E-Auto Mercedes Vision EQXX soll mit unter 100 kWh über 1000 km schaffen

Das Autojahr beginnt mit einem elektrischen Schlag: Daimler stellt die seriennahe Studie Mercedes Vision EQXX mit 1000 km Reichweite vor.

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Die Studie sammelt bereits Straßenkilometer

(Bild: Daimler)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Stefan Grundhoff

Mit der Premiere seiner seriennahen Studie EQXX wollte Daimler der erste Autohersteller sein, dessen Elektromodell mit einer Batterieladung eine Strecke von mindestens 1000 Kilometer zurücklegen kann. Diesen Zieldurchlauf schnappte den Stuttgartern vor einigen Wochen das chinesische Crossover GAC Aion LX plus weg.

Doch während dieses 4,84 Meter lange SUV für diese Strecke einen gigantischen Akku mit einer Kapazität von 144,4 kWh benötigt, ist Daimlers Zukunftslimousine mit einem Speicher unterwegs, der weniger als 100 kWh fasst: Der Realverbrauch des Zukunftsmodells soll mit unter zehn Kilowattstunden pro hundert Kilometer kleiner als bei jedem anderen Fahrzeug sein.

Den geringen Verbrauch stellen intelligenter Leichtbau und eine ausgefeilte Aerodynamik sicher – der cW-Wert beläuft sich gerade einmal auf 0,17. Damit unterbietet der Mercedes Vision EQXX Volkswagens Öko-Zigarre VW XL 1, die mit einem Luftwiderstandsbeiwert von 0,19 auf Verbrauchsfahrten mit weniger als einem Liter Dieselkraftstoff auf 100 Kilometern auskam. Optisch ist die Studie fast schon ein alter Bekannter, sein Design orientiert sich an der sehenswerten Studie Mercedes-Benz "Concept IAA" (Intelligent Aerodynamic Automobile) des Jahres 2019, die sich mit ihrem ausfahrbarem Heck bereits cW-Bestwerte sicherte.

Der Mercedes-Benz "Concept IAA" (Intelligent Aerodynamic Automobile) erreichte 2019 mit aktiver Aerodynamik einen Luftwiderstandsbeiwert von c-w 0,19.

(Bild: Daimler)

Den exzellenten Luftwiderstandswert sieht man der 1750 Kilogramm schweren Elektroflunder an, die niedrige Dachlinie und das lange Heck, das an einen Long-Tail-Rennwagen erinnert, sind Anzeichen dafür, wie der Viertürer versucht, unter dem Gegenwind hindurchzutauchen.

Mercedes EQXX Teil 1 (5 Bilder)

Die Studie ist ein erfolgreicher Widerstandskämpfer: Ihr Luftwiderstandsbeiwert wird mit 0,17 angegeben.
(Bild: Daimler)

Das für ein 100-kWh-Elektroauto geringe Gewicht ermöglicht neben dem erleichterten Batteriepaket im Unterboden eine ultrahochfeste Stahlkarosserie mit zahlreichen Aluminium-, CFK- und GFK-Modulen. Die Magnesium-Schmiederäder haben zwar üppige 20 Zoll Durchmesser, die Reifen sind jedoch ähnlich wie bei BMW i3 oder VW XL 1 mit einer Breite von 18,5 Zentimetern eher schmal, um den Widerstand weiter zu senken.

Der Antrieb des Mercedes Vision EQXX leistet 150 kW und soll im Effizienzbetrieb noch eine Höchstgeschwindigkeit von 140 km/h erlauben. "Der Mercedes-Benz Vision EQXX zeigt, wie wir uns die Zukunft des Elektroautos vorstellen", sagt Daimler-CEO Ola Källenius, er biete "eine Reichweite von mehr als 1000 Kilometern mit einer einzigen Ladung – mit einer Batterie, die in einen Kleinwagen passen würde." Ohne zu sagen, auf welcher Zellchemie die Batterie basiert, teilt Daimler mit, dass der Aufbau der Anoden einen großen Anteil an der gesteigerten Energiedichte habe. Ihr höherer Siliziumgehalt und ihre Zusammensetzung erlauben es, wesentlich mehr Energie zu speichern als bisher möglich.

Ingenieure mit Erfahrung aus der hauseigenen Formel-1-Schmiede halfen den Batterieexperten dabei, den knapp 500 Kilogramm schweren Energiespeicher des EQXX auf ein kompaktes Format zu komprimieren. Das Batteriepaket des Visionsmodells speichert knapp 100 kWh Energie bei 50 Prozent weniger Volumen und 30 Prozent weniger Gewicht als das aktuelle im Mercedes EQS. Nicht ganz neu, aber hilfreich, wenn es um jeden Kilometer an Reichweite geht: Dünne Dachpaneele mit 117 Solarzellen speisen das Batteriesystem mit Sonnenenergie und ermöglichen bis zu 25 Kilometer zusätzliche Reichweite.

Im Innern präsentiert sich der EQXX beinahe wie ein Serienfahrzeug. Er bietet vier Einzelsitze, ein schmales 47,5-Zoll-Display mit 8K-Auflösung, das sich quer über die gesamte Armaturentafel zieht, und eine Mittelkonsole, die den puristischen Gesamtcharakter noch unterstreicht. Edles Leder wie in Mercedes-Serienmodellen sucht man in der Zukunftsstudie jedoch vergeblich – Sitzbezüge, Verkleidungen und Teppiche sind tierfrei herstellt.

Mercedes EQXX Teil 2 (5 Bilder)

Ein Panoramabildschirm dominiert das Cockpit und reicht weit darüber hinaus bis fast zum Beifahrerfenster. Hoffentlich lenkt das nicht zu sehr ab ...

Die Teppiche bestehen zu 100 Prozent aus schnell nachwachsender Bambusfaser. Allzu groß darf man im EQXX jedoch weder vorn noch hinten sein, sonst beengt die niedrige Dachlinie den Kopfraum spürbar.

Noch ist der Mercedes Vision EQXX ein Einzelstück, der sich jedoch bereits im Erprobungsbetrieb befindet. Seine Technologien sollen auf vielfältige Art und Weise Einzug in zukünftige Serienmodelle halten. Das gilt für die wiederverwerteten Materialien ebenso wie für den effizienten Antrieb oder die 900-Volt-Batterie. "Das Technologieprogramm, das hinter dem Vision EQXX steht, wird zukünftige Modelle und Fahrzeugfunktionen von Mercedes-Benz neu definieren und ermöglichen", sagt Daimler-Entwicklungsvorstand Markus Schäfer. Und wer weiß, ob der Mercedes Vision EQXX ähnlich wie der VW XL 1 nicht doch das Zeug zu einem begehrten Kleinserienmodell hat. Für den nur 200-mal im Osnabrücker VW-Werk produzierten XL 1 werden auf dem Gebrauchtwagenmarkt mitunter deutlich mehr als 100.000 Euro gezahlt.

(fpi)