Interoperabilität als Regulierungsinstrument für Social-Media-Plattformen

Seite 5: Fazit

Inhaltsverzeichnis

Zweifelsohne ist die Standardisierung von Datenflüssen zwischen Online-Plattformen ein sehr aufwendiges Unterfangen. Die Entwicklung eines einheitlichen Kommunikationsprotokolls, der Einbezug der Stakeholder, die konstante Sicherheitsprüfungen, die stete Anpassung des Standards an technische Entwicklungen, die Beaufsichtigung der Implementation etc. – dies alles erfordert viel Ressourcen und kompetentes Personal in den Behörden. Entsprechend blicken viele Kritiker:innen skeptisch auf die Interoperabilitätspflicht, beklagen eine zu hohe Komplexität und stellen die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme in Frage. Gibt es keine alternativen Regulierungsinstrumente für die Dezentralisierung der Plattformökonomie?

Tatsächlich ist das Standard-Repertoire von Politik und Aufsichtsbehörden im Umgang mit den Internetgiganten weitgehend erschöpft. Die Digitalkonzerne hintergehen Gesetze systematisch, bezahlen Strafen aus der Portokasse und sind schlicht zu groß, um von unabhängigen Aufsichtsgremien überwacht zu werden. Zusätzliche Transparenzpflichten und Verbote, wie sie im Digital Markets Act und Digital Services Act vorgesehen sind, können zwar den Missbrauch digitaler Marktmacht einschränken, nicht aber die exorbitante Machtkonzentration der Konzerne selbst abbauen. Auch eine Aufspaltung der Unternehmen erscheint zwar grundsätzlich sinnvoll – beispielsweise im Falle einer Entflechtung von Facebook, Instagram und WhatsApp – ergibt in Bezug auf eine einzelne marktmächtige Plattform jedoch wenig Sinn, da sonst die Kommunikation der Nutzer:innen eingeschränkt wird.

So verbleibt die Interoperabilitätspflicht am Ende nicht nur als letzte politische Handlungsoption, sondern auch als staatliche Pflicht zur Gewährleistung digitaler Grundrechte. Die Datenschutzgrundverordnung setzt eine Wahlfreiheit der Nutzer:innen zwischen Plattformen voraus, die de facto vielfach nicht mehr existiert. Damit das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und auf Datenportabilität wirksam umgesetzt werden können, müssen Staaten ihren Gestaltungsauftrag erweitern und – frei nach dem Leitsatz "Code is Law" – zunehmend technische Protokolle in ihre Gesetzgebung integrieren. Wie dies funktionieren kann, hat die digitale Zivilgesellschaft mit dem Activity-Pub-Standard vorgemacht. Jetzt ist die Politik am Zug.

(bme)