Kalifornien: Schluss mit den Spritschluckern

Der Gouverneur des bevölkerungsreichsten US-Bundesstaates will die Verkehrswende und keine Benzinmotoren mehr. Gegenwind kommt nicht nur von der Autoindustrie.

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Kalifornien: Schluss mit den Spritschluckern

Tesla

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Von
  • James Temple

Gavin Newsom hat einen kühnen Schritt gewagt, als er jüngst verkündete, alle Neuverkäufe von benzinbetriebenen Autos verbieten zu wollen. Die Devise des Gouverneurs von Kalifornien: Schluss mit den Spritschluckern. Das ist seiner Ansicht nach ein wichtiger Schritt, damit Kalifornien sein Ziel einhalten kann, bis 2045 klimaneutral zu werden. Doch der Versuch, diese größte CO2-Emissionsquelle des bevölkerungsreichsten US-Bundesstaates auszuräumen, wird ziemlich sicher auf ernste rechtliche Hürden stoßen – insbesondere dann, wenn Donald Trump im November wiedergewählt werden sollte.

Newsom gab die Anordnung, dass staatliche Behörden, einschließlich des California Air Resources Board, dass für saubere Luft in dem Bundesstaat zuständig ist, Gesetze entwickeln sollen, die sicherstellen, dass alle neuen Personenwagen und Trucks, die im Bundesstaat verkauft werden, bis 2035 emissionsfrei sind. Im Klartext bedeutet das, dass zukünftig eigentlich nur noch Elektrofahrzeuge verkauft werden, die mit Batterien oder Wasserstoffbrennstoffzellen laufen. Der Großteil der neuen Nutzfahrzeuge soll zudem bis 2045 emissionsfrei sein.

Die Umsetzung soll über verschiedene Maßnahmen erfolgen – etwa durch direkte Verbote von Verbrennungsmotoren oder durch Subventionen von Elektrofahrzeugen und weitere politische Maßnahmen, die mit der Zeit mal strenger, mal lockerer umgesetzt werden. Sollten diese Gesetze wirklich greifen, würde es sich um eine der aggressivsten staatlichen Klimapolitikansätze handeln, die überhaupt denkbar sind – mit enormen Auswirkungen auf die Automobilindustrie. Die etwa zwei Millionen Neufahrzeuge, die jedes Jahr in Kalifornien verkauft werden, würden dann alle Elektrofahrzeuge sein, was der nach wie vor jungen Fahrzeugkategorie einen gigantischen Aufschwung verleihen würde. In Kalifornien leben fast 40 Millionen Menschen.

"Kaliforniens Gesetzgebung hat insbesondere in der Automobilindustrie einen Dominostein-Effekt auf die gesamten Vereinigten Staaten und selbst international – einfach, weil unser Markt so groß ist", sagt Alissa Kendall, Professorin für Bau- und Umweltingenieurwesen an der University of California in Davis.

Und tatsächlich: Die Verordnung würde bedeuten, dass mehr Autofirmen weitere E-Fahrzeug-Serien produzieren würden, sodass die Herstellung umfangreicher und die Kosten niedriger werden. Der wachsende Markt würde wiederrum mehr Anreize dafür schaffen, die notwendige Infrastruktur aus Ladestationen und Wasserstoff-Betankung einzurichten. Der Weg für eine breite Verkehrswende mit saubereren Fahrzeugen wäre dann geebnet. Der Schritt könnte auch die Emissionen erheblich senken, die durch Fahrzeuge entstehen. In Kalifornien verursachen PKWs und LKWs zusammen mehr als 35 Prozent der Klimagase, eine Zahl, die in dem weitläufigen Bundesstaat mit seinen autoliebenden Bewohnern besonders schwer zu reduzieren ist (tatsächlich steigen die Fahrzeugemissionen in Kalifornien sgoar wieder).

Doch Newsoms Verordnung deckt nicht alles ab. Nicht erwähnt werden Flugzeuge, Diesel-betriebene Züge (die es vielfach gibt) oder Schiffe, und es könnte ein paar Jahrzehnte dauern, bis die Einwohner nicht mehr weiter die Benziner fahren, die eh schon auf den Straßen sind. Ob die Regelungen überhaupt durchgesetzt werden können und in welchem Ausmaß, hängt von vielen Variablen ab. Unter anderem davon, auf welche Rechtsgrundlage das Air Resources Board sich stützen wird, um die Gesetze zu legitimieren, sagt Danny Cullenward, Dozent an der Stanford Law School und Experte für Umweltgesetze.

Ein wahrscheinlicher Weg besteht darin, dass sich die Umweltbehörde auf neue Abgasnormen stützt. Auf die hat Kalifornien sich schon in der Vergangenheit berufen, um Autohersteller zu zwingen, benzinsparende Fahrzeuge zu produzieren, was den nationalen Standard vorangetrieben hat. Allerdings erfordert dieser Ansatz womöglich neue Kompetenzen für die lokale Gesetzgebung, die die US-Umweltschutzbehörde EPA erst erteilen müsste – und die sitzt in Washington und wird von der Trump-Regierung beherrscht. Erst dann könnte Kalifornien nach dem Clean Air Act noch radikaler autonom entscheiden. Erste hitzige Diskussionen haben bereits begonnen.

Im letzten Jahr kündigte Trump an, dass er die frühere Freigabe seitens der US-Regierung zurückziehen werde, die es Kalifornien ermöglicht hatte, strengere Standards zu setzen. Kalifornien und auch New York erhoben daraufhin Klage. Ob Kalifornien seinen geplanten Weg also einschlagen kann, hängt davon ab, wie die Gerichte diesen Fall bewerten werden und wer sich Ende Januar im Weißen Haus befindet. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Automobilindustrie die Gesetzgebung nicht einfach tatenlos hinnehmen wird, unabhängig davon, in welcher Form der Staat sie letztlich umsetzt. Und das Ergebnis dieser Auseinandersetzungen könnte dann davon abhängen, wer schließlich im Supreme Court sitzt, den Trump zunehmend konservativ besetzen kann.

Doch welche rechtlichen Hürden auch auf Kalifornien zukommen, für den Staat gilt dasselbe wie allerorts: die Fahrzeugemissionen müssen gesenkt werden. Nur so gibt es eine Hoffnung darauf, den Klimawandel zu stoppen oder zumindest abzubremsen, sagt Dave Weiskopf, leitender Politikberater bei NextGen Policy in Sacramento. "Das ist es, was die Wissenschaft fordert – und es ist der nächste logische Schritt in der staatlichen Regulierung."

(bsc)