Was der Rekord-Fund an Wasserstoff in Albanien bedeutet

Bisher galten natürliche Vorkommen an Wasserstoff als zu klein, um sie kommerziell zu nutzen. Doch eine Quelle in Albanien führt jetzt zur Neubewertung.

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(Bild: peterschreiber.media / Shutterstock.com)

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Es klingt wie die Lösung fast aller Energieprobleme: Wasserstoff, den uns die Erde quasi kostenlos zur Verfügung stellt. Tatsächlich häufen sich in letzter Zeit die Hinweise auf solchen "geologischen" Wasserstoff (auch "weißer" oder "goldener" Wasserstoff genannt).

Nun ist eine weitere Quelle hinzugekommen: eine Chrom-Mine in Albanien. Das Vorkommen war schon länger bekannt – und hat bereits mehrere, teilweise fatale Explosionen verursacht. Doch nun haben Forschende des CNRS die entstehende Wasserstoffmenge erstmals quantifiziert. Sie kommen auf 200 Tonnen im Jahr. Das ist rund tausend Mal mehr als bei ähnlichen Lagerstätten und laut CNRS der "bis heute höchste gemessene Ausstoß an natürlichem Wasserstoff überhaupt". Im Vergleich zu den jährlich produzierten knapp 100 Millionen Tonnen Wasserstoff ist das allerdings immer noch verschwindend gering.

Geologischer Wasserstoff kann auf verschiedene Arten entstehen:

  • Bei der Verwitterung von Olivin-Mineralien durch wasserstoffreiche Flüssigkeiten ("Serpentinisierung")
  • Bei der Spaltung von Wasser durch radioaktive Zerfallsprozesse.
  • Bei der Reduktion von Schwefelverbindungen in der Tiefsee.
  • Durch den Zerfall organischer Masse bei großer Hitze in tiefen Sedimentschichten.
  • Durch biologische Aktivität von Mikroben.

In Albanien handelt es sich um eine Serpentinisierung. Sie geschieht in sogenannten Ophiolit-Formationen – eisenreichen Schichten des ehemaligen Meeresbodens, die durch tektonische Prozesse nach oben gedrückt wurden. Solche Formationen gibt es überall auf der Welt. Dies schürt die Hoffnung, weitere Wasserstoffvorkommen zu finden.

Auch in Deutschland gibt es einen Serpentinitkörper, und zwar im oberfränkischen Leupoldsgrün. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) beziffert den dortigen Wasserstoffgehalt auf rund zwei Kubikmeter pro Tonne Gestein.

Damit sich geologischer Wasserstoff kommerziell nutzen lässt, muss das Vorkommen groß genug sein. Das bedeutet unter anderem: Es muss es eine Deckschicht existieren, unter der sich das Gas ansammeln kann; und es darf weder Mikroben noch chemische Prozesse geben, die das reaktionsfreudige Gas schneller abbauen, als es sich bildet. Welche Quellen dafür in Frage kommen, ist noch offen.

Ebenfalls ungeklärt ist die Frage, in welchem Maße sich der Wasserstoff neu bildet. An den meisten Fundstellen dürfte das nicht der Fall sein. Sind sie ausgebeutet, sind sie ausgebeutet. Es gibt aber auch Quellen, beispielsweise in Mali, in denen sich der Wasserstoff laufend nachbildet.

"Ein signifikanter Beitrag geogenen Wasserstoffs zu einer Wasserstoffwirtschaft kann nur erwartet werden, wenn er sich über viele Jahre in einem Reservoir ansammelt", heißt es in dem BGR-Paper von 2020. "Bislang sind allerdings keine Ansammlungen von Wasserstoff im geologischen Untergrund nachgewiesen, deren Größenordnung auch nur in die Nähe kommerziell genutzter Erdgasfelder kommen."

Führt der Fund in Albanien jetzt zu einer Neubewertung des geologischen Wasserstoffs? Die Forschenden des CNRS jedenfalls deuten ihn als Hinweis, dass er wohl wesentlich verbreiteter ist als bisher angenommen. Die BGR teilt diese Einschätzung. "Der Artikel basiert nach BGR-Einschätzung auf solider wissenschaftlicher Arbeit und die angegebene Menge an Wasserstoff (Konzentration und Flussrate) ist begründet", teilt die Bundesanstalt auf Anfrage mit. "Im Vergleich zu geförderten Erdgasmengen in Deutschland entspricht die Flussrate etwa einem Siebtel des Volumens pro Sonde. Die Entdeckung eröffnet die Möglichkeit, dass es unter der Erde noch bedeutendere Vorkommen geben könnte. Der Fund zeigt, dass signifikante Mengen an Wasserstoff natürlich vorkommen. Er wird mindestens die Forschungstätigkeit in Richtung natürlichem Wasserstoff deutlich bestärken."

Doch möglicherweise muss man sich auch gar nicht auf die natürlichen Vorkommen verlassen. Ein vom US-Energieministerium mit 20 Millionen Dollar gefördertes Projekt will der Serpentinisierung nachhelfen, wie der "New Scientist" berichtet. Dazu soll im Oman ein 400 bis 600 Meter tiefes Loch gebohrt werden, um zunächst die natürliche Wasserstoffproduktion zu messen und anschließend mit verschiedenen Methoden zu stimulieren – etwa durch die Injektion von Wasser, durch Hitze oder durch Strom, der – ähnlich wie beim Fracking – die Poren im Gestein erweitern soll. Das Ziel ist es, den Output um den Faktor 10.000 zu steigern. Das Ganze ist nicht unumstritten, etwa wegen des hohen Wasserverbrauchs oder des Erdbebenrisikos. Doch eins ist absehbar: Neben der ganzen bunten Wasserstoff-Nomenklatur von grau bis türkis wird eine weitere Farbe treten, ob sich nun weiß oder gold durchsetzen wird.

(grh)