Seite 3: Kriterien für nachhaltige Software

Ein Grund für die vielen noch unbeantworteten Fragen liegt darin, dass ein einheitliches Verständnis von nachhaltiger Software bisher fehlt. Zwar beschäftigt sich die Forschung seit rund 15 Jahren mit den Charakteristika nachhaltiger Software, doch je nach Perspektive und Fokus priorisiert sie unterschiedliche Aspekte wie die Energieeffizienz, die Entwicklungsprozesse oder die Auswirkungen der Softwarenutzung auf Gesellschaft und Wirtschaft. Deshalb ist der Blaue Engel für Desktop-Software ein wichtiger Schritt zu einem einheitlichen Verständnis von nachhaltiger Software.

Die Entwicklung der Vergabekriterien folgte einem kombinierten Ansatz, in den wissenschaftliche Erkenntnisse, bestehende Softwarequalitätskriterien und softwarespezifische Kriterien aus allgemeinen Nachhaltigkeits- respektive Umweltindikatoren einflossen. Der Blaue Software-Engel beschränkt sich derzeit auf Desktop-Software. Diese enge Eingrenzung dient dazu, zuerst geeignete Evaluationsmethoden zu entwickeln und so einen Startpunkt in der Nachhaltigkeitsbewertung der immateriellen Produkte zu setzen. Der vollständige Katalog umfasst über 70 Indikatoren, die sich teilweise auch auf verteilte Systeme, mobile Apps und Embedded- beziehungsweise IoT-Geräte anwenden lassen und die in Zukunft weiterentwickelt werden.

Zum Kriterienkatalog gehören die Ressourcen- und Energieeffizienz, die potenzielle Hardwarenutzungsdauer und die Nutzungsautonomie. Dazu zählt die Verwendung einzelner Ressourcen wie CPU-Zeit, RAM-Belegung, Datenübertragung, Festplattenbelegung und je nach Anwendungsfall auch die Grafikkartennutzung, da sie direkte Hinweise auf die Energie- und Ressourceneffizienz liefern. Darüber hinaus müssen die Softwarehersteller für die Zertifizierung verschiedene Nachweise erbringen, darunter die Unterstützung eines Energiemanagements, die potenzielle Hardwarenutzungsdauer, Abwärtskompatibilität, Modularität, Offlinefähigkeit und Werbefreiheit.

Der Blaue Engel ist ein Verbraucherlabel und richtet sich in erster Linie an Softwarenutzende. Dennoch liefern seine Kriterien auch hilfreiche Orientierungspunkte, die Entwicklungsteams bereits während der Softwaregestaltung berücksichtigen können. Darüber hinaus liefern sie auch Anhaltspunkte für die Beschaffung von Softwareprodukten und die Beauftragung einer Neuentwicklung. Zudem gibt es weitere Gründe für die Kennzeichnung grüner Softwareprodukte: Erstens werden Informationen über nachhaltigkeitsrelevante Aspekte von Software verbreitet. Zweitens erhöht sie die Transparenz und trägt ein Thema aus der Wissenschaft in die Öffentlichkeit. Drittens ist der Ansatz für andere Produktarten erfolgreich erprobt.