Lieferroboter nimmt Fahrradweg und setzt Bestellung vor der Haustür ab

Ein US-Start-up hat ein vergleichsweise kostengünstiges autonomes Lieferfahrzeug vorgestellt und will damit bald auf Fahrradstraßen.

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Lieferroboter Vayu ONE stellt Produkte ab

Vayu One beim Abstellen der Lieferung

(Bild: Vayu Robotics)

Update
Lesezeit: 5 Min.

Autonome Lieferroboter wurden bereits vielfach mit unterdurchschnittlichem Erfolg getestet – von Großfirmen wie Amazon oder DHL bis hin zu kleineren Start-ups. Die Versuche beschränkten sich dabei stets auf fest abgesteckte Räume, wie etwa das Campus-Gelände einer Hochschule oder Gehwege. Zudem sind die Gefährte noch sehr teuer, weil sie komplexe Umgebungssensoren benötigen, darunter die Laser-gestützte Radar-Technik Light Detection and Ranging (LIDAR). Nur so gelten die Systeme als einigermaßen sicher und können Personen oder dem Gegenverkehr zuverlässig ausweichen.

Das amerikanische Robotik-Start-up Vayu Robotics verspricht nun, ein LIDAR-loses System auf den Markt zu bringen, das auf regulären Straßen – genauer: Fahrradwegen – unterwegs sein kann und dabei eine passive Sensorik nutzt. Zur Steuerung dient ein KI-Grundmodell, das eigenes auf Robotikanwendungen trainiert wurde. Die Gründer von Vayu Robotics sind Mahesh Krishnamurthi und Nitish Srivastava, die beide einst in Apples Special Projects Group (SPG) tätig waren, in der der Konzern seine (mittlerweile eingestellten) E-Auto-Pläne gebündelt hatte. CEO ist Anand Gopalan, der 2020 – ironischerweise – den führenden LIDAR-Hersteller Velodyne an die Börse brachte. Einer der Berater von Vayu Robotics ist die KI-Vaterfigur Geoffrey Hinton (University of Toronto, Google), in dessen Labor Srivastava früher gearbeitet hat. "Die Technologien, die wir bei Vayu entwickelt haben, ermöglichen es uns, Probleme zu lösen, die Lieferroboter in den letzten zehn Jahren geplagt haben", sagt Gopalan, der meint, dass man die Vayu-Technik nun "tatsächlich im großen Maßstab" einsetzen könne, um kostengünstig Waren zu transportieren – und das "überall".

Das Demonstrationsvideo, das Vayu Robotics dazu publiziert hat, wirkt allerdings kaum anders als bisherige Versuche. Wir sehen einen blauen Roboter von der Größe eines Lastenfahrrads mit rechteckigem Aufbau. Er hört auf den Namen Vayu One und wird vom Kunden per App auf den Weg geschickt. Beladen wird das System in einem Supermarkt. Dort folgt der Roboter einer Angestellten brav zu den Regalen, wo er dann mit mehreren Kartons mit Lebensmitteln bestückt wird. Anschließend geht es ab auf die Straße, wobei das Gerät auf vier kleinen Rädern unterwegs ist. Eingebogen wird baldmöglichst auf einen Radweg neben der Straße, zudem wird gezeigt, wie der Vayu One einen Zebrastreifen überquert. Er ist mit maximal 30 km/h unterwegs, was zügigem Radfahren entspricht. Die Zuladung liegt bei 45 Kilo. In der Nähe der Lieferstelle angekommen – hier: ein Einfamilienhaus –, fährt der Roboter auf den Gehweg. Dann öffnet sich eine Klappe und eine integrierte Mechanik stellt das Liefergut ab. Der Kunde wird informiert, damit er dieses ins Haus holen kann.

Zum KI-Grundmodell, das der Vayu One nutzt, teilt das Start-up bislang nur wenig mit – dass es transformerbasiert ist, gilt heutzutage für nahezu alle populären KI-Systeme. Ein Pre-Mapping der Straßenverhältnisse ist nicht notwendig, der Vayu One soll von Tag eins an durch (auch unbekannte) Läden und Straßen navigieren und Güter auf Terrassen oder Einfahrten abstellen können. Die Sensorik scheint vorwiegend auf Kamerasignalen zu basieren. So brauche man keine Softwaremodule mehr, "die nur eine Aufgabe gleichzeitig" erfüllen könnten, so das Unternehmen.

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Die Idee konnte bekannte Risikokapitalinvestoren anlocken. In der Seed-Runde im vergangenen Jahr steckte Khosla Ventures, das unter anderem OpenAI, DoorDash oder Square mit Mittel versorgt hat, immerhin 12,7 Millionen US-Dollar in Vayu Robotics. Das Modell soll agnostisch gegenüber dem Formfaktor des Roboters sein, es sind also "in naher Zukunft" auch weitere rollende Gefährte möglich. Selbst Roboter mit zwei oder vier Beinen will man künftig unterstützen. Es geht also nicht nur um das reine Liefergeschäft. Dennoch soll es bald zu einem größeren Endkundeneinsatz kommen: Ein "großer E-Commerce-Player" will künftig 2500 Roboter von Vayu Robotics einsetzen, um eine "ultraschnelle Produktlieferung" zu implementieren. Wie der heißt, verrät das Start-up aktuell aber noch nicht.

Update 23.7., 19 Uhr 16:

Laut Vayu-Robotics-CEO Anand Gopalan besteht die passive Sensorik aus einem Standard-CMOS-Bildsensor mit einer eigens entwickelten Optik sowie Filtern. Das verwendete KI-Grundmodell ist proprietär. "Es handelt sich um ein neuronales Ende-zu-Ende-Netz, das ähnlich wie LLMs auf der Basis von Tokens-In und Tokens-Out arbeitet." Die Eingabe erfolgt multimodal – Bild-Token von den Kameras sowie Anweisungs-Token für die Aufgaben, die der Roboter zu bewältigen hat. Zudem gibt es spezielle Routing-Token, um dem System "den Navigationspfad auf Straßenebene zu zeigen".

Im Gegensatz zu einem regulären großen Sprachmodell (Large Language Model, LLM) habe das Grundmodell eine "Notion of State", also einen internen Zustand, der bleibend ist. Er soll sich im Laufe der Zeit aufbauen und mit jeder zusätzlichen Eingabe verfeinert werden. "Dies ermöglicht große Kontextfenster ohne die typische Verlangsamung, die bei großen Kontexten auftritt", so Gopalan. Das System sei so konzipiert, dass es mit zehn Bildern pro Sekunde effizient läuft.

(bsc)