V4 ein Gesamtkunstwerk. Selbst wer von Motorrädern überhaupt keine Ahnung hat, wird bei ihrem Anblick wissen, dass sie schnell ist – sehr schnell. Die tief gezogene Verkleidungsnase, der bullige Tank und das knappe Heck verleihen ihr die Optik einer Raubkatze, die zum Sprung ansetzt. Sie basiert auf der Panigale V4 R, Ducatis Homologationsmodell für die Superbike-WM.

Im Gegensatz zur Panigale V4 und V4 S, die über 1103 cm3 verfügen, darf die V4 R das Hubraumlimit von einem Liter nicht überschreiten und kommt daher „nur“ auf 998 cm3. Dennoch produziert sie 221 PS, statt 214 PS, weil sie um 2250 Touren höher bis 15.250/min drehen kann. Doch das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange: Mit einem optional erhältlichen Race-Kit leistet die V4 R gar 234 PS und bringt dabei trocken nur 172 kg auf die Waage.

Mit der Panigale V4 R wäre der Anspruch auf Top-Performance eigentlich Genüge getan, aber die Geschäftsführung von Ducati sah das anders. Laut Superbike-WM-Reglement darf das Homologationsmodell nicht mehr als 40.000 Euro kosten, sodass der Preis der Panigale V4 R auf 39.999 Euro festgelegt wurde. Doch Ducati wusste, dass sie in der Panigale noch viel mehr an technischem Know-how und edlen Materialien verbauen konnten, es war nur eine Preisfrage.

Ducati Superleggera V4 Studio (4 Bilder)

Die Ducati Superleggera V4 ist das ultimative Superbike. Kein anderes Sportmotorrad kann derzeit mit ihr bei Leistung und Gewicht mithalten.

Der CEO von Ducati Claudio Domenicali sparte zur Einführung der Superleggera V4 nicht an Superlativen: „Ich bin stolz darauf, Ihnen unser größtes Meisterwerk an Technik, Technologie und Design zu präsentieren. Es ging darum, das Maximum zu erreichen, zu dem die Firma fähig ist, und aus technischer Sicht und der Forschung neue Maßstäbe zu setzen.“ Das Projekt-1708-Team durfte ohne finanzielles Limit entwickeln und sich auch an der Renntechnologie von Ducati Corse aus der MotoGP bedienen.

An der V4 R blieb für die Entwicklung der Superleggera V4 kaum ein Bauteil unangetastet. Alles wurde auf den Prüfstand gestellt, ob es sich nicht noch verbessern ließe. Allein die rund 600 Einzelteile des V4-Motors wurden akribisch analysiert und dann bearbeitet. Neue Lösungen wurden entwickelt, um den Motor noch leichter und leistungsfähiger zu machen. 42 Prozent seiner Bauteile wurden neu konstruiert, und sei es nur, um ein paar Dutzend Gramm zu sparen. Die Mühen summierten sich schließlich auf 2,8 kg Gewichtsreduzierung am Motor.

Doch das war nur der Anfang: Rahmen, Schwinge, Räder, Verkleidung, Tank, Heck, Kotflügel, Lenkerklemmungen und Aerodynamik-Flügel bestehen aus Kohlefaserlaminat. Die Auspuffanlage und die Kolben sind aus Titan gefertigt und im Motor befinden außerdem noch Teile aus Magnesium. Die Gewichtsreduzierung brachte aber auch Schwierigkeiten mit sich. So erwies sich die Schwinge aus Kohlefaser zwar als sehr belastbar, aber die Stabilität des Motorrads stellte die Entwickler daraufhin vor komplexe Herausforderungen. Die Vorderradgabel musste in aufwendigen Simulationen und Tests komplett neu geplant werden. Doch das Ergebnis ist ein bei Ducati bis dato noch nie erreichtes spezifisches Steifeverhältnis. So langsam erahnt man, warum die Superleggera V4 100.000 Euro kostet.

Auffällig sind natürlich die vier Flügel, die von der Verkleidung seitlich abstehen. Sie werden von Ducati schon länger an ihrem MotoGP-Bike verwendet und haben nun auch Einzug in den Serienbau gehalten. Ducati hat in langen, aufwendigen Testreihen im Windkanal den Abtrieb der Superleggera V4 um 50 Prozent auf circa 60 kg erhöht – die ebenfalls mit Flügeln behangene Panigale V4 R kommt nur auf 30 Prozent mehr Abtrieb. Bei über 300 km/h Topspeed ein nicht ganz unwichtiger Faktor, ebenso wie die vermutlich beste Bremsanlage, die es zurzeit auf dem freien Markt zu kaufen gibt: Brembo Stylema R-Bremssättel mit zwei 330 mm großen Scheiben am Vorderrad.

Ducati Superleggera V4 Rennstrecke (4 Bilder)

Die Superleggera V4 ist nur zu dem Zweck entwickelt worden, Bestzeiten auf der Rundstrecke zu erzielen. Mit 1,54 PS pro Kilogramm hält sie den aktuellen Rekord in Sachen Leistungsgewicht.

Bei der Superleggera V4 verzichtet Ducati auf ein semi-aktives Fahrwerk, wie es in der Panigale V4 S verbaut ist. Doch dafür bekam sie teure Öhlins-Komponenten: Vorne die voll einstellbare NPX25/30-Gabel mit 43 mm Durchmesser, hinten das ebenfalls voll einstellbar TTX-36-Federbein mit einer Titanfeder.

Natürlich erhielt die Superleggera V4 alles, was an elektronischen Regelsystemen gibt. Dank eines Sechs-Achsen-IMU verfügt die Ducati über einstellbares Kurven-ABS, mehrstufige Schlupfkontrolle DTC EVO 2, Slide-, Wheelie-, Launch-Control, Quickshifter in beide Richtungen und Motorbremsmoment-Kontrolle. Ein fünf Zoll großes TFT-Display informiert den Fahrer über alles Zustände des Motorrads und beinhaltet außerdem einen Lap-Timer, der per GPS die Rundenzeiten nimmt und einen Limiter für die Boxengasse.

Der Superleggera-V4 ist ein reinrassiger Rennmotor, der nur zu dem Zweck entwickelt wurde, Bestzeiten auf der Rundstrecke zu erzielen. Ducati stellte den Drehzahlbegrenzer auf sagenhafte 16.500/min ein. Mit dem nicht für den Betrieb auf öffentlichen Straßen zugelassenen Race-Kit – bestehend aus einer Rennauspuffanlage, Entfall von Scheinwerfern, Rücklicht, Blinkern, Rückspiegel und Seitenständer zugunsten von Kohlefaser-Blenden sowie diversen weiteren Kohlefaser-Teilen, Ducati-Daten-Analysator, Renn-Tankdeckel und Bremshebelschutz – steigt die Leistung der Superleggera V4 auf 234 PS bei 15.500/min. Das maximale Drehmoment wächst von 116 auf 119 Nm bei 11.750/min. Ihr Gewicht sinkt von 159 kg auf nur noch 152,2 kg und damit weniger, als ein MotoGP-Bike (Mindestgewicht 157 kg) wiegt. Dabei stellt die Superleggera V4 noch einen Rekord in Sachen Leistungsgewicht für Serienmotorräder auf: 1,54 PS pro Kilogramm.

Ducati Superleggera V4 Details (7 Bilder)

Die Flügel sorgen für rund 60 Kilogramm Abtrieb bei 270 km/h. Das sind etwa 50 Prozent mehr als bei der Panigale V4 ohne Flügel.

Als i-Tüpfelchen präsentiert sich die Lackierung der Superleggera V4 in demselben Rot wie das MotoGP-Bike GP19, lässt jedoch genügend Flächen frei, um das Kohlefaserlaminat bewundern zu können. Alle Käufer der Superleggera V4 können an einem „Experience-Event“ in Mugello teilnehmen. Sie dürfen nächstes Jahr mit dem Ducati-Werksmotorrad aus der Superbike-WM unter Anleitung des Ex-MotoGP-Fahrers Michele Pirro einige Runden auf der legendären Strecke drehen, vorausgesetzt, sie sind in guter physischer und psychischer Verfassung, zwischen 25 und 65 Jahre alt, ist nicht über zwei Meter groß und wiegt nicht über 100 Kilogramm. Das gilt erst Recht für ein noch exklusiveres Angebot: 30 Kunden dürften gegen den Preis von 4000 Euro Ducatis MotoGP-Bike GP19 fahren – die einzige Ducati, die die Superleggera V4 noch toppen kann.

(mfz)